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"Wenn du nicht spurst, kommst du ins Heim!"

2004 gründet sich der "Verein ehemaliger Heimkinder" in Deutschland und wendet sich an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Seit 2006 befasst dieser sich mit dem Heimkinder-Problem, hört Beteiligte an und beschließt im November letzten Jahres einmütig: Ein Runder Tisch unter Leitung Antje Vollmers soll Licht ins Dunkel der deutschen Heimerziehung bringen.

Von Detlef Grumbach | 22.01.2009
    "Als ich in das Heim eingeliefert wurde, sagte der Direktor wortwörtlich zu mir, Schulunterricht gibt es hier nicht, wir brauchen hier flinke und tüchtige Arbeitskräfte und keine schlauen Gelehrten. Mir wurde die Schulbildung verweigert, ebenso auch die berufliche Ausbildung. Wir mussten in dem Heim arbeiten bis zu zwölf Stunden am Tag unter unmöglichen, fast unmenschlichen Bedingungen."

    Dietmar Krone ist Mitte 50. Schon als Zwölfjähriger musste er für die Schulden seiner Mutter arbeiten, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach. Als die Mutter sich eher für andere Männer als ihr Kind interessierte, brachte sie ihn ins Fürsorgeheim. Der Vorwand: sittliche Verwahrlosung. Von 1968 bis 1973 war er im Erziehungsheim in Viersen-Süchteln.

    "Im Heim wurde man wirklich wie der letzte Mensch dargestellt, wie ein Schwerverbrecher. Ich bekam auch keine Post. Und wenn ich dann nach Post fragte -: Ja, wer soll dir schreiben? Die sind doch alle froh, dass du weg bist. Ich bekam also zum Geburtstag, zu Weihnachten, zu Ostern keine Post. Das hat oft sehr wehgetan. Und als ich entlassen wurde, bekam ich einen großen Umschlag, da waren über 50 Briefe drin, die an mich adressiert waren, die hat man mir alle unterschlagen."

    Entlassen wurde Krone ohne Schulzeugnis, ohne Berufsausbildung, als gebrochener Mann - in jeder Hinsicht: Sein Arm und seine Schulter waren ihm von einem Erzieher zusammengetreten worden, Sehnen und Muskeln abgerissen. Statt zum Arzt kam er in die Einzelzelle. Die Folgen der irreparablen Schäden: Schwerbeschädigung und Berufsunfähigkeit mit 45, keine 300 Euro Erwerbsunfähigkeitsrente, Hartz 4.

    Dietmar Krone ist kein Einzelfall. Experten schätzen, dass es mindestens 15.000, rechnet man die Zahl der Heimplätze und die durchschnittliche Verweildauer in den Heimen hoch, sogar bis zu 500.000 Betroffene geben kann. Die Dunkelziffer ist groß, weil zahlreiche ehemalige Zöglinge verstorben sind, sich nicht melden, die aktuelle Diskussion nicht verfolgen können, weil sie nicht mehr am öffentlichen Leben teilnehmen.

    2002 rückt der britische Kinofilm "Die unbarmherzigen Schwestern" die Situation irischer Heimkinder in den Blickpunkt des internationalen Interesses. Schnell wird deutlich, dass der Film kein allein irisches Problem darstellt. Zwei Jahre später gründet sich der "Verein ehemaliger Heimkinder" in Deutschland, organisiert Betroffene, wendet sich an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags. Seit 2006 befasst dieser sich mit dem Problem, hört Beteiligte an und beschließt im November letzten Jahres einmütig: Ein Runder Tisch unter Leitung Antje Vollmers soll Licht ins Dunkel der deutschen Heimerziehung bringen.

    "Es war ein breit angelegtes System von dieser schwarzen, sehr disziplin- und ordnungsorientierten Pädagogik. Warum die Einzelnen dabei mitgemacht haben, ob das von oben so angeordnet war, ob es dem eigenen autoritären Charakter entsprach, ob es einem System von Überforderung entsprach, ob man es mit besonders schwierigen Jugendlichen zu tun hatten, das genau ist eine der Aufgaben, die wir untersuchen müssen."

    So die ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags. Sie soll die Beteiligten zusammenbringen und den Runden Tisch moderieren.

    "Aber es handelt sich um ein besonderes Unrecht, und eine der Aufgaben wird sein, dieses besondere Unrecht von den allgemeinen Vorstellungen der Zeit zu unterscheiden. Das kann man nicht rein rechtlich machen. Sonst wäre es ein Tribunal oder eine Eingabe beim Bundesverfassungsgericht. Also müssen wir mit dem Gespräch anfangen, mit dem Zuhören, mit dem Aufnehmen, mit dem Urteilen."

    Die gesetzliche Grundlage der Fürsorgeerziehung stammt aus dem Kaiserreich, wurde 1922 im Reichsjugendwohlfahrtsgesetz zusammengefasst und hat alle Reformdebatten der Weimarer Republik überdauert. Fürsorgeerziehung wurde auf Anordnung des Gerichts verhängt. Mögliche Gründe:

    Schuleschwänzen, bei der Arbeit fehlen, Gewalttätigkeit. Als Gewalt galten oft schon freche Widerworte gegen Eltern oder Lehrer.

    Nach 1945 wurde die "Fürsorgeerziehung" um die so genannte "Freiwillige Erziehungshilfe" ergänzt.

    Wenn eine 16-Jährige laut Rock'n'Roll-Musik hörte, abends erst um zehn nach Hause kam, womöglich von einem Jungen mit dem Moped gebracht wurde, schalteten manche Nachbarn das Jugendamt ein. Die Lösung des Problems: das Heim. Die Eltern mussten nur unterschreiben. Wenn Ehen in die Brüche gingen, Vater oder Mutter starben und Großeltern überfordert waren, wenn Kinder ihren Eltern im Wege standen, das Geld nicht reichte oder banale Konflikte über zu lange Haare, zu enge Röcke eskalierten, kamen die Kinder ins Heim.

    "Zum Beispiel dieser Aufnahmebericht, wie mich meine Mutter abgegeben hat. "

    Dietmar Krone blättert in seiner Akte. Als der Zwölfjährige für seine Mutter arbeiten musste und auf der Straße zusammengebrochen war, hat das Jugendamt sich nicht um ihn gekümmert. Als die Mutter ihn loswerden wollte, fragte das Amt nicht nach und machte es ihr leicht.

    "Mutter war nicht beim Aufnahmearzt, da sie sehr eilig war. Oder hier habe ich ein Schreiben, das ist vom 14. Juli 1969: Einverständniserklärung: Hiermit erkläre ich mich einverstanden, dass mein Sohn in eine geschlossene psychiatrische Klinik kommt. Nur weg damit, ja."

    Das Jugendamt hat seine Entwicklung nicht begleitet, sein Vormund hat sich nicht um ihn gekümmert.

    "Auch diese hausinternen Vermerke über meine Person: Schuhe nicht richtig geputzt: ein Tag Dunkelhaft. Die Haare nicht gekämmt: zwei Ohrfeigen. Gegen den Erzieher frech geworden: den Flur bohnern. Oder einen 27 Meter langen Flur in gebückter Haltung mit einer Zahnbürste putzen."

    Viele ehemalige Zöglinge leiden noch heute unter den Folgen, fanden ohne Ausbildung nur schwer ins Berufsleben, sind traumatisiert. Dietmar Krone machen geschlossene Zimmertüren noch heute Angst, er kann nicht in einem dunklen Zimmer schlafen. Viele Betroffene haben nie über die Jahre im Heim sprechen können. Jetzt fordert der Verein ehemaliger Heimkinder deren Recht, therapeutische Behandlung, Wiedergutmachung - oder wenigstens eine Entschuldigung.

    Die Bereitschaft dazu ist nicht bei allen Verantwortlichen in gleichem Maße vorhanden. Viele verweisen ganz allgemein auf den Zeitgeist, damals herrschten eben andere Erziehungsmethoden. Der Caritasverband unterstützt das Anliegen zwar allgemein, spricht aber ausdrücklich von "Verfehlungen Einzelner", weist die geschätze Zahl von 15.000 bis zu 500.000 Opfern entschieden zurück.

    Der Landschaftsverband Rheinland, in dessen Obhut Dietmar Krone seine Heimzeit verbracht hat, hat eine Studie in Auftrag gegeben und eine Hotline frei geschaltet. Die niedersächsische Landesbischöfin Margot Käßmann hat Hans Bauer beauftragt, "Gewalt und Unrecht" aufzuarbeiten. Der Ruheständler, der selbst - allerdings erst Ende der siebziger Jahre - in der Heimerziehung tätig und später Geschäftsführer des Evangelischen Erziehungsverbandes war, recherchiert in Archiven, fördert Akten zu Tage und spricht mit vielen Betroffenen, die oft zum ersten Mal über ihre Erfahrungen reden.

    Wie kann es sein, fragt Bauer nach über 40 Gesprächen,

    "dass ein Kind aus überhaupt nicht nachvollziehbaren Gründen von heute auf morgen, ohne Vorbereitung still und heimlich, oder oft auch noch im Dunkeln, aus dem Haus herausgeholt wird und in ein Heim gebracht wird, dass wirklich nichts angestellt hat, das einfach nur unbequem war. Dann wird auf die Frage der Vierzehnjährigen, ob sie nicht weiter zur Schule gehen könnte, die Antwort gegeben, was wollt ihr denn hier weiter zur Schule gehen, ihr geht doch später sowieso alle auf den Strich."

    Der zentrale Begriff des Jugendwohlfahrtsgesetz, so der emeritierte Berliner Erziehungswissenschaftler Manfred Kappeler, ist die "Verwahrlosung" - die drohende oder die schon eingetretene. Was das im Einzelfall bedeutete, entschieden die Fürsorge, Jugendämter, Richter.

    "Damit war dieser Verwahrlosungsbegriff der entscheidende Hebel, alle Kinder und Jugendliche, die nicht den gesellschaftlichen Erwartungen entsprachen, buchstäblich aus der bürgerlichen Öffentlichkeit auszuschließen. Das war im Wesentlichen auch die Aufgabe dieser Einrichtungen. Und sie sollten auch nach außen hin, gegenüber allen anderen, als warnendes Beispiel, als abschreckendes Beispiel im Sinne der Generalprävention wirken. Und dieser Spruch: Wenn du nicht spurst, dann kommst du ins Heim, der war für die proletarischen Jugendlichen bis in die siebziger Jahre eine Alltagsgeschichte."

    Das Erziehungskonzept, mit dem der Verwahrlosung entgegengetreten wurde, hat verschiedene Wurzeln. Mit der Erbsünde und der Vertreibung aus dem Paradies, so ein Gedanke, der auch in der Klostererziehung lange Zeit gültig war, hat das Böse Einzug in die Welt gehalten - das Böse steckt in jedem Kind, von vornherein. Und es muss bekämpft werden - in jedem Kind. Dieser Gedanke christlicher Tradition verband sich Anfang des Jahrhunderts mit Vorstellungen der Eugenik:

    95 Prozent der Fürsorgezöglinge kamen aus armen Verhältnissen. Wenn armselige Verhältnisse schon Großeltern und Eltern an den Rand der Gesellschaft gedrängt hatten, wenn Kinder in diesen Verhältnissen auffällig wurden, wurden die Ursachen nicht in diesen Verhältnissen gesucht, sondern in der Erbmasse. Die Großeltern waren schon so, die Eltern, Punkt Punkt Punkt.

    "Fast alle Einrichtungen waren kirchliche Einrichtungen und die wurden immer von Pastoren geleitet - grundsätzlich - und die haben gesagt, diese Kinder und Jugendlichen müssen mit strenger Barmherzigkeit, das ist ein Ausdruck Martin Luthers, erzogen werden. Und diese strenge Barmherzigkeit bedeutete eben absoluter Gehorsam, Ablehnung aller subjektiver Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen, starker Arbeitszwang, durchgeregelter Tagesablauf, eingeschlossen werden, und das Ganze so lange, wie das bürgerliche Recht es zuließ, nämlich bis zum 21. Lebensjahr."

    Seit den 20er Jahren wird dieses System im Sinne einer menschlichen Erziehung kritisiert, steht es in der öffentlichen Diskussion. Schläge galten in den 50er Jahren zwar durchaus noch als positive Maßnahmen in der Erziehung, standen aber auch damals in der Kritik. "Grausame", so wörtlich, "ungewöhnliche und erniedrigende Strafen" widersprechen den Menschenrechten.

    "Schläge im Namen des Herrn" nannte der Spiegel-Journalist Peter Wensierski sein Buch, das 2006 erschienen ist und das System von Menschenrechtsverletzungen - auch damals schon! - an Hand vieler Beispiele dokumentiert. Hans Bauer, der die Zustände im Auftrag der niedersächsischen Diakonie recherchiert, stimmt Wensierskis Beschreibung der Zustände zu. Die baulichen Verhältnisse seien oft katastrophal gewesen, es habe wenige, oft nicht ausgebildete Mitarbeiter gegeben - und wer ausgebildet war, habe sein pädagogisches Einmaleins in der Nazi-Zeit gelernt. Aber Schläge im Namen des Herrn?

    "Also diese Wurzel gibt es sicherlich, dass wirklich das Böse aus dem Kind herausgeschlagen werden soll, der Willen gebrochen werden soll. Und ich denke schon, dass dieses Gedankengut ja auch bei den älteren Mitarbeitern in den 50er und 60er Jahren da war, obwohl es allerdings keine Anweisungen in dem Sinn gab, so zu handeln. Aber die Prinzipien waren einfach Ordnung, Sauberkeit, Disziplin. Denn nur so konnte der Heimalltag bewältigt werden."

    Dennoch ergriffen junge Erzieherinnen und Erzieher manchmal auch Partei für jene, die ihnen anvertraut waren. Eine Chance hatten sie jedoch nicht. Das System Heimerziehung funktionierte nur, indem auch Mitarbeiter, die andere Vorstellung von "Fürsorge" hatten, gebrochen wurden. Dietmar Krone erzählt, wie junge, freundliche Erzieher sehr schnell, von heute auf morgen, verschwanden. Und Hans Bauer hat in seinen Ermittlungen auch mit ehemaligen Mitarbeitern in den Heimen gesprochen, unter anderem mit einer heute Siebzigjährigen, die Anfang der sechziger Jahre in einem Heim für Mädchen tätig war. Sie erzählt, dass sie morgens

    "Unruhe in der Gruppe hatte. Und dann kam der Pastor, der der Leiter dieser Einrichtung war und hat das moniert und hat dann ihre Hand genommen und gesagt: Und diese Hand kann hier keine Ruhe schaffen? Dann hat er dem Mädchen, das da ein bisschen laut war, einen Pantoffel ausgezogen und es kräftig zusammengeschlagen, dass das Mädchen wimmernd auf dem Boden lag, hat einem anderen Kind befohlen, einen Eimer kaltes Wasser zu holen, hat das Wasser über das Kind gekippt und hat die junge Erzieherin angeguckt und gesagt: Und das konnten Sie nicht!?"

    Solche Erlebnisse und die Impulse, die aus der Schüler- und Studentenbewegung kamen, führten 1968 zur so genannten Heimkampagne. Erzieher in den Heimen, auch der heute knapp siebzigjährige Manfred Kappeler gehörte damals zu ihnen, verbanden sich mit der APO, machten Skandale öffentlich, von denen - auch das gehört dazu - die Gesellschaft seit den zwanziger Jahren gewusst hat. Denn die Aufgabe der Jugendfürsorge, so Kappeler, war von Anfang an,

    "nicht etwa die Traumatisierungen, die die Kinder und Jugendlichen schon in ihrem Herkunftsmilieu erfahren haben, zu verlängern oder zu verstärken, sondern sie hatte den Auftrag, sie zu überwinden."

    Für die Heimkampagne bedeutete die Fürsorgeerziehung die Fortsetzung eines in der NS-Zeit perfektionierten totalitären Regimes. Die Fürsorgeerziehung stand für die Lebenslüge des westdeutschen Staats, mit dem Faschismus wirklich gebrochen zu haben. Deshalb hatte die Heimkampagne eine zentrale Bedeutung für das "Mehr-Demokratie-wagen".

    1973, fast 25 Jahre später als in der DDR, wurde die Prügelstrafe abgeschafft, Ende der siebziger Jahre kam die Reform der Heimerziehung in Gang, 1990 wurde ein neues Jugendhilfegesetz verabschiedet. Die Opfer hat man darüber vergessen. Einer der Gründe: Jetzt an sie zu erinnern, hätte in dem Augenblick, als die Demokratie über das System der DDR triumphierte, an ein dunkles Kapitel in der eigenen Geschichte gerührt. Ein anderer:

    Lange, lange haben die Opfer selbst geschwiegen. Das Schweigen hat man ihnen eingeprügelt. Immer wieder haben Erzieher, Eltern, Ämter und Vormünder den Zöglingen eingebläut: Ihr könnt erzählen, was ihr wollt. Euch glaubt man nicht. Auch Dietmar Krone hat diese Erfahrung machen müssen.

    "Man hat mir zunächst nicht geglaubt, weil: Ich war ein Fürsorgezögling. Dem glaubt man sowieso nicht. Ein Fürsorgezögling ist schlecht und lügt. Dem Erzieher hat man mehr geglaubt. Und ich habe 30 Jahre über dieses Thema geschwiegen, ich habe so getan, als ob die Zeit überhaupt nicht da gewesen ist, ich habe alles in mich hineingefressen."

    "Alptraum Erziehungsheim" nannte Krone sein kleines Büchlein, in dem er dann erstmals seine Erlebnisse zusammenfasste. Das Schreiben, auch das Reden vor dem Petitionsausschuss, haben ihm geholfen. Kann ihm persönlich die Arbeit des geplanten Runden Tisches noch helfen?

    "Ich würde sagen heute würde mir gar nichts mehr helfen. Meine Gesundheit kann man mir nicht wiedergeben. Die gestohlene Jugendzeit kann man mir nicht wiedergeben. Man kann mir keinen neuen Arm wiedergeben. Man kann diese Verletzungen, ob es jetzt körperliche Verletzungen waren oder verbale, das kann man nicht wiedergutmachen."

    Dennoch: Mit anderen Betroffenen kämpft er jetzt dafür, dass die noch vorhandenen Akten nicht vernichtet werden. Einzelne Schicksale müssen zunächst einmal nachvollziehbar bleiben! Dann geht es darum, dass die einer Zwangsarbeit ähnliche Arbeit in den Heimen bezahlt und auf die Rente angerechnet wird, dass Therapieplätze bereitgestellt werden. Und vor allem darum, als Opfer von Menschenrechtsverletzungen anerkannt zu werden, um eine öffentliche, persönliche Entschuldigung, ausgesprochen von denen, die heute Rechtsnachfolger der Fürsorgeheime sind.

    Das System der Fürsorgeerziehung hat versagt, Ämter, Vormünder, auch Nutznießer der Zwangsarbeit tragen Verantwortung. Daraus die Lehren zu ziehen, helfen, dieser Verantwortung heute gerecht zu werden - das ist, so Antje Vollmer, die große Aufgabe des Runden Tisches.

    "Ich nenne diesen Runden Tisch eine kleine Wahrheitskommission. Das ist ein großer Name, aber das Ähnliche zu der Wahrheitskommission, die es mal in Südafrika gegeben hat, ist, dass man alle Beteiligten mit ihren Gesichtspunkten an einem Tisch braucht, um an einer Lösung zu arbeiten. Das heißt, wir müssen die Bereitschaft von allen Seiten haben, sich das anzugucken, wahrhaftig anzugucken, was damals gewesen ist."

    Dass der Runde Tisch zu Beginn dieses Jahres seine Arbeit aufnehmen soll, ist politisch beschlossene Sache. Bei der Finanzierung seiner Arbeit - Bund und Länder sollen sie sich teilen - fangen die Probleme jetzt schon an.