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Warum man Geisteswissenschaften studiert

Die angebliche Krise der Geisteswissenschaften, die fehlende Trennschärfe des Faches, diffuse Standards für die wissenschaftliche Auseinandersetzung: Welche Auswirkungen haben derartige Diskussionen von Akademien, Wissenschaftsrat und anderen Wissenschaftsorganisationen auf die Studierenden und vor allem auf die Erstsemester? Eindrücke aus Berlin.

Von Klaus Martin Höfer | 17.10.2006
    Im Foyer der Berliner Humboldt-Universität. Zum Semesterbeginn haben Studentengemeinden, Buchhandlungen und Telefondienstleister Schautische aufgestellt und informieren über ihre speziellen Angebote für Studierende. Auch einige Erstsemester sind unterwegs. Zum Beispiel die Skandinavistik-Studentinnen Skadi, Swenja und Karoline.

    " Ich war mal so ein Jahr in Norwegen, deswegen ist es dann Skandinavistik geworden. "

    " Mich interessiert einfach die Kultur aus Nordeuropa. "

    " Man weiß einfach zu wenig über Nordeuropa und deswegen: Horizont erweitern. "

    Sie haben sich für das Fach entschieden, weil sie Land und Leute, ihre Sprachen, ihre Bücher und ihre Filme interessant finden. Von einer Krise in der geisteswissenschaftlichen Forschung haben die drei noch nichts mitbekommen. Dennoch haben sie bereits vor dem ersten Semester das Ansehen ihres Faches verteidigen müssen.

    " Dann kommt auch die Frage, was ist Skandinavistik, es kommt die Frage, damit kann man ja sowieso nichts machen. "

    " Geisteswissenschaften werden ja immer so als brotlose Kunst. Man studiert sich arbeitslos, so als Hausfrauenstudium, so die Frauen, die Abi haben, meistens Geisteswissenschaften studiert haben, geheiratet haben und dann Zuhause geblieben sind. Na ja, mal gucken, ich hoffe, es kommt nicht so. "

    Im Kultur- oder Medienbereich wollen sie arbeiten, genau wissen sie es allerdings noch nicht. Dass sie irgendwo unterkommen, davon gehen sie aus. Eine Hoffnung, die auch Studien des Wissenschaftsrates bestärken. Innerhalb von fünf Jahren nach ihrem Abschluss haben sich Geisteswissenschaftler im Arbeitsmarkt etabliert, so die Ergebnisse einer Untersuchung. Dass dauert zwar immer noch länger als in anderen Fachrichtungen, aber eine brotlose Kunst sind die Geisteswissenschaften nicht unbedingt, selbst wenn nach dem Studium die Zukunft erst einmal ungewiss ist.

    Klare Vorstellungen über ihren weiteren Lebensweg haben die beiden Zwillinge Peter und Steffen. Gemeinsam haben sie überlegt, wo liegen die Begabungen und in welchem Fach können wir Erfolg haben. Dann haben sie sich für Latein entschieden.

    " Na, weil Latein uns am meisten Spaß gemacht hat im Unterricht. "

    " Beim Lehramtsstudium weiß man, was man hat, und wenn man einfach nur so studiert, was macht man dann damit? "

    Zum Beispiel Journalistin werden. Das möchte nämlich Viktoria. Sie studiert Germanistik und Englisch.

    " Ich mache so was gerne, so mit Grammatik rumbasteln und so, und Englisch fand ich schon immer cool. Da dachte ich, machst du mal ein Studium, kann ja nicht schaden. "

    Die vermeintliche Krise lässt sie ebenfalls kalt - wie die meisten Erstsemester, so die Erfahrung der Studienberater. Zu voll gepackt sei das Bachelor-Studium sagt auch Viktoria, da bleibe kaum Zeit über solche Themen nachzudenken. Vielleicht später einmal im Master-Studiengang. Denn den will sie auf jeden Fall machen, da hat sie wie viele Erstsemester schon eine klare Vorstellung. Dass ihr Fach durchaus Sinn macht, davon ist sie überzeugt, ebenso wie Skandinavistik-Studentin Skadi

    " Es vermittelt einem doch ein anderes Bild. Dadurch, dass Geisteswissenschaften keine festen Regeln haben so wie Physik, ist es doch viel anspruchsvoller. Das ist ja gerade unser Kulturgut, was uns da vermittelt wird, und sollte nicht immer diesen niedrigen Status haben, wie es immer dargestellt wird. "