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Tolle Idee! Was wurde daraus?
Kunstherz ohne Puls

Seit der ersten erfolgreichen Herztransplantation forschen Chirurgen am nächsten Fortschritt: ein menschliches Herz komplett durch ein künstliches zu ersetzen. 2011 wurde erstmals einem Patienten ein Kunstherz eingesetzt, das nach einem pulslosen Herzpumpen-Prinzip funktioniert. Das System hat sich bewährt.

Von Michael Stang | 22.05.2018
    Das Kunstherz "Heartmate III" an einem Herzmodell
    Das Kunstherz "Heartmate III" ist der verbesserte Nachfolger des ersten pulslosen Kunstherzen (dpa / Julian Stratenschulte)
    2011 verschlechterte sich der Zustand eines 55 Jahre alten Patienten am Texas Heart Institute. Die Ärzte gaben ihm noch einen Tag. Er hatte also nichts zu verlieren. Die Transplantation der neuen Herzpumpe war seine Chance.
    "Fünfeinhalb Wochen lebte der Patient mit den Doppelpumpen. Er erholte sich zunächst, doch die Vorschädigungen an anderen Organen waren zu groß. Schließlich entschied er selbst, die Beatmungs- und Dialysemaschinen, an die er angeschlossen war, abzuschalten."
    Herzpumpe Heartmate II großer Erfolg
    Der Patient verstarb, aber das Kunstherz hatte den Härtetest bestanden: Heartmate II, ein System aus zwei Pumpen, je eine für jede Herzhälfte. Bud Frazier hatte sie zusammen mit Billy Cohn entworfen. Wie bei einer Schiffsschraube beschleunigt das Gerät das Blut im Körper der Patienten gleichmäßig von vorne nach hinten. Daher gibt es keinen Pulsschlag. Heartmate II wurde ein großer Erfolg, sagt Oberarzt Diyar Saeed, der das Kunstherzprogramm am Uniklinikum Düsseldorf leitet.
    "Heartmate II ist eigentlich das meist implantierte Herzunterstützungssystem weltweit mit über jetzt mittlerweile wahrscheinlich 25.000 Pumpen."
    Die Pumpen waren den bisherigen sperrigen Kunst-Pumpsystemen überlegen, vor allem hinsichtlich der Lebensqualität der Patienten. Billy Cohn arbeitet noch immer am Texas Heart Institute. Die schriftliche Anfrage beantwortete er zunächst positiv mit den Worten: "Das Projekt entwickelt sich prächtig". Doch dann wurde das bereits angesetzte Interview von der Verwaltung abgesagt. Begründung: Interessenkonflikte. Für Billy Cohn gebe es derzeit keine Möglichkeit, mit Medien zu sprechen. Zusammen mit Daniel Timms leitet der Herzspezialist eine Firma namens Bivacor. Hier werden Therapien für Kunstherzen entwickelt. Doch auch Timms will nicht über Heartmate II sprechen. Die Konkurrenz im Marktsegment rückt näher und es geht um viel Geld. Die Kosten pro Pumpe und Einsatz belaufen sich auf über 70.000 US-Dollar.
    Nachfolger Heartmate III: kleiner und besser verträglich
    Mittlerweile gibt es bei Heartmate auch einen Nachfolger: Heartmate III wurde erstmals 2014 an der Medizinischen Hochschule Hannover implantiert.
    "Heartmate III ist sozusagen die neueste Pumpe, die es aktuell auf dem Markt gibt. Mittlerweile laufen knapp 8.000 Patienten mit der Pumpe weltweit damit herum. Das ist vom Prinzip jetzt auch eine nicht-pulsatile Pumpe, sprich: Wenn Sie versuchen, den Puls der Patienten zu tasten, werden sie das nicht hinbekommen."

    In den USA erfolgte die Zulassung für Heartmate III durch die zuständige Behörde FDA erst 2017. Diese Pumpe hat einen Durchmesser von rund fünf Zentimetern und ist nur drei Zentimeter hoch.
    "Für Heartmate II muss man immer vorher die sogenannten Pumpentasche machen, damit die Pumpe drin implantiert werden kann, weil die Pumpe so groß ist, dass sie nicht in den Thoraxraum passt. Für Heartmate III ist das nicht mehr notwendig und das macht es auch für die Chirurgen einfacher."
    Das neue System lässt sich leichter implantieren, und für die Patienten ist es auch besser verträglich.
    "Aber das wichtigste ist eigentlich nicht nur die minimalinvasive Operation selber, sondern auch die gesamten Nebenwirkungen der Pumpen: Schlaganfall und sogenannte Pumpenthrombose ist mit Heartmate III deutlich geringer als mit Heartmate II."
    Pumpe passt sich Belastungen nicht an
    Die Drehzahl der Pumpe wird ständig erhöht und wieder gedrosselt. Damit soll die Bildung von Blutgerinnsel verhindert werden. Einen Puls haben Patienten aber auch mit Heartmate III nicht.
    "Für den Alltag der Patienten spielt es überhaupt keine Rolle, dass der Patient keinen Puls hat und die Lebensqualität der Patienten ist deutlich besser als vor der Operation."
    Besser ja, aber längst nicht optimal. Ein Nachteil von Heartmate III liegt weiter darin, dass die Leistung nicht an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Patienten angepasst werden kann. Das System pumpt immer mit der gleichen Anzahl an Umdrehungen und zwar unabhängig davon, ob sich der Patient ausruht oder körperlich betätigt.