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Reporter über Schach-WM
"Die Gewissheiten stimmten nicht"

Es ist die längste Remis-Serie in der Geschichte der Schach-WM - elf mal unentschieden. Titelverteidiger Carlsen und Herausforderer Caruana haben noch eine reguläre Partie und möglicherweise Partien mit größerem Zeitdruck vor sich. Zunächst sieht Schach-Experte Ulrich Stock Caruana im Vorteil.

Ulrich Stock im Gespräch mit Astrid Rawohl | 25.11.2018
    Der amtierende Schachweltmeister Magnus Carlsen (l.) und Herausforderer Fabiano Caruana bei der Schachweltmeisterschaft in London
    Der amtierende Schachweltmeister Magnus Carlsen (l.) und Herausforderer Fabiano Caruana (FIDE / dpa-Bildfunk)
    Magnus Carlsen gegen Fabiano Caruana - das Duell der beiden Gegner im Kampf um die Schach-Weltmeisterschaft in London geht in die entscheidende Phase: Nach elf Remisen steht es vor dem zwölften Spiel unentschieden - 5,5:5,5 also.
    Wenn sich keiner einen entscheidenden Vorteil verschaffen kann, geht es Mittwoch in den Tie-break. Dabei werden erst vier Partien Schnellschach gespielt, einen Punkt bekommt der Sieger, bei einem Remis gibt´s für beide einen halben Punkt. Ist dann immer noch nichts entschieden wird Blitzschach gespielt. Viele sagen, Titelverteidiger Carlsen, der der bessere Schnellschachspieler sei, wolle in den Tiebreak.
    Ulrich Stock ist Schachexperte und beobachtet die WM für die Wochenzeitung "Die Zeit". Für ihn ist Caruana in der 12. Partie (mit weiß) der Favorit: "Carlsen spielt möglicherweise unter seinen Möglichkeiten und Caruana ist in der Form seines Lebens."
    "Der Kampf ist offen"
    Auch die teils ungewöhnlichen Positionen auf dem Brett habe Caruana besser vorbereitet, findet Stock: "Der Ansatz kam von Caruana. Also ich würde sagen, Carlsen hat keine richtig gute Eröffnungsvorbereitung, zumindest sieht man nichts davon."
    "Denkbar ist auch, dass auch die zwölfte Partie unentscheiden endet und man dann ins Stechen hinein kommt. Da heißt es allgemein, Carlsen sei besser im Schnellschach und im Blitzschach," erklärt Stock. "Aber da die Gewissheiten ja auch im langsamen Schach nicht so stimmten, ist auch nicht gesagt, dass es da stimmt. Also: der Kampf ist offen. Und momentan haben wir sozusagen zwei Weltmeister."
    Stock empfindet die Kritik beider Spieler an eigenen Zügen als unberechtigt: "Wer Schach spielt, macht Fehler. … Während auf dem Brett die Hölle los war und keiner so richtig wusste: ‚Wie geht das hier eigentlich jetzt aus?‘, hat der Supercomputer 15 Züge lang angezeigt 0.00 – das heißt absoluter Ausgleich. Und da war jetzt also kein großer Fehler zu erkennen."
    Dass die Serie an Remisen kein Anhaltspunkt für schlechte Spiele sei, begründet Stock vor allem mit der sehr guten zehnten Partie: "Viele meinen, dass es in diesem WM-Format eine der besten Partien ist, der vergangenen Jahre. Ich würde sagen, das Niveau ist gut."
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