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Vier Jahre NATO und UN im Kosovo

Keine Freiheit, kein Recht auf Arbeit, kein Recht auf Leben überhaupt, es hat sich nichts geändert. – Wir trauen uns kaum vors Haus, damit uns die Albaner nicht angreifen. - Hier kannst du als Ausländer oder Albaner leben, als Serbe hast du keine Chance, gar keine.

Wolf Oschlies | 10.06.2003
    Serbische Stimmen aus der kosovarischen Hauptstadt Prishtina, zu Jahresbeginn eingefangen. Noch immer hat die serbische Minderheit im Kosovo Angst vor einer albanisch dominierten Gegenwart. Sie sind enttäuscht über die internationale Gemeinschaft, die seit vier Jahren mit der UN-Übergangsverwaltung (UNMIK) im Kosovo zivil und mit der NATO-geführten Kosovo-Force (KFOR) militärisch präsent ist. Und sie trauern der einstigen serbischen Vormacht im Kosovo nach, die vor vier Jahren durch die massive Militär-Aktion der NATO gegen Serbien gebrochen wurde.

    78 Tage dauerte der sog. Kosovo-Krieg, bis Anfang Juni vor vier Jahren zwei internationale Rechtsakte die weitere Zukunft Serbiens und des Kosovo regelten: Erstens: Das Militärisch-technische Abkommen von Kumanovo, mit dem die jugoslawische Armee aus dem Kosovo und der benachbarten Boden-Sicherheitszone im südserbischen Preševo-Tal verbannt wurde. Damit fiel der NATO die alleinige Sicherheitsverantwortung für die Region zu. Zweitens: Die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats, die bestimmte, dass das Kosovo integraler Bestandteil der Bundesrepublik Jugoslawien bleiben, jedoch mit einer substantiellen Autonomie und vernünftigen Selbstverwaltung versehen werden sollte. Was daraus wurde, hat der Anfang März ermordete serbische Premier Zoran Đinđić in seinem wohl letzten Interview kritisiert. Er rügte er, dass

    UNO-Resolution eigentlich gefälscht wird täglich, und ich wollte einfach darauf aufmerksam lenken, dass UNO-Resolution über Kosovo aus zwei Teilen besteht, ein Teil bezieht sich auf die Rechte der Serben und Serbiens und der andere auf die Rechte der Albaner, und nichts aus diesem ersten Teil, nicht mal ein Prozent, wurde in diesen vier Jahren verwirklicht.

    Das hatten die Väter der Resolution 1244 anders geplant. Bis zum Erreichen der Autonomie, so hatten sie in Artikel 9, Absatz c bestimmt, sollte eine internationale Übergangsverwaltung des Kosovo dort ein sicheres Umfeld schaffen, in dem Flüchtlinge und Vertriebene gefahrlos in ihre Heimstätten zurückkehren können.

    Auch vier Jahre danach können Angehörige kosovarischer Minderheiten dort weder sicher leben noch sich frei bewegen, konstatierte mit ernster Sorge Mitte März der zehnte gemeinsame Bericht von OSZE und UN-Flüchtlingswerk UNHCR. Dennoch behauptete Chris Patton, EU-Kommissar für Außenpolitik, im September 2002, dass das Kosovo eine fabelhafte Erfolgsgeschichte sei. Marek Nowitzki, Ombudsmann des Kosovo, hat genau gegenteilige Eindrücke:

    Wenn Sie sich Statistiken seit dem Juni 1999 bis heute anschauen, dann sehen Sie, wie viele Menschen getötet, wie viele Übergriffe, Zerstörungen von Häusern, Bombenanschläge es gegeben hat. Das geschah, während KFOR und internationale Gemeinschaft hier präsent waren. Und Serben und Roma waren die Hauptopfer solcher Angriffe.

    Wie konnte es so weit kommen, hatte doch die NATO-Mission im März 1999 die Voraussetzungen für die Realisierung eines Programms geschaffen, das die Sozialdemokratie der Kosovo-Albaner im Konsens mit anderen albanischen Parteien 1992 entwarfen? Ihre Sprecher, der Publizist Shkelzen Maliqi und der Philosoph Ramush Mavriqi stellten es damals in Deutschland vor. Ramush Mavriqi:

    Zu einer Friedenslösung kann es nur nach inneren Wandlungen Serbiens und unter internationaler Mitwirkung kommen. Dann wird Kosovo neutralisiert und demilitarisiert sein, meinetwegen auch unter Mandat oder Protektorat der Vereinten Nationen, und nach 10, 20 oder mehr Jahren sollen die Bürger in einem Plebiszit frei entscheiden, wie und mit wem sie leben wollen. Unsere Partei wie auch Rugovas Demokratische Liga sind bereit, diese Bedingungen zu akzeptieren.

    Das nach dem Sturz des Belgrader Diktators Slobodan Milošević gründlich veränderte Serbien würde dem Albaner-Programm von 1992 nur zu gern zustimmen. Belgrads Pech ist jedoch, dass dessen geistige Väter politisch tot sind und ihre Nachfolger sich mit kosovarischer Autonomie nicht mehr begnügen wollen, am wenigsten der ehemalige Literaturkritiker Ibrahim Rugova, der seit Anfang 2002 als Präsident des Kosovo amtiert und nur eine Option verfolgt:

    Selbstverständlich werden wir die formale Anerkennung des Kosovo in nächster Zeit verlangen. Eher heute als morgen. Das würde der ganzen Region und Südosteuropa nur gut tun. De facto sind wir schon unabhängig.

    Da es keine Bewegung in diese Richtung gibt, wollten 78 albanische Abgeordnete des Kosovo-Parlaments am 15. Mai Druck machen: In einer Resolution rühmten sie den friedlichen Widerstand der Albaner und den bewaffneten Kampf unter Führung der UÇK, der den Willen des Volks von Kosova nach Unabhängigkeit ausdrückte. Darauf griff UNMIK-Chef Michael Steiner – ein deutscher Diplomat, dessen Amtszeit im Kosovo ausläuft – ein: Er untersagte Vertretern von Regierung und Parlament die Teilnahme an internationalen Konferenzen. Sein Pressechef Simon Haselock rügte, diese Institutionen sollten sich weniger um die Vergangenheit und mehr um die Zukunft des Kosovo kümmern.

    Diese Position findet in Belgrad Rückhalt. Seit Anfang Februar 2003 sind Serbien und Montenegro in einem neuen Staatenbund vereint, dessen Verfassung schon in der Präambel die UN-Resolution 1244 und ihre faktische Souveränitätsabsage für das Kosovo erwähnt. Belgrad und Podgorica wissen sich dabei einig mit der internationalen Gemeinschaft, die eine endlose Fragmentierung des Balkans befürchtet und darum von neuen Souveränitätserklärungen dort nichts hält. Offiziell und im Sinne der Resolution 1244 ist die UÇK aufgelöst, entwaffnet und in Teilen zu dem Kosovo Protection Corps, einer Art Technisches Hilfswerk umgewandelt worden. Tatsächlich bestehen ihre Strukturen fort und verhindern Befriedung und Wiederaufbau des Kosovo.

    Einstige UÇK-Kommandanten wie Hashim Thaci und Ramsuh Haradinaj sitzen als Führer mächtiger Parteien im kosovarischen Parlament. Für Rugovas Demokratische Liga des Kosovo sind UÇK-Leute Analphabeten, die albanische Politik nicht einmal auf Dorf-Niveau führen dürften. Als der Abgeordnete Fadilj Geçi das am 8. Mai im Parlament sagte, folgte dem eine wüste Schlägerei. Wochen zuvor hatte das Haager Tribunal vier Albaner verhaften lassen und für Kriegsverbrechen, begangen 1998 im UÇK-Lager Lapusnik, angeklagt. Unter ihnen war auch Fatmir Limaj, der heute Abgeordneter im Kosovo-Parlament ist. Gegen die Anklagen regte sich kosovarischer Volkszorn, der Freiheit für die Befreier fordert, und den Premier Bajram Rexhepi mühsam ausbalancieren musste:

    Herr Limaj hat gezeigt, dass er ein Patriot ist. Ich bin überzeugt, dass er im Haag seine Unschuld beweisen wird. Die UÇK hat für Ideale gekämpft, und wir werden weiter die De-mokratisierung und Unabhängigkeit des Kosovo kämpfen. Das ist auch eine Botschaft an die internationale Gemeinschaft.

    Die UÇK und Ideale? Noch vor 12, 15 Monaten war sie auch in Nord-Makedonien und im südserbischen Preševo-Tal aktiv. Dort wurde mühsam eine Befriedung erreicht – die derzeit wieder gefährdet ist. Nebojša Čović, Vize-Premier Serbiens und Kosovo-Beauftragter Belgrads, sprach noch Mitte Februar von Kalaschnikov-Politik und wurde im Preševo-Tal sehr deutlich:

    Das sind Bandenchefs und Gangster, und sie wollen das ganze albanische Volk zu Mitschuldigen machen. Das ist ein neuer Betrug, eine neue Lüge.

    Das gilt auch für die beiden UÇK-Nachfolgeorganisationen, das legale Kosovo Protection Corps und die illegale Albanische National-Armee ANA, die sich Ende April zu einem Anschlag auf die Bahnlinie Zvečan – Kosovo polje zusammentaten. UNMIK-Chef Steiner reagierte prompt: Er erklärte die ANA zur terroristischen Vereinigung und sperrte dem Protection Corps sämtliche Auslandskontakte – alles getreu seiner Grundlinie:

    Ich verfolge eine Politik der Null-Toleranz gegen Verbrechen, und ich muss sagen, dass das vermutlich unser populärstes Unternehmen im Kosovo ist, weil die Bevölkerung hinter uns steht. Ja, die UÇK ist darin verstrickt, und wenn wir ihre Verbindungen entdecken, schreiten wir auch ein.

    Sind die kriminelle UÇK und friedliche Bevölkerung im Kosovo wirklich so genau zu trennen? Immer noch ist die UÇK der größte Arbeitgeber dort. Details nennt der deutsche Balkankenner Norbert Mappes-Niediek in seinem Buch Balkan-Mafia: Die UÇK hat danach der UNMIK die Kontrolle über das kosovarische Tankstellennetz abgerungen und steckt auch hinter lukrativen Geschäften wie dem Schlepperunwesen oder dem Heroinhandel, bei dem albanische Gangster bereits die Hälfte des westeuropäischen Markts eroberten. Legale Verdienstmöglichkeiten sind im Kosovo hingegen rar.

    Wie das Institut Riinvest in Prishtina Ende Januar ermittelte, steht die Arbeitslosigkeit im Kosovo bei 83 Prozent. Und Anfang März publizierte das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) eine Analyse des Kosovo als Armenhaus Europas. Das weiß auch UNMIK-Chef Steiner, wie er Ende Februar in einem Interview einräumte:

    Was interessiert denn die Menschen im Kosovo? Das ist Jobs, wir haben eine schwierige ökonomische Lage, das ist die Sicherheitsfrage und das ist die Frage der Bewegungsfreiheit. Diese Fragen müssen wir hier angehen.

    Wie das WIIW errechnete, besteht ein Drittel des kosovarischen Bruttoinlandsprodukts aus Überweisungen, die Auslands-Albaner tätigen. 52 Prozent machten bisher internationale Hilfen aus, die 2003 auf 37 und 2004 auf 23 Prozent sinken sollen.

    Bietet sich hier eine zweite Chance für die sozialdemokratischen Vordenker von vor zehn Jahren? Eine Arbeitsgruppe um Shkelzen Maliqi hat vor wenigen Monaten einen alarmierenden Report vorgelegt, den sie nicht zufällig "Frühwarnbericht Kosovo" überschrieb. Fazit des Berichts: Was sich verschlechtern kann, verschlechtert sich auch. Arbeitslosigkeit und allgemeiner Pessimismus gehen hoch, Bruttosozialprodukt und Lebensstandard fallen. Über 70 Prozent aller Familien meinen, dass es ihnen schlechter als im Vorjahr geht. Albanischer Vandalismus hat bislang rund 110 serbische Kirchen zerstört, wie vor zwei Monaten ein Expertenteam der UNESCO unter dem Deutschen Horst Gödicke bilanzierte. Gewaltverbrechen wie Mord, Kidnapping und Brandstiftung haben sich auf Höchstniveau stabilisiert, ökonomisch bedingte Delikte wie Raub und Einbruch nehmen zu, ebenso Verstöße gegen die persönliche Sicherheit, vor allem Vergewaltigungen.

    Nach OECD-Daten hat das Kosovo die höchste Analphabeten-Rate Europas, nach Analysen der Weltbank das schlechteste Schulwesen und die niedrigsten Bildungsgrade. Aber ganz genau weiß es niemand, weil der UNMIK elementare Daten fehlen, auch dazu, wie viele Einwohner das Kosovo überhaupt hat. Schätzungen reichen von 1,8 bis 2,4 Millionen, da die letzte Volkszählung 1981 stattfand. Damit ist auch die gewaltsame ethnische Säuberung des Kosovo, die den Bestand nicht-albanischer Volksgruppen seit 1999 um neun Zehntel reduzierte, in ihrem Ausmaß nicht belegbar. Das Statistical Office of Kosovo der UNMIK plant zum 1. April 2004 eine neue Volkszählung, um endlich die Daten zu bekommen, ohne die jede Wirtschaftsaktivität Stückwerk bleiben muss. Wenn man die Daten hat, wird sich etwas bewegen, hofft Michael Steiner:

    Ich glaube, auf der einen Seite gibt es durchaus interessante Investitionsmöglichkeiten, wenn Sie denken an die Bodenschätze, die es dort gibt. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Der entscheidende Punkt ist, dass es in der Diaspora durchaus finanzielle Mittel gibt. Die muss man anlocken durch selbsttragende, funktionierende Bedingungen im Kosovo.

    Das rohstoffreiche, einst industrialisierte und immer noch agrarisch ertragreiche Kosovo könnte ein südosteuropäischer Tigerstaat sein. Aber wer soll es dazu machen? Wie die International Crisis Group schon vor Jahren berichtete, lebt das Gros der Auslands-Albaner von Sozialhilfen, dürfte also als Investoren ausfallen. Spätere Versuche, wohlhabende Albaner aus der Diaspora für das Kosovo zu interessieren, hatten wenig Erfolg. Verschreckt von der instabilen Sicherheitslage verlassen Hilfsorganisationen das Kosovo, womit mindestens 16.000 von insgesamt 50.000 Jobs für Hilfspersonal verloren gingen. Zudem kehren aus Westeuropa in großer Zahl junge Albaner zurück, die nach abgelehnten Asylersuchen ausgewiesen wurden. Daheim werden sie Arbeitslosigkeit verstärken, die bereits jetzt laut Aussage des Maliqi-Teams fünf bis zehn Mal höher als in anderen Transitionsländern ist.

    Ein Exodus vollzieht sich aus dem Kosovo: Die KFOR-Truppe soll demnächst von 27.000 auf 17.000 Mann verringert werden, Russland hat sein Kontingent von 650 Soldaten komplett abgezogen. Auch UNMIK will Personal reduzieren, selbst Steiner ist amtsmüde. Die Erfolgsbilanz des bislang dritten UNMIK-Chefs ist mager: Die Akzeptanz staatlicher und internationaler Behörden ist schwach, was Schwarzmarkt- und Mafia-Strukturen begünstigt, Wirtschaftswachstum drückt und Steuern-Einkünfte mindert. Zudem wird kein Investor in eine Region gehen, deren künftiger Status umstritten ist. Steiner weiß, dass die Statusfrage drängender wird, will sie aber erst nach der zivilen Restrukturierung des Kosovo angehen:

    Ich glaube, bevor man die Frage des Status behandelt, muss man zunächst mal sich kümmern, aus dem Kosovo eine respektable Gesellschaft zu machen, in der die Institutionen funktionieren, in der es Sicherheit gibt, in der es eine interethnische Versöhnung gibt, in der die Gerichte funktionieren und in der es einen effektiven Kampf gegen die organisierte Kriminalität gibt. Wenn wir das haben, dann können wir uns über den Status unterhalten.

    Darauf wollen die albanischen Politiker nicht warten, nachdem sie vier Jahre lang bemüht waren, das Kosovo nicht zu einer respektablen Gesellschaft zu machen. Also war Steiner seit seinem Amtsantritt dabei, sie dazu zu zwingen. Zuerst drängte er sie in eine parlamentarische und Regierungsgemeinschaft mit Serben, dann errichtete er weitere benchmarks, die erledigt werden müssen. Für die internationale Öffentlichkeit hat Steiner dafür eine griffige Formel geprägt:

    Die Position ist, Standards vor Status, das heißt, erst müssen wir vor Ort die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir überhaupt die Frage des Status angehen können.

    Ein Status als souveräner Staat Kosovo ist das einzige, worauf sich alle albanischen Politiker geeinigt haben. Rugovas weitere Pläne zeigen, wie wenig realitätsnah manche Vorstellungen im Kosovo sind: Dem Hamburger Spiegel sagte er Ende 2000, die NATO müsse ewig im Kosovo bleiben, sie sei eine albanische Privatarmee. Von Bodo Hombach, damals Chef des Stabilitätspakts Südosteuropa, forderte er, das Kosovo in die EU aufzunehmen und es direkt an die Brüsseler Zentrale anzubinden.

    Steiner versucht, solch irrealen Vorstellungen abzubauen. Durch den Transfer immer weiterer Kompetenzen auf die Albaner, womit sie in die ordnende Pflicht genommen werden, sollen diese Positionen an der Realität abgeschliffen werden. Die Albaner ihrerseits glauben, dass sie durch die Übertragung weiterer Kompetenzen die Souveränität doch bekommen, sozusagen scheibchenweise. Dasselbe befürchten die Serben – wollen es aber nicht hinnehmen. Belgrads Premier Đinđić, normalerweise mit Steiner nicht gerade verfeindet, wagte Mitte Januar den offenen Konflikt mit der UNMIK und ihrem Chef:

    Ich verlange, dass heute mit Verhandlungen über den finalen Status des Kosovo begonnen wird, denn heute ist es weit schwerer, eine kosovarische Souveränität ins Auge zu fassen, als es in zwei Jahren sein wird. In zwei Jahren wird es leicht sein: Dann wird man uns sagen, ihr wollt wohl in den Krieg ziehen, um das zu zerstören, was da entstanden ist. Und wenn wir fragen, wie ist es denn entstanden, dann wir uns sagen, tut uns leid, dass ihr so spät aufgewacht seid. Aber wir sind heute aufgewacht.

    Kurz vor seiner Ermordung hat Zoran Đinđić noch in einem deutschen Interview erläutert, wie eine Lösung aussehen könnte – auch mit Blick auf die neue Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro:

    Mein Vorschlag ist, eine föderale Struktur im Kosovo zu implementieren. Wir können uns Kosovo als ein Glied in dieser Struktur vorstellen, die mehr als eine Autonomie, aber weniger als ein föderaler Staat ist.

    Ein souveränes Kosovo will die internationale Gemeinschaft nicht, ein erneut serbisch verwaltetes auch nicht – bei aller neuen Wertschätzung für Belgrad. Weniger als die Souveränität akzeptieren aber die Albaner nicht, und seit Monaten befürchtet Belgrad, dass Steiner sich auf ihre Position einlässt.

    Offiziell übt Belgrad sich in Geduld und will nach Đinđićs Tod dessen Kurs noch forcieren, wie Amtsnachfolger Zoran Živkovic Ende April anlässlich der Gründung des neuen Staatsrats für das Kosovo erklärte:

    Das ist keine neue Politik, sondern die Fortsetzung un-serer Kosovo-Politik und liegt voll in der Strategie des verstorbenen Premiers Đinđić. Wir wollen, dass im Umgang mit der internationalen Gemeinschaft der Standpunkt des Staates Serbien klarer und präziser zum Ausdruck kommt.

    Rückkehr der Vertriebenen, Sicherheit der Region und Dezentralisierung der Macht sind die serbischen Grundpostulate. Damit sollte niemand Probleme haben – sofern man zurück zu den Anfängen von 1999 geht, wie sie in der UN-Resolution 1244 fixiert sind. Eben das forderte auch Premier Živković noch am 19. Mai in einem Spiegel-Interview. Darauf hofft auch die Verfassungscharta des neuen Staatenbunds Serbien und Montenegro, und deren Mitautor, der serbische Jurist Zoran Lutovac, ist überzeugt, dass die UN-Resolution 1244 die Lösung offener Fragen und die Therapie akuter Konflikte ist:

    Es ist egal, was in der Verfassungscharta steht oder was die Albaner als ihre politischen Ziele ausgeben: Der Status des Kosovo muss innerhalb des Dreiecks Belgrad – Prishtina – internationale Gemeinschaft ausgehandelt werden.