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Spielen im Studium

Spielend studieren - wer wünscht sich das nicht? Doch ganz so einfach machen es sich die Studierenden an der Hochschule für angewandte Wissenschaft in Hamburg nicht. Trotzdem: Selber spielen gehört beim Entwickeln von Computerspielen einfach dazu.

Von Verena Herb | 17.08.2009
    Der Spieler schlägt sich durch das Dickicht, Äste schlagen ihm ins Gesicht: Das Maschinengewehr im Anschlag, volle Konzentration. Dann plötzlich: der Feind, genau vor ihm. Ibrahim tippt konzentriert auf seiner Tastatur, den Blick auf den Flachbildschirm gerichtet. Er zeigt Elemente eines Ego-Shooter-Abenteuers:

    "Hauptziel: Schalten Sie mehrere feindliche Leader auf Ibono aus."

    Er versucht, die Insel von Aliens zu befreien. Ibrahim zückt mit seiner Spielfigur das Gewehr und drückt ab.

    Ibrahim studiert Media Systems an der Hochschule für angewandte Wissenschaft, kurz HAW in Hamburg. In einem seiner Kurse stand ein besonderes Projekt an:
    "Da war letztendlich die Aufgabe, ein Spiel zu erstellen. Uns war jetzt freigestellt, ob wir jetzt ein Kartenspiel erstellen wollen.".

    Er hat sich entschieden, für das Computerspiel Crysis, das es schon auf dem Markt gibt, ein eigenes Level zu erstellen: Kreativ sein, neue Aufgaben programmieren und Funktionen auszutesten. Bei Ibrahim geht es nicht nur um das reine Spiel. Torben, ein Kommilitone, erklärt:
    "Wir machen halt auch Recherche sozusagen. Gucken, was funktioniert, wieso funktioniert es. Und das ist auch ein wichtiger Teil, weil es geht ja nicht nur darum, irgendwelchen Code reinzuhacken, sondern auch einfach das Verständnis dafür zu erlangen. Warum das Spaß macht, was die Funktionalität dahinter ist, welche Mechanismen da eine Rolle spielen."

    Er habe gerade ein Buch gelesen, erzählt der 23-Jährige. Darin stand:

    "Wir entwickeln keine Spiele, sondern Spielerfahrung. Die der Mensch dann erlebt beim Spielen. Und das finde ich eigentlich auch ganz interessant. Dass es halt wirklich darum geht, dass auch der Mensch, der das spielt, was er dabei fühlt."

    Torben und Ibrahim sind voraussichtlich zum nächsten Sommersemester mit ihrem Bachelorstudiengang Media Systems fertig. Was sie gerade machen, das Bauen einzelner Levels für bereits existente Spiele - das ist nur das Vorspiel. Sie wollen selbst Computerspiele entwickeln. Und dafür gibt es ab nächstem Sommersemester an der Hamburger HAW einen neuen Studiengang:
    "Dafür muss man eine Bachelor-Ausbildung haben im Design oder Informatik-Bereich. Und eine Games-Affinität, weil die Games-Branche mit ihren speziellen Anforderungen Studierende oder Arbeitskräfte haben möchte, die sich mit Computerspielen auskennen."

    Erklärt Professor Gunther Rehfeld: Graue Schläfen und grauer Viertagebart, die schulterlangen Haare zum Zopf gebunden, die Sonnenbrille steckt im Ausschnitt seines schwarzen Hemdes. Professor Daddel, nennen ihn bereits einige Medien. Er ist der Gamer-Prof von Hamburg.

    "Ich bin schon eine ganze Zeit in der 'gamecity' aktiv und habe mitbekommen, wie intensiv die Betriebe junge und professionelle Arbeitskräfte suchen. Vor allem auf einem hochausgebildeten Niveau. Und habe dann angefangen, dafür zu werben, dass man das doch einmal im akademischen Bereich einrichten sollte. Es gibt da ja mehrere Bestrebungen in Deutschland, wir sind ja nicht der erste Masterstudiengang."

    Aber der erste an einer staatlichen Hochschule. Bislang wurde das Entwickeln von Computerspielen nur an Privatschulen gelehrt. Was als Vision und Einzelkämpferidee begann, wird zwischenzeitlich vom Senat der Hansestadt finanziell gefördert: 450.000 Euro als Anschubfinanzierung, und ab Sommersemester 2010 können 20 Studenten einen dreisemestrigen Masterstudiengang "Sound, Vision, Games" belegen. Die Anmeldefrist läuft noch bis Ende Oktober / Anfang November. Wichtig ist dem Professor vor allem die praktische Arbeit der Studenten:

    "Die Stadt Hamburg gibt uns eine volle Professorenstelle für zwei Jahre, und die andere Hälfte sind Lehrbeauftragte. Und die werden aus der Wirtschaft hier in ihren Spezialgebieten Unterricht ableisten. Was mir sehr wichtig ist. Und wir haben ja jetzt schon im Rahmen des Bachelorstudiums Workshops gehabt mit Leuten aus dem Leveldesign oder Konsolenprogrammierung und ähnlichen Sachen."

    Professor Rehfeld erklärt das akademische an Studiengängen wie "Sound, Vision, Games" - es gehe in erster Linie um angewandte Forschung, die betrieben werde:
    "Mein Forschungsgebiet sind neue Erzähltechnologien, weil Spiele sind eine andere Form von medialen Erzählungen. Und da geht es darum: Wie erzähle ich interaktiv, was hat das mit Identität zu tun. Und wie ist der Übergang von der realen zur virtuellen Welt und die Rückkopplung aus der virtuellen wieder in die reale Welt."
    Seit gestern ist Professor Rehfeld mit einigen seiner Studenten auf der Game Developer Conference in Köln um sich über die neuesten technischen Entwicklungen zu informieren und Netzwerke zur Wirtschaft zu knüpfen. Denn dort treffen sich Experten aus Japan, USA und Korea. Eben, was Rang und Namen in der Szene hat.

    Die Branche boomt, erklärt der 48-jährige Professor: Allein in der Hansestadt wurden in diesem Jahr 300 Spezialisten in der PC-Spiele Industrie gesucht. Torben und Ibrahim winkt also nach ihrem Studium ein spannender Job.