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Untersuchung des Rafah-Angriffs?
Israels Regierung will keine Debatte

Mehr als 100 Palästinenser starben vor fast fünf Monaten bei Angriffen der israelischen Armee bei Rafah, die meisten waren Zivilisten. Strafrechtlich verfolgt wird die Militäraktion wohl dennoch nicht. Eine Untersuchung könnte Versagen beweisen – aber nicht nur der Soldaten.

Von Torsten Teichmann | 10.01.2015
    Menschen betrachten in Rafah die Trümmer ihrer Häuser.
    Mehr als 100 Palästinenser, zumeist Zivilisten kamen ums Leben. (dpa / Mohammed Saber)
    Es geht um die Aufarbeitung des Gaza-Krieges: Beim israelischen Militär sprechen sie vom "Schwarzen Freitag". Gemeint ist der 1. August des vergangenen Jahres. Bei Rafah, im Süden des Gazastreifens, griffen Hamas-Kämpfer israelische Soldaten an. Die Soldaten sollten Tunnel finden und zerstören. Ein Soldat, Hadar Goldin, wurde von Palästinensern offenbar getötet und verschleppt. In der Folge bombardierte die israelische Armee palästinensisches Gebiet. Mehr als 100 Palästinenser, zumeist Zivilisten kamen ums Leben. Wer gab den Befehl? Verteidigungsminister Yaalon schließt jetzt eine strafrechtliche Untersuchung dieser Operation aus:
    "Der Einsatz der Givati-Einheit in Rafah wird nicht von der Militärstrafverfolgungsbehörde der israelischen Armee untersucht. Ich hoffe, dass auch niemand entscheiden wird, diesen Vorfall untersuchen zu lassen. Es handelt sich um einen Einsatz in dem unterschiedliche Entscheidungen fielen – so etwas wird nicht strafrechtlich untersucht."
    Ein halbes Jahr ist seit Beginn des Gaza-Krieges vergangen. Am 26. August 2014 endeten die Kämpfe mit einer unbefristeten Feuerpause. Hat die Israel Armee richtig gehandelt, waren die Einsätze verhältnismäßig, gab es Kriegsverbrechen – diese Debatte würden Politiker gern abkürzen.
    Eine strafrechtliche Aufklärung habe grundsätzlich das Ziel, jemanden zur Verantwortung zu ziehen, so Verteidigungsminister Yaalon. Darum geht es offenbar nicht. Stattdessen müsse die militärische Führung untersuchen, was beim nächsten Mal besser laufen könnte.
    Militärs verteidigen Vorgehen - und greifen Regierung an
    Neta Patrick von der israelischen Menschenrechtsorganisation Yesh Din, kritisiert den Minister. Yaalon habe sich in ein laufendes Verfahren eingemischt: "Die Äußerung des Verteidigungsministers ist sehr ernst zu nehmen. Wie kann man von den Ermittlern, die ja selbst Soldaten sind, jetzt noch erwarten, Vorfälle wie diese ordentlich zu untersuchen, nachdem sich der Verteidigungsminister, der ihr Befehlshaber ist, so ausdrückt."
    Die Entscheidung, wie es weitergeht, muss der militärische Chefankläger, Dan Efroni treffen. In 13 Fällen gibt es bereits strafrechtliche Ermittlungen im israelischen Militär. Seit Wochen fordern Soldaten aber die Einstellung der Verfahren.
    Vor Kurzem hatte das Israelische Institut für Nationale Sicherheitsstudien gemeinsam mit dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes zu einer Konferenz geladen: Kriegsführung in dicht besiedelten Gebieten – so der Titel. Militärs wie der frühere Befehlshaber des südlichen Kommandos, Tal Russo verteidigten das Vorgehen der Soldaten
    "Es gibt Situation, in denen erst zwei Flugzeuge drüber fliegen und das Gebiet sozusagen reinigen, bevor eine Bombe fällt. Auch der Pilot kann den Angriff noch stoppen, wenn sich jemand nähert. Eine enorme Herausforderung. Für die Terrororganisationen sind 20 tote Kinder ein Erfolg. Für uns ein Versagen. Das ist das größte Dilemma."
    Gleichzeitig warf Russo der Politik in Israel vor, in Kriegen keine klaren Strategien zu entwickeln. In Israel bleibe die Aufgabe beim Militär hängen. Die Armeeführung mache Vorschläge für die Politik. Werden diese abgelehnt, beginne der Prozess für die Militärs aufs Neue.
    Vielleicht würden dem Militär sogar Ermittlung helfen. Ermittlungen die nicht nur militärisches Fehlverhalten aufdecken - sondern auch mögliches politisches Versagen als deren Ausgangspunkt.