Montag, 06. Mai 2024

Archiv


Ungeklärte Grenzfragen und ethnische Auseinandersetzungen

Im Sudan ist zwei Monate nach der Teilung des Landes keine Ruhe eingekehrt. Mit der Teilung des Sudan konnten nicht alle Konflikte gelöst werden. Ungeklärte Grenzfragen und ethnische Konflikte machen die Region zu einem Pulverfass. Südkordofan ist ein besonders umkämpfter Kriegsschauplatz.

Von Jutta Schwengsbier | 10.09.2011
    In Südkordofan ragen Berge wie Inseln aus weiten Ebenen hinaus. Die Provinz gilt als eine der fruchtbarsten Regionen im Sudan. Seit Jahrhunderten lebten hier arabische Nomaden mit ihren Kamelherden friedlich nebeneinander mit den schwarzafrikanischen Völkern der Nuba, die überwiegend vom Ackerbau leben. Als nach der Unabhängigkeit von britischer Kolonialherrschaft zwischen Nord- und Südsudan Krieg ausbrach, gerieten die Nuba-Berge als Grenzgebiet zwischen die Fronten und wurden eines der Hauptkriegsgebiete. Die schwarzafrikanischen Nuba kämpften auf der Seite der Sudanesichen Volksbefreiungsbewegung mit dem Südsudan. Die arabischen Milizen der Region kämpften mit dem Norden. Im Friedensvertrag zwischen Nord- und Südsudan wurde den Grenzgebieten deshalb ein Sonderstatus eingeräumt. Die Bevölkerung in Südkordofan sollte bei öffentlichen Beratungen selbst über die politische Verfassung ihrer Region mitentscheiden dürfen. Bis heute wurden die im Friedensvertrag garantierten Mitbestimmungsrechte der Bevölkerung aber nicht umgesetzt. Auch die Kampftruppen den Nuba konnten nicht entwaffnet werden, erläutert Sulafeldeen Salih Mohammed. Der General ist für die Demilitarisierung, Demobilisierung und Restrukturierung der Truppen im Nordsudan zuständig.

    "Die Vereinbarungen des Friedensabkommens wurden in Südkordofan nicht wirklich umgesetzt. Es gab zum Beispiel keine 'Gemeinsamen Integrierten Truppen' der beiden Konfliktparteien wie vorgesehen. Die Volksbefreiungsarmee beanspruchte die Oberhoheit in einigen Gebieten und ließ dort keine Regierungstruppen zu. Dazu kam dann noch, dass die Volksbefreiungsbewegung sagte, die Wahlergebnisse in Südkordofan gefälscht worden. Die Spannungen nach den Wahlen waren also sehr groß in der Provinz und der Konflikt zwischen verschiedenen Gruppen begann wieder zu eskalieren."

    Als die Regierungstruppen Anfang Juni versuchten, die Nuba-Kämpfer in Südkordofan mit Gewalt zu entwaffnen, brach erneut Krieg aus. Menschenrechtsbeobachter und Kirchenvertreter berichteten übereinstimmend, wie Regierungstruppen mit Namenslisten verschiedene Orte in Südkordofan durchkämmten, gezielt Anhänger der Volksbefreiungsbewegung hinrichteten und in Massengräbern verscharrten. Einige Nuba-Dörfer wurden mit Splitterbomben aus hoch fliegenden Antonov-Flugzeugen angegriffen. Zehntausende sollen inzwischen auf der Flucht sein. General Sulafeldeen Salih Mohammed sieht sich dennoch im Recht und beruft sich auf den Friedensvertrag.

    "Wir versuchten die Demobilisierung entsprechend des Friedensvertrages umzusetzen. Von der Armee und den Milizen konnten wir Waffen einsammeln und die Truppenstärke reduzieren. Gleichzeitig wussten wir aber, dass die Sudanesische Volksbefreiungsbewegung ihre Waffen nicht abgab. Sie sammelten zwar Waffen ein, lagerten diese aber irgendwo, um sie später wieder benutzen zu können. Das war keine faire Umsetzung des Demobilisierungsabkommens. Entsprechend der Vereinbarungen müssen alle Truppen der Volksbefreiungsbewegung in den Südsudan gehen. Sie haben sich geweigert und wollten nicht gehen. Gleichzeitig wollten Sie ihre Waffen behalten, bis ihre politischen Ziele erreicht sind."

    Wie die Südsudanesen fordern auch die Nuba und andere Völker im Nordsudan als gleichberechtigte Bürger anerkannt zu werden. Die islamisch-fundamentalistische Regierung in Khartoum ist aber bislang nicht bereit, weitere Zugeständnisse zu machen, sagt Julie Flint. Die Journalistin gilt als eine der größten Sudanexpertinnen.

    "Bashir hat ganz klar gesagt, es gibt keinen Spielraum im Staat für ethnische oder kulturelle Vielfalt. In der Wahlkampagne in Südkordofan sagte er, wenn wir nicht gewinnen, dann werden wir statt Wahlurnen Gewehrkugeln einsetzen. Wir werden von Berg zu Berg gehen, von Haus zu Haus, und sie vertreiben. Die Rhetorik war unglaublich."

    Julie Flint hatte Mitte der 1990er-Jahre aufgedeckt, wie die nordsudanesiche Regierung die Nuba durch ethnischen Säuberungen aus Süd-Kordofan zu vertreiben versuchte. Bis vor wenigen Tagen war die Menschenrechtlerin nun erneut in den Nuba-Bergen unterwegs. Beweise für einen erneuten Völkermord hat die Journalistin nicht gefunden. Es gab zwar Massenexekutionen durch Regierungstruppen. Derzeit ist aber die Volksbefreiungsbewegung in Südkordofan militärisch überlegen.

    "Die Nuba haben den Regierungstruppen des Nordsudan große Verluste zugefügt und hoffen gewinnen zu können. In der Provinz Blauer Nil scheint aber das Gegenteil der Fall zu sein. Deshalb besteht die Chance, durch Verhandlungen etwas zu erreichen. Ich glaube nicht, dass der Nordsudan wieder Krieg anfangen will. Die Regierung weiß ganz genau, wie schwierig die Situation an der Grenze ist. Aber wir brauchen internationalen Druck, damit ein ernsthafter Friedensprozess in Gang kommt. Ohne politische Lösung wird die Zukunft sehr düster."