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Training für Stubenhocker

Ergonomie. - Deutschland ist eine alternde Gesellschaft. Doch das Altersheim ist nur für die wenigsten das Ziel. Damit man auch in den eigenen vier Wänden alt werden kann, müssen Wohnung und Möbel eingespannt werden. Münchener Forscher tüfteln an Sitzmöbeln, die die Vitalfunktionen überwachen und auch als Trainingsgeräte eingesetzt werden können.

Von Martina Preiner | 21.07.2011
    "Eine meiner Großeltern war im Altenwohnheim, und ich bin ganz fest der Überzeugung, dass wir technische Systeme brauchen, die es unterstützen, die Menschen in der Zu-Hause-Umgebung zu behalten."

    Und an einem solchen technischen System arbeitet der Ingenieur Thomas Linner von der TU München gerade gemeinsam mit den Sportwissenschaftlern der Universität. Es ist ein Sessel, der die Vitalfunktionen der sitzenden Person aufzeichnet – unter anderem EKG, Blutsauerstoff und Atemrhythmus. Liegen die Arme auf den Lehnen, können darin integrierte Sensoren die gewünschten Informationen abgreifen. Die Daten werden dann elektronisch an den behandelnden Arzt oder an Pflegepersonal weitergeleitet. Und das, während der Patient in seinem Wohnzimmer ganz entspannt fernsieht oder ein Nickerchen macht.

    "Und dieses Gesundheitsmonitoring gibt natürlich den Menschen die Sicherheit zu Hause bleiben zu können und im Notfall die entsprechende Anbindung an die Angehörigen, an die Ärzte und so weiter eben zu Hause zu bekommen."

    Die Sitzgelegenheit soll neben dem Gesundheitszustand ihres Benutzers auch dessen Aktivität überwachen. Wenn es gemütlich ist, erliegt man schnell der Versuchung, stundenlang regungslos herumzusitzen. Doch die Sportwissenschaftler um Thorsten Schulz wollen neben Sensoren auch Fitnesselemente in den Sessel bauen.

    "Und ein Gängiges wäre zum Beispiel eine Form des Ruderns. Und da wollten wir mal gucken, ob wir da nicht so eine Lehnenkonstruktion umbauen kann, dass man die auf einmal als Ruderelement mit nutzen kann."

    Bisher allerdings, ist ein Sessel mit geschickt eingearbeiteten Rudergriffen nur eine Skizze auf dem Reißbrett. Schulz:

    "Es wird jetzt kein High-End intensivstes Trainingsgerät sein, wie man sich das in einem Fitnessstudio vorstellt. Sondern das wird ein Gerät sein – es soll ja sogar ein Stilmöbel am Ende darstellen – das Bewegung sehr gut möglich macht, das zur Bewegung anregt, das Bewegungen überprüft und vor allem auch Vitalität."

    Die Vitalität anregen können bekannterweise auch interaktive Videospiele: virtuelles Tennisspielen, Bowlen oder Boxen. Dieses Prinzip wollen die TU-Forscher in Kombination mit ihrem Fitnesssessel nutzen. Leichtes Training im Sitzen, das letzten Endes nicht nur älteren Leuten Spaß machen soll.

    "Mir wäre es natürlich lieb, wenn das irgendwann ein universell einsetzbarer Sessel ist, wo sich jeder gerne reinsitzt, um sich körperlich aktivieren zu lassen, vor allem die Personen, die schon körperlich inaktiv sind. Und das ist uns die Altersgruppe, mir persönlich, erst einmal egal."

    An dem Prototypen arbeiten die Münchner Wissenschaftler gerade zusammen mit einem Möbeldesigner. Dann ist eine längere Testphase geplant, in der die Alltagstauglichkeit des Möbelstücks auf die Probe gestellt wird. Probe sitzen, Probe messen, Probe bewegen. In spätestens zweieinhalb Jahren entscheidet sich dann, ob die bayerische Erfindung in Serie geht.