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Ungeklärte Hinterlassenschaften

Umwelt. - Aus den Abwasserrohren der Städte ergießt sich ein zum Teil schwer erträglicher chemischer Cocktail in unsere Gewässer. Auf der in Regensburg, dem größten Analytiker-Treffen im deutschsprachigen Raum, ging es darum, wie man die Substanzen im Abwasser nachweist.

18.03.2005
    Hormone aus Antibabypillen, Antibiotika, die der Körper wieder ausscheidet oder die die Toilette heruntergespült wurden, zählen zu den typischen Abwässern, die die Haushalte in den Industriestaaten hinterlassen. An den Antibiotika können die Analytiker sogar Landeseigenheiten erkennen. So hat Walter Giger, Professor an der Schweizer Forschungsanstalt für Gewässerkunde in Dübendorf, im Abwasser des internationalen Flughafens Zürich-Kloten ein anderes Antibiotika-Spektrum gefunden, als es für die Schweiz typisch ist. Der Chemiker hat sich dabei die Klasse der Makrolide vorgenommen. "Die werden je nach Land unterschiedlich eingesetzt und das Muster in der Schweiz unterscheidet sich klar von dem in Deutschland oder in anderen Ländern. Wenn gerade im Winter solche Antibiotika verwendet werden, dann sieht man am Abwasser des Flughafens, daß Leute aus anderen Ländern ankommen."

    Was sich kurios anhört, hat einen ernsthaften Hintergrund, denn Antibiotika sind Problemstoffe im Abwasser. Wo ungewohntes eingeleitet wird, etwa an internationalen Flughäfen, oder wo sie gehäuft vorkommen, etwa in Krankenhäusern, können sie den Abwasserexperten Kopfschmerzen bereiten. Denn sie stellen für die Ökosysteme der Flüsse, in die sich das geklärte Abwasser ergießt ein Problem dar - außerdem könnte die Antibiotika-Brühe die Resistenzbildung unter Bakterien fördern. In der Schweiz wird daher diskutiert, ob nicht zumindest Krankenhäuser ihre Abwässer vorklären sollten. Noch scheuen die Verantwortlichen allerdings die Kosten einer solchen Maßnahme, denn noch sind die Antibiotika-Konzentrationen im Abwasser sind nicht so hoch, dass eine Ausbreitung von Resistenzen zu befürchten ist.

    Eine andere Stoffgruppe bereitet den Analytikern ebenfalls Probleme. Es sind die Röntgenkontrastmittel. Weil sie sich schnell im Körper verteilen sollen, sind sie sehr gut wasserlöslich, gleichzeitig aber auch schwer abbaubar, damit der Körper sie spurlos wieder ausscheiden kann. Auch von Filtern lassen sich die Kontrastmittel nur schwer zurückhalten, so daß vergleichsweise gut in die Umwelt gelangen. Giger: "Man findet dies Substanzen im Grundwasser, das aus Flüssen gespeist wird, in die Abwässer gelangen." Die Kontrastmittel sind zwar für den Menschen nicht giftig, trotzdem wollen die Experten sie nicht im Trinkwasser finden und müssen sie daher mühsam herausholen. Mühsam sind auch Korrosionsschutzmittel, wie sie auf Flughäfen für die Enteisung zugesetzt werden. Allerdings werden auch in Haushalten Korrosionsschutzstoffe verwendet, etwa in Spülmitteln, damit das Silber länger blank bleibt. Rund 200 Kilogramm dieser Stoffe fördert der Rhein pro Woche in die Nordsee. Giger: "Wir haben noch kein Abwasser gesehen, in dem die nicht drin sind. Da sollte man sich schon überlegen, ob ein Silberschutz wirklich notwendig ist oder ob man den weglassen könnte." Gerade mit solchen Zusätzen haben die Analytiker ihre liebe Not, denn die müssen nicht detailliert deklariert werden. Giger: "Die Hauptwirksubstanzen, Pestizide oder Waschmittel-Tenside, sind geregelt, aber was man zusätzlich in die Produkte hineingibt, dazu gibt es keine gesetzlichen Vorgaben." Eine solche Volldeklaration würde den Chemikern das Leben sehr erleichtern, doch die Erfahrung aus der Lebensmittelindustrie zeigt, daß solche Listen bei Herstellern nicht besonders populär sind.

    [Quelle: Hellmuth Nordwig]