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Tumorbehandlung
Krankheitsprognosen für Krebspatienten

Wer eine Krebsdiagnose erhält, will wissen, wie es weitergeht. Welche Therapie ist die Beste und wie gut sind die Chancen auf Heilung? Doch Prognosen sind schwierig. Um das zu ändern, haben Ärzte aus Stanford Tumore genau analysiert.

Von Magdalena Schmude | 21.07.2015
    Für den Onkologen Ash Alizadeh gehören Gespräche mit Krebspatienten zum Alltag, in denen er erklären muss, wie ihre Behandlungsmöglichkeiten und Überlebenschancen sind. Doch oft sind solche Vorhersagen ähnlich zuverlässig wie der Blick in eine Kristallkugel, sagt Ash Alizadeh.
    "Wie sieht ein Patient aus, wenn er in die Klinik kommt? Wie viel Zeit verbringt er täglich im Bett? Wie hoch ist die Zahl bestimmter Zellen im Blut und ähnliche Parameter. Letztlich sind das aber alles nur Dinge, die der Krebs mit dem Patienten macht. Wir wollten stattdessen auf den Krebs selbst gucken und uns anschauen, welche Gene aktiviert oder unterdrückt sind und in welchem Verhältnis. Das sagt uns dann etwas über den Tumor und sein Verhalten."
    Zwar gab es schon Studien, die die Aktivitätsmuster bestimmter Gene und den Krankheitsverlauf der jeweiligen Patienten erfassen, doch die waren entweder auf einen einzelnen Krebstyp ausgerichtet oder enthielten nur wenige Datensätze und ermöglichten keinen Vergleich zwischen verschiedenen Tumortypen.
    Für ihre Studie werteten Ash Alizadeh und seine Kollegen deshalb 30.000 Messwerte von 18.000 Patienten mit 39 verschiedenen Krebserkrankungen aus. Dann trugen sie die Daten in einer Matrix auf, die die Gene nach ihrer Bedeutung für die Gesundheit eines Patienten sortiert. Je öfter die Aktivität eines Gens in einem Tumor verändert war, desto stärker wurde es gewichtet. Dabei spielte es zunächst keine Rolle, ob ein Gen im Tumor aktiviert oder unterdrückt war. In der grafischen Darstellung ließen sich so die wichtigsten Gene für die Tumorentwicklung erkennen. Veränderte Gene, die besonders oft mit einem günstigen Krankheitsverlauf verbunden sind, erscheinen grün, ihre Gegenspieler rot.
    "Alle Daten zusammen ergaben ein Gitter mit gut sechshundert Millionen Messungen. Darin enthalten sind alle Gene aller Patienten und ob sie zu einem guten oder schlechten Krankheitsverlauf beitragen. Und als ich dieses Gitter zum ersten Mal gesehen habe, fing mein Herz an zu rasen, weil man klare Gemeinsamkeiten zwischen den Krebsarten erkennen konnte. Das war wirklich großartig zu sehen."
    Die genauere Auswertung machte es dann möglich, einzelne Gene als Indikatoren für den Krankheitsverlauf festzulegen. Auf Grundlage der Aktivitätsmuster der Gene im Tumor könnten in Zukunft zuverlässigere Prognosen erstellt werden, glaubt Ash Alizadeh.
    Zu ihrer Überraschung stießen die Wissenschaftler aber auf einen weiteren Akteur, der eine wichtige Rolle für den Krankheitsverlauf spielt:
    "Wir haben Muster gefunden, die mit dem Immunsystem zu tun haben. Sie unterscheiden sich von Tumor zu Tumor und sind ziemlich bemerkenswert. Deshalb haben wir genauer hingesehen, welche Immunzellen in welchem Tumor vorkommen. Bei Patienten mit Lungenkrebs und Brustkrebs haben wir zwei Typen von Immunzellen ausgesucht und gezählt. Obwohl man diese Zellen eigentlich nicht mit den Überlebenschancen in Verbindung bringen würde, konnten wir die Patienten allein auf Basis dieser Zahlen in zwei Gruppen einteilen. Eine mit guten Chancen und eine mit weniger guten."
    Ash Alizadeh und seine Kollegen vermuten, dass die unterschiedliche Anzahl der verschiedenen Zellen auch für den Erfolg oder Misserfolg immunbasierter Therapien ausschlaggebend sein könnte, bei denen man versucht, das Immunsystem gezielt auf die Krebszellen anzusetzen. Die Wissenschaftler erhoffen sich jetzt anhand der Immun-Profile Hinweise darauf, bei welchem Patienten eine solche Therapie sinnvoll sein könnte.
    "Letztlich wollen wir nicht nur Vorhersagen machen, sondern auch etwas tun können. Wenn die Prognose schlecht ist, müssen wir wissen, wie wir einen Patienten anders behandeln können. Das ist einfacher gesagt als getan, aber es gibt Beispiele, wo das funktioniert. In diese Richtung arbeiten wir gerade, sodass wir zum Beispiel ableiten können, welchem Patienten eine Immuntherapie helfen wird."
    Sowohl die Immunprofile als auch die Gen-Aktivitätsmuster haben die Forscher außerdem in einer Datenbank für andere Wissenschaftler zugänglich gemacht. Das soll helfen, die Forschung auf dem Weg zu wirksameren Therapien schneller voranzubringen.