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Spritverbrauch-Angaben
Abweichungen deutlich über 20 Prozent

Wenn es darum geht, Messungen des Spritverbrauchs zu manipulieren, sind Autohersteller erfinderisch: Sie backen Reifen, wie es im Fachjargon heißt, bauen Klimaanlagen aus oder benutzen illegale Software. Die unrealistischen Spritangaben kommen Autofahrer teuer zu stehen. Ein europaweites Programm soll jetzt den Druck auf die Autoindustrie erhöhen.

Von Philip Banse | 10.03.2017
    Tankanzeige eines Autos
    Laut der Organisation "Transport and Environment" verbrauchen die meisten Hersteller über 40 Prozent mehr Sprit als angeben – Mercedes-Benz sogar über 50 Prozent. (dpa/picture alliance/Hendrik Schmidt)
    Wie weit klaffen Dichtung und Wahrheit auseinander bei den Spritverbrauchs-Angaben der Autohersteller? Die Deutsche Umwelthilfe hat dazu heute ein paar Zahlen vorgestellt. Es geht dabei um die Frage: Wie viel CO2 stoßen Autos auf dem Messestand bei der Zulassung aus, sprich wie viel Sprit verbrauchen sie? Und was kommt nach der Zulassung bei späteren Nachmessungen raus. Axel Friedrich Verkehrs- und Umweltberater von der Deutschen Umwelthilfe:
    "Die Automobilwoche hat im Dezember letzten Jahres einige Zahlen veröffentlicht. Die Abweichungen waren bis zu 22 Prozent. Nicht auf der Straße, sondern in dem Zulassungszyklus, in der Zulassungsmessung. 22 Prozent höhere Werte. Und das liegt nicht am Zyklus, das liegt nicht an den Messungen. Es liegt eindeutig daran, dass die Fahrzeuge entsprechend präpariert worden sind. Das ist der entscheidende Skandal."
    Autos würden für Zulassungsprüfung manipuliert
    Nochmal: Als Spritverbrauch und CO2 Ausstoß mal nachgemessen wurden, auf einem Prüfstand, nach demselben Zyklus wie bei der Zulassung, lagen CO2-Werte und Spritverbrauch 22 Prozent höher als bei der Prüfung zur Zulassung. Das liege daran, so Axel Friedrich von der Umwelthilfe, dass Autohersteller die Autos für die Prüfung zur Zulassung manipulierten, teils legal, teils halblegal:
    "Die Reifen werden nicht nur noch mal aufgepumpt, sondern in den Ofen gelegt, gebacken, wie man das im Deutsch der Automobilindustrie nennt. Das heißt, die werden hart und aufgepumpt auf 3,5 bis 4 bar. Das heißt, die haben praktisch keinen Rollwiderstand, das ist wie ein Eisenreifen im Endeffekt. Die Spalten werden abgeklebt und die Lüftungsschlitze werden abgebaut. Die Klimaanlage wird ausgebaut. Alles Dinge, um den Ausrollwert zu verlängern. Jetzt könnte man sagen, das ist eine halblegale Methode, man fährt ja immer noch wie die Vorschrift das verlangt."
    Illegale Methoden
    Es gebe aber auch illegale Methode wie etwa die Lichtmaschine auszuschalten oder eben Software einzubauen, die erkennt, wenn ein Auto auf dem Prüfstand steht und dann Leistung runter regelt. Auch das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrtbundesamt hätten bei Nachmessungen festgestellt: CO2 und Spritwerte sind viel höher als bei der Zulassung. Das Bundesverkehrsministerium veröffentliche die Ergebnisse dieser Nachmessung nicht, weil die Zulassungswerte so krass überschritten würden, dass Bürger vor Gerichten Chancen hätten zu gewinnen. Ich konnte aufgrund der Kürze der Zeit das Ministerium nicht um Stellungnahme dazu bitten.
    Viele Hersteller verbrauchen über 40 Prozent mehr Sprit als angegeben
    Die Organisation "Transport and Environment" hat den Spritverbrauch bei 15 populären Autoherstellern nachgemessen. Die meisten Hersteller verbrauchen demnach über 40 Prozent mehr Sprit als angeben – Mercedes-Benz sogar über 50 Prozent. Diese unrealistischen Spritangaben kämen Autofahrer teuer zu stehen, sagt der Chef der Umwelthilfe Jürgen Resch. Er habe die jährlichen Mehrkosten durch falsche Spritangaben beim Autokauf berechnet:
    "Diese belaufen sich auf bis zu 7000 Euro bei diesen Fahrzeugen. Wenn sie größere Fahrzeuge nehmen, die allerdings nicht zu den Top 15 zählen, dann kann das deutlich über 10.000 Euro hinausgehen. Es ist also nicht nur ein Klimathema, sondern ein Verbraucherthema. Denn wer scharf rechnen muss, der hat eben mit einem Fahrzeug, dass ihn 2000 Euro mehr kostet, aber 5000 Euro Sprit spart, das bessere Schnäppchen gemacht."
    Mehr Druck auf die Autoindustrie ausüben
    Um Druck auf die Autoindustrie auszuüben, realistische CO2 und damit Spritwerte anzugeben, startet die Deutsche Umwelthilfe ein dreijähriges europaweites Programm, das von der Europäischen Kommission mitfinanziert wird:
    "Wir werden nun im Rahmen dieser Kampagne Verbraucher darüber informieren, wie hoch ihre Abweichungen sind. Wir werden auch entsprechende Werte aus dem Spritmonitor auswerten und insbesondere dann, wenn uns Hersteller mitteilen, dass sie geringere Abweichungen haben, diese auch positiv vermerken, so dass wir Anreize auch schaffen, diese ehrlichen Verbräuche zu schaffen."
    Strafen bei Abweichungen um mehr als 10 Prozent geplant
    Ziel ist es, dass die Bundesregierung systematisch Autos von der Straße auf den Prüfstand setzt, Angaben nachmisst, Ergebnisse veröffentlicht und Hersteller bestraft werden, wenn die Nachmessungen die Herstellerangaben um mehr als 10 Prozent übersteigen.