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Singend die neue Heimat entdecken

In den Niederlanden sind Einbürgerungskurse schon lange an der Tagesordnung. Rund 600 Stunden über die niederländische Kultur, Gesellschaft und vor allem die Sprache sind Pflicht. In Zwijndrecht bei Rotterdam ist daraus ein weiterführendes Projekt entstanden: Hollands erster Multi-Kulti-Chor. Anneke Wardenbach berichtet.

06.06.2006
    Dienstagmorgen, kurz nach neun in einem Schulgebäude im holländischen Zwijndrecht. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich. Rund zwei Dutzend Erwachsene stehen im Halbkreis und singen niederländische Lieder. Die Sänger kommen aus aller Herren Länder – aus China, Russland, dem Kongo und Venezuela.
    Dieser Multi-Kulti-Chor entstand eigentlich aus der Not heraus, sagt Sietske van Voorthuijzen, die Initiatorin des Chors und Dozentin für Einbürgerungskurse. Mit einer Kollegin wollte sie Zuwanderer für das Ehrenamt gewinnen. Interessenten fand sie genug, aber es scheiterte an den Sprachkenntnissen.

    "Und dann haben wir gedacht, okay dann singen wir eben. Singen macht froh, verbessert die Sprache, bringt Menschen in Kontakt miteinander."

    Die 44-jährige Leonor Mantilla aus Venezuela kann das bestätigen. Ihr macht es sichtlich Spaß, Holländisch singend zu lernen. Außerdem gehen ihr viele Worte singend besser über die Lippen, sagt sie.
    Das gemeinsame Singen soll in erster Linie Spaß machen. Es ist aber auch eine ideale Ergänzung zum Einbürgerungskurs, sagt Hobby-Dirigentin Nanda Stolk:

    "Das ist eine begeisterte Gruppe Leute, die immer freier werden. Manche haben viel mitgemacht, kämpfen mit Traumas und trauen sich anfangs nicht, mir in die Augen zu sehen. Und irgendwann lachen sie mich an. und dann habe ich mein Ziel erreicht."

    Alle Liedertexte sind auf Niederländisch. Singen vermittelt Sprachgefühl und hilft Ängste zu überwinden. Das ist wichtig, denn viele Teilnehmer der Einbürgerungskurse stecken in einer schwierigen Übergangsphase ihres Lebens. Lolo kommt aus Kinshasa im Kongo. Die große Afrikanerin tritt in ihrem bunten Gewand vor die Gruppe und singt ein Solo.

    Chorinitiatorin Tineke Ruijter ist begeistert. Denn vor einigen Monaten war Lolo noch ziemlich verunsichert und schüchtern. Inzwischen betreut sie ehrenamtlich demenzkranke holländische Senioren, so sehr haben sich Mut und Sprachkenntnisse der Afrikanerin gebessert.

    "Es ist wunderbar, diese Entwicklung zu sehen, wie sie endlich am Leben in Holland teilnimmt", findet Tineke Ruijter. Genau darum geht es in dem Einbürgerungschor, sagt auch Nava Benyamini, die die Sänger am Klavier begleitet. Sie ist selbst vor vielen Jahren aus Israel in die Niederlande eingewandert. Für sie stärkt das Singen im Chor zwei zentrale Bausteine zur Einbürgerung: Die Sprache lernen und vor allem ein positives Gefühl entwickeln.