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Soloprogramm von Christian Ehring
Lagebericht aus dem Komfortzonenrandgebiet

Viele kennen ihn als den Moderator der NDR-Satiresendung Extra3: Christian Ehring, Kabarettist und Autor. Seit gut 25 Jahren ist er auf den Kabarettbühnen zuhause. Nun hatte sein Soloprogramm "Keine weiteren Fragen" Premiere - ein gelungenes Stück Politsatire.

Von Achim Hahn | 19.10.2015
    Der Kabarettist Christian Ehring.
    Christian Ehring nun mit neuem Soloprogramm. (picture alliance / dpa / Georg Wendt)
    Man hat vieles gemeinsam. Und vor allem die Eltern im Publikum wissen Bescheid. Den anderen erklärt es Christian Ehring:
    "Man ist ja einfach immer k. o. Die Nächte sind kurz. Es ist immer anstrengend. Wir sollten mal wieder ausgehen. Oh ja, okay. Ja, komm. Samstag Abend, man nimmt sich das vor, ist total geschafft von der Woche, man hat wieder schlecht geschlafen. Der Babysitter kommt erst spät. 19:15 Uhr ist man schon total fertig und will noch rausgehen. Ich weiß noch: Wir waren manchmal so k o, wir haben den Babysitter ins Theater geschickt. Aber trotzdem. Ich kann Ihnen nur sagen: Genießen Sie die Zeit, es wird schlimmer."
    Denn das Drama des Nachwuchses endet nicht mit dem frühen G8-Abitur, das die meisten ziellos in die Realität entlässt. Auch seinen Sohn schickt das Bühnen Alter Ego von Christian Ehring daher - wie die meisten in seiner Umgebung - in die Slums - zum freiwilligen sozialen Jahr:
    "Sie müssen sich vorstellen, das sind emotional total verwahrloste Wohlstandskrüppel, die da Tausende von Kilometern irgendwo in einem Slum sitzen und nix anderes im Kopf haben als irgendwelche Handyfotos hochzuladen. Und die Waisenkinder sagen übereinstimmend, wenn es gelingt, so einem Jugendlichen ein echtes Lächeln ins Gesicht zu zaubern: Das ist eine Erfahrung, die trägst du in deinem Herzen. Egal was du später machst, wenn du Kindersoldat wirst, egal was du machst. Die trägst du mit. Du weißt, du hast einem deutschen Jugendlichen, einem jungen Erwachsenen geholfen bei der Selbstfindung. Ganz wichtige Erfahrung!"
    Der Ausgangspunkt von Ehrings Geschichte: Denn nun ist die Einliegerwohnung unter dem Einfamilienhaus, in der ihr Sohn zuvor gehaust hat, frei für ein Jahr und die Ehefrau hat die Idee, einen Flüchtling aufzunehmen:
    - "Womit ich nicht gerechnet hatte, dass sie sich am nächsten Tag ans Telefon hängt und einen Termin mit der Stadt ausmachte."
    - "Ja, aber du hast doch gesagt, es ist ne tolle Idee?"
    - "Ja, ich habe gesagt, es ist eine gute Idee, als Idee! Verstehst Du? Es gibt Ideen, die sind starke Ideen, aber vor allem als Ideen sind sie stark. Es gibt Ideen, die verlieren sogar, wenn man sie dann in die Tat umsetzt."
    Willkommenskultur in der Praxis
    Willkommenskultur in der Praxis, solange es nicht ans Eingemachte geht. "Keine weiteren Fragen" - das neue Programm von Christian Ehring - "ein aktueller Lagebericht aus dem Komfortzonenrandgebiet". Mit Zwischenmusik:
    -"Du hast den Park gleich vor der Tür. Die Nachbarn alle Eigentümer, aber was schön ist, genauso links wie wir."
    Unterhaltsam und selbstironisch erzählt Christian Ehring die vermeintlich eigene Geschichte eines Links-liberal-grünen-wie-auch-immer-Zeitgenossen, dem das Elend der Welt im Fernsehen durchaus ans Herz geht.
    "Ich bin natürlich für Grundrechte. Ich bin ein offener Mensch. Ich hab eine nette Familie, mein Golden Retriever lebt eine offen, schwule Beziehung."
    Aber alles hat eben auch seine Grenzen, sagt er auch seiner Frau.
    - "Ja, aber Sarah Connor hat's ja auch gemacht."
    - "Ja, Sarah Connor ist auch ohne Schlüpfer nach Thomas Gottschalk gegangen, habe ich auch nicht vor."
    Christian Ehrings neues Soloprogramm ist ein hochaktueller, assoziativer "Monolog voller Gegenwartsfuror", wie er es nennt, der das Flüchtlingsdrama aus der Sicht betuchter Stadtrandbewohner einmal durchdenkt:
    "Du kannst da nicht sagen in einem halben Jahr, der kommt jetzt zurück ins Heim. Sei dir dessen bewusst. Wir sind ja auch gewissermaßen das Aushängeschild Deutschlands damit."
    Die vordergründige Storyline bietet also Platz für viele Seitenhiebe: die Transitzonenidee der Bayern zum Beispiel oder die Probleme, den Flüchtlingen die Mülltrennung zu erklären. Die mautigen Verkehrskonzepte oder die VW-WM-Von-der-Leyen-Betrugsskandale der letzten Zeit. Ganz zu schweigen von der Neudefinition der Deutschen an sich:
    "Das kratzt an unserem Selbstbewusstsein. Wir haben das doch immer ausgehalten, dass andere über uns gelacht haben. Dass die Brasilianer gesagt haben, ihr könnt nicht tanzen, ihr habt einen Stock im Arsch. Dass die Briten gesagt haben, ihr habt keinen Humor. Dass die Griechen unserer Kanzlerin Hitlerbärtchen angemalt haben. Das haben wir alles ertragen und gesagt: Okay, mag sein - aber wir können Auto und wir sind ehrlich. Ja, schöner Mist."
    Dazu gibt's jede Menge Songs am Klavier: Allen voran sein Bekenntnis für die "Authentizi-Authentizität".
    Doch die Bühnenfigur spielt in Wahrheit mit ihrer teils erfundenen, teils realen Biografie und ihrer vordergründigen Liberalität. Ein sich selbst entlarvendes Spiel, das uns allen einen Spiegel vorhält. Meist humorvoll, nicht bitterböse, gelegentlich schwarz-humorig.
    "Keine weiteren Fragen" ist ein gelungenes Stück Politsatire, das klarmacht: Der Einkauf im Bioladen reicht längst nicht mehr aus als moralischer Ablassbrief. Genauso wenig, wie der Besuch eines Kabarettprogramms.
    Termine
    • 20.10. Hamburg, Aufzeichnung "extra 3"/ NDR Sendung 21.10.15 um 22.50 Uhr
    • 21.10. Anchorman, Hockenheim, Stadthalle
    • 24.10. Keine weiteren Fragen, Köln, Comedia (Kölnpremiere)
    • 29.10. ARD/NDR "extra 3" um 22.45 Uhr
    • 30.10. Keine weiteren Fragen, Hamburg, Politbüro