Dienstag, 07. Mai 2024

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Verkehrswende
"Verkehr, wie er heute ist, nimmt uns ein Stück Lebensqualität"

Eine nachhaltig verstandene Verkehrswende müsse erst Alternativen zum Auto schaffen, bevor sie den Autoverkehr sanktioniere, sagte Thorsten Koska, Verkehrsforscher beim Wuppertal Institut, im Dlf. Es gehe vor allem um intelligente Vernetzung von Diensten und Verkehrsmitteln.

Thorsten Koska im Gespräch mit Felicitas Boeselager | 07.06.2018
    Der Verwaltungsbürgermeister der Stadt Stuttgart, Werner Wölfle (Bündnis 90/Die Grünen) fährt am 03.09.2015 auf dem Marienplatz in Stuttgart (Baden-Württemberg) mit einem Fahrrad, an dem ein Schwerlasthänger angebracht ist. Der Anhänger der amerikanischen Firma Firma Bikes at Work kann Lasten bis zu 150 Kg Tragen und muss mit einer Speziellen Kupplung am Fahrrad angebracht werden. Bei der verkehrspolitischen Sommerradtour des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Baden-Württemberg soll die Vielseitigkeit der Lastenräder demonstriert werden. Foto: Wolfram Kastl/dpa | Verwendung weltweit
    Auch mit einem Fahrradanhänger kann man ganz schön was wegschaffen, wie der Stuttgarter Kommunalpolitiker Stuttgart Werner Wölfle (Grüne) hier demonstriert (picture alliance / dpa / Wolfram Kastl)
    Der Verkehr trage heute anders als andere Sektoren so gut wie nichts zum Klimaschutz bei, sagte Koska. Fahrverbote könnten zwar die Autoindustrie unter echten Umrüstungsdruck setzen, sofern sie flächendeckend und in ausreichend vielen Städten verhängt würden, sagte Koska.
    Allerdings seien die eigentlichen Knackpunkte einer echten Verkehrswende andere. Bevor man über Restriktionen wie eine City-Maut nachdenke, "sollte man erst einmal die Möglichkeiten schaffen, sich anders als mit dem Auto fortzubewegen". Dazu gehöre der Ausbau von Radwegen, Radverleih- und Carsharing-Systeme sowie ein saubererer, pünktlicherer und besser getakteter öffentlicher Nahverkehr - auf dem Stadt wie auf dem Land.
    Auf die Verzahnung der Dienste komme es an
    Wichtig sei dabei, alle diese Elemente "so zu vernetzen, dass die Benutzung wirklich für jeden aus einer Hand, mit einem Ticket, mit einer App möglich ist". Dabei könnten auch neue Instrumente wie On-Demand-Ridesharing-Systeme helfen - bei denen man wie mit einem Taxi von Tür zu Tür gebracht werde, allerdings mit mehreren Fahrgästen zusammen.
    Erst dann sei der Punkt gekommen, "wenn man ein attraktives Angebot hat, gleichzeitig auch dafür zu sorgen, dass die Leute weniger aufs Auto umsteigen", sagte Koska.
    Vor allem der Bund in der Pflicht
    Der Verkehrsforscher sieht dabei zwar die Länder bei Regionalplanung und regionalen öffentlichen Verkehrsmitteln in der Pflicht, in erster Linie allerdings den Bund: "Die Steuerpolitik sorgt dafür, dass heute noch Diesel bevorrechtigt werden, dass insgesamt Autofahren relativ günstig ist und der öffentliche Verkehr relativ teuer ist."
    Hier könne der Bund als alleinger Eigentümer der Deutschen Bahn Verbesserungen und preisliche Anreize schaffen, "damit die Leute auch wirklich sagen: Ja, das funktioniert, ich kann auf die Bahn umsteigen statt mit dem Auto zu fahren."
    Der Druck der Straße
    Doch auch die Bürger müssten Druck machen, betonte Koska. Es sei wichtig, dass sie etwa mit Aktionen wie der Volksinitiative "Aufbruch Fahrrad" "der Politik und auch der Wirtschaft klarmachen, dass sie ein anderes Verkehrssystem wollen. Denn wir leben ja in einem Autoland, wo häufig die Annahme der Politik besteht, dass man den Bürgerinnen und Bürgern nicht zumuten kann, etwas andere Verkehrspolitik zu machen."