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Tödliche Allianz

Medizin. - In Deutschland ist die Tuberkulose eine seltene Krankheit, doch weltweit gesehen trägt etwa jeder dritte Mensch das Bakterium in sich. Etwa jeder Zehnte, der sich mit Tuberkulose ansteckt, wird auch krank - wenn das Immunsystem nicht ohnehin geschwächt ist. Die Tuberkulose ist deshalb eine besondere Bedrohung für Menschen mit Aids, insbesondere in Afrika, wo beide Krankheiten weit verbreitet sind. Auf der Welt-Aids-Konferenz in Toronto diskutieren Mediziner über die besten Strategien, dieser tödlichen Allianz zu begegnen.

Von Martin Winkelheide | 16.08.2006
    Immer mehr Menschen im südlichen Afrika erkranken an Tuberkulose. Ein Trend, den Kevin de Cock von der Weltgesundheitsorganisation mit Sorge sieht:

    " Der wichtigste Grund dafür, dass die Tuberkulose so bedrohliche Ausmaße annimmt, ist die Aids-Epidemie. Menschen mit HIV stecken sich besonders leicht mit Tuberkulose an, weil ihr Immunsystem geschwächt ist. In einigen besonders stark betroffenen Regionen in Afrika sind bis 80 Prozent der Tb-Patienten gleichzeitig auch mit HIV infiziert. "

    Eine plötzlich auftretende Tuberkulose ist oft der erste Hinweis auf die HIV-Infektion - allerdings ein bedrohlicher. Wird die Tuberkulose nicht sofort mit Antibiotika behandelt, haben diese Menschen meist nur noch wenige Wochen oder Monate zu leben. Studien, so Kevin de Cock, haben gezeigt, dass es möglich ist, HIV-Infizierte effektiv vor einer Tuberkulose zu schützen.

    " Es gibt eine vorbeugende Behandlung mit einem Antibiotikum. Sie können HIV-Infizierte so davor schützen, dass sie eine offene Tuberkulose entwickeln. Die vorbeugende Behandlung funktioniert sehr gut. Aber sie wird - aus vielen Gründen - kaum genutzt in Afrika. "

    Ein Problem: Nur etwa jeder fünfte HIV-Infizierte hat einen Aids-Test gemacht und weiß von seiner Infektion. Bernhard Schwartländer vom Globalen Fonds zur Bekämpfung von Tuberkulose, Malaria und Aids:

    " Und ich denke, dass die Weiterentwicklung von einfachen und zuverlässigen Diagnostika sowohl für Aids, aber noch viel mehr für Tuberkulose sicherlich eine der ganz großen Herausforderungen sind, um in den ärmsten Ländern hier eine sehr viel schnellere und sehr viel zuverlässigere Diagnose durchführen zu können. "

    Röntgen-Geräte, wie sie bei uns genutzt werden, um eine Tuberkulose sicher zu diagnostizieren, sind für Entwicklungsländer zu teuer. Den Husten-Auswurf von Patienten unter dem Mikroskop nach den Bakterien abzusuchen, liefert häufig kein eindeutiges Ergebnis.

    Ein weiteres Problem: In vielen afrikanischen Ländern gibt es Kliniken und Gesundheitsstationen, die auf die Erkennung und Behandlung der Tuberkulose spezialisiert sind - nicht aber auf HIV.

    " Das hat sehr gut funktioniert in vielen Ländern, solange es eben HIV nicht gab. Das waren eben relativ gut funktionierende Systeme. Aber jetzt durch die dramatische Änderung auch der Ausbreitung der Tuberkulose durch HIV sind das Ansätze, die nicht hilfreich sind. "

    " Es ist unannehmbar, dass Patienten wegen einer Tuberkulose in ein Krankenhaus gehen, und dort wird ihre Tuberkulose diagnostiziert - ihre HIV-Infektion aber nicht. "

    Tuberkulose und Aids dürfen nicht mehr länger als zwei voneinander getrennte Gesundheitsprobleme angesehen werden, fordert Kevin de Cock. Denn die Tuberkulose ist im südlichen Afrika inzwischen die häufigste Todesursache von Menschen mit HIV.

    Aber Krankenhäuser und Gesundheitsdienste stellen sich erst langsam der neuen Herausforderung, berichtet Bernhard Schwartländer vom Global Fund:

    " Es gibt ehemalige Tuberkulosezentren, die jetzt ausgeweitet werden, auch Services anzubieten für HIV/Aids und umgekehrt. Dass man typische HIV/Aids-Kliniken weiter ausstattet, dass die eine ganz einwandfreie Diagnostik zur Tuberkulose machen können, auch eine entsprechende Behandlung machen können und dass wir diese beiden Systeme vernetzen, das kommt langsam ins Rollen. "