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"Vier Moderatoren für fünf Tage Programm"

Hochschulradios sind ehrenamtlich und eigenverantwortlich von Studierenden geführt. Mit der Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge bleibt Studierenden weniger Zeit für außeruniversitäres Engagement - die Folge: Personalmangel bei den Hochschulradios.

Karo Granitza, Vera Wolfskämpf und Daniel Meyer im Gespräch mit Michael Böddeker | 10.09.2010
    Michael Böddeker: Probieren geht über studieren, heißt es ja. Aber seit die Studiengänge in Deutschland auf die Bachelor- und Masterabschlüsse umgestellt werden, bleibt immer weniger Zeit, um sich neben dem Studium noch auf andere Dinge zu konzentrieren und andere Dinge auszuprobieren. Keine ganz neue Entwicklung, aber im Moment macht sich das besonders deutlich bemerkbar – zum Beispiel bei den Campusradios. Dort lernen Studierende das Radiomachen und produzieren täglich, ehrenamtlich und in Eigenverantwortung Sendungen und Beiträge. Allerdings machen sich die Campusradios gerade Sorgen um den ausbleibenden Nachwuchs. Drei Campusradiomacher habe ich nun am Telefon, Karo Granitza von Kölncampus, guten Tag!

    Karo Granitza: Guten Tag!

    Böddeker: Vera Wolfskämpf von Mephisto 97.6 in Leipzig, guten Tag.

    Vera Wolfskämpf: Hallo!

    Böddeker: Und Daniel Meyer vom Campusradio Q in Münster, schönen guten Tag!

    Daniel Meyer: Guten Tag!

    Böddeker: Herr Meyer, Sie hatten bei uns angerufen und uns auf das Problem aufmerksam gemacht. Wie ist denn bei Ihnen in Münster im Moment die Lage? Wie viele oder wie wenige Mitarbeiter bestücken im Moment das Programm?

    Meyer: Letzte Woche, da sah es ziemlich, ziemlich düster aus, da waren hier in der Redaktion am Tag, weiß ich nicht, zwei, drei Leute. Wir haben insgesamt, wir haben mal durchgezählt, vier Moderatoren für fünf Tage Programm die Woche, und da sah es sehr eng aus.

    Böddeker: Und das war früher schon mal anders?

    Meyer: Also ich bin seit zwei, zweieinhalb Jahren ungefähr dabei: Das sah noch nie so schlimm aus. Das ist natürlich klar, dass in den Ferien immer Praktikumszeit ist und Urlaubszeit auch, und die Leute da so ein bisschen sich verstreuen, aber uns sind in diesem Jahr auf einen Schlag irgendwie zwölf Leute weggebrochen, die ins Auslandssemester gehen oder überhaupt weg sind und Bachelor fertig haben und so. Das hat man natürlich gemerkt. Und ja, es sind einfach viele Leute, die nur noch ganz kurz da sind im Moment.

    Böddeker: Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass die Studierenden nicht mehr in dem Maß beim Campusradio mitarbeiten wie früher? Haben die keine Zeit oder keine Lust mehr?

    Meyer: An keiner Lust liegt es auf keinen Fall, die Leute, die hier sind, die sind super motiviert alle eigentlich, man sieht es auch daran: Wir wollten eigentlich, wir haben es Montag beschlossen, den Freitag zur Entlastung der Leute, die hier das Programm machen, ausfallen lassen. Es gab aber auch so ein bisschen einen Widerspruch zwischen unseren Mitarbeitern, die sich sagten, nein, das geht ja nicht, wir können ja nichts ausfallen lassen. Jetzt haben wir dann doch eine Sendung gestemmt. Aber nein: Zeit ist das Problem. Also die Motivation ist da, aber die Leute haben sind halt einfach so involviert in ihrem Studium mit Praktika und Auslandsaufenthalten, dass da einfach die Zeit fehlt.

    Böddeker: Praktika und Auslandsaufenthalte sind das eine, zum anderen vielleicht ja auch Bachelor und Master, die ja nicht ganz neu sind, aber warum macht sich gerade jetzt das Problem so stark bemerkbar?

    Meyer: Ja, ich denke, jetzt so, das ist die Zeit, in der so die letzten Magister-Leute ihren Abschluss machen und langsam auch weg sind und in die Berufswelt abwandern. Wir haben hier fast nur noch Bachelor-Leute, die auf Bachelor studieren, und die haben halt einfach wenig Zeit.

    Böddeker: Vera Wolfskämpf von Mephisto 97.6 in Leipzig – haben Sie ähnliche Nachwuchssorgen?

    Wolfskämpf: Ja, also das geht in die gleiche Richtung. Es ist so, dass uns natürlich auch die ehemaligen Mephisto-Mitarbeiter erzählen, es war eigentlich schon immer so, also man hat immer zu wenig Leute bei solchen ehrenamtlichen Projekten. Aber was man jetzt merkt: Diese Leute, also die zu wenig Leute sowieso schon, die sind nur für kurze Zeit hier. Also die sind ja nur drei Jahre oder nur zwei Jahre überhaupt hier an dem Studienort, und ehe sie sich so reinfinden, dass sie sich für den Sender so sehr engagieren, sind sie auch schon wieder weg. Und dann kommt dazu, was der Kollege Daniel Meyer sagt, dass sie natürlich auch sehr viel anderes nebenher zu tun haben. Und das ist meiner Meinung nach auch eine Einstellungsfrage. Also die Bachelor-, Masterstudenten sind sehr stark darauf getrimmt: Mein Studium ist das sehr wichtig und ich muss das alles nach Zeitplan schaffen, und die Prüfungen sind so wichtig. Wenn man da für sich selbst andere Prioritäten setzt, dann ginge das schon. Also man kann nebenher durchaus auch freiwillig solche Projekte auch mitmachen, aber es braucht eben ein sehr spezielles persönliches Engagement.

    Böddeker: Man kann sich ehrenamtlich engagieren, aber zum anderen ist Mephisto ja auch sehr eng mit der Universität in Leipzig verknüpft, zum Beispiel mit dem Masterstudiengang Hörfunk. Da müssten doch eigentlich auch über diesen Weg schon jede Menge Studierende zum Radio kommen.

    Wolfskämpf: Ja, also da muss man sagen, das sind dann im Jahr natürlich so um die zehn Leute. Also das ist nur ein kleiner Teil, der uns hilft, aber immerhin.

    Böddeker: Köln ist mit seinen vielen Hörfunk- und Fernsehsendern auch eine Medienstadt, deswegen gibt es in Köln auch viele junge Leute, die gerne in Medienberufe einsteigen möchten. Trotzdem: Auch beim Kölner Campusradio investieren die Studierenden immer weniger Zeit. Karo Granitza, Sie sind Ausbildungsleiterin bei Kölncampus. Wie läuft denn bei Ihnen die Ausbildung, wie bilden Sie die Studierenden aus, die bei Kölncampus mitarbeiten möchten?

    Granitza: Also unsere Ausbildung läuft insgesamt über zwölf Wochen, und wenn man diese zwölf Wochen fertig hat, dann ist man quasi fertig und kann komplett bei Kölncampus einsteigen und kann bei jeder Redaktion mitmachen, bei der man möchte.

    Böddeker: Und kommen auf diesem Ausbildungsweg genug potenzielle neue Mitarbeiter zu Kölncampus?

    Granitza: Ja, im Moment schon, was aber im Moment unser Problem ist, ist, dass die Leute einfach zuerst zusagen für die Ausbildung, also sich bewerben, dann auch dabei sind, und dann aber plötzlich wieder wegbrechen. Also die kommen vielleicht sogar zum ersten Morgenmagazin, machen noch mit, und sagen dann, ach, ich habe jetzt doch einen Nebenjob bekommen, ich bin jetzt mal wieder weg.

    Böddeker: Was glauben Sie über das Campusradio hinaus, wie wird die Entwicklung weitergehen? Werden die Studierenden in Zukunft noch weniger Zeit haben, um neben dem Studium noch andere Dinge zu tun, um etwas über den Tellerrand des eigenen Fachs hinauszuschauen?

    Granitza: Ich denke schon. Also so, wie sich das im Moment abzeichnet, jetzt die Magisterstudiengänge, die laufen jetzt aus – ich glaube, dass das sich bemerkbar machen wird, ja.

    Böddeker: Frage auch noch mal an die anderen Campusradios: Wie müssten die Strukturen im Studium geändert werden Ihrer Meinung nach, damit die Studierenden auch noch was anderes machen können als eben nur ihr eigenes Fach zu studieren?

    Meyer: Das größte Problem ist einfach diese Belastung mit super vielen Prüfungen, einfach dieser enge Stundenplan, der in Bachelorstudiengängen häufig da ist, der halt nicht viel Raum lässt, um mal kreativ und mal zeitverschwenderisch, was die Arbeit beim Campusradio ja auch manchmal sein kann, einfach mal tätig zu werden. Also da bleibt einfach wenig Zeit, weil die Leute am Lernen sind oder wegmüssen.

    Wolfskämpf: Ich denke auch, dass es eine Frage der Flexibilität ist, also man muss glaube ich auch wieder so eine Mentalität durchsetzen, im Studium ist es wichtig, sich auszuprobieren, wie Sie am Anfang gesagt haben, also zu schauen, was kann ich noch machen, und dass das auch geehrt wird, also auch gut, du engagierst dich hier, freiwillig, ehrenamtlich. Das kann man mit Leistungspunkten meinetwegen auch ehren, aber dass das eben auch einfach angesehen ist, also um eben diese Einstellung wieder zu kriegen: Es ist nicht nur wichtig, dass du deinen Stundenplan durchziehst und zu jedem Seminar gehst, sondern dass du eben guckst: Wie richte ich mich aus und wie kann ich mich selbst für mein Leben zukünftig am besten prägen und was lernen?

    Granitza: Also ich muss dazu sagen, wir haben bei uns zum Beispiel für die Ausbildung gibt es Credit Points, gibt es drei Credit Points, aber das hat bisher auch nichts gebracht. Ich denke, dass das Hauptproblem aber auch einfach bei den Studiengebühren liegt, also die Leute überlegen sich zwei Mal, ob sie noch ein Semester dran hängen vielleicht. Was früher kein Problem war, ist jetzt eben ein Riesenproblem.

    Böddeker: Vielen Dank für das Gespräch! Das waren Karo Granitza von Kölncampus, Vera Wolfskämpf von Mephisto 97.6 in Leipzig und Daniel Meyer von Radio Q in Münster. Mit ihnen habe ich über die Nachwuchsprobleme bei den Campusradios in Deutschland gesprochen. Das Interview sowie alle Beiträge der Sendung können Sie auch im Internet nachhören unter www.dradio.de.