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"Die Stunde der Gartenvögel" ist die größte wissenschaftliche Mitmachaktion in Deutschland, sagt Lars Lachmann vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Bis zum 12. Mai ruft der NABU dazu auf, Vögel zu zählen. Die Daten sollen Aufschluss über die Vogelbestände geben.

Lars Lachmann im Gespräch mit Christian Bremkamp | 10.05.2013
    Lars Lachmann: "Die Stunde der Gartenvögel" ist Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmachaktion, und wir versuchen, mithilfe aller Beobachter, aller Vogelfreunde herauszukriegen, wie es den Beständen unserer Gartenvögel geht, ob sie zunehmen, ob sie abnehmen, und daraus können wir dann vielleicht auch ableiten, warum sie zunehmen oder abnehmen und was wir dagegen tun können.

    Christian Bremkamp: Nun kann ich mir vorstellen, dass es nicht nur um die Anzahl, sondern auch um die Arten geht.

    Lachmann: Ja, das ist Voraussetzung dafür, dass wir herauskriegen können, welchen Arten es gut oder schlecht geht, da müssen wir natürlich wissen, wie viele Vögel von welcher Art in den einzelnen Gärten vorkommen. Das heißt, Grundvoraussetzung ist, dass die Beobachter die Arten unterscheiden. Das ist allerdings nicht so schwierig, denn in den meisten Gärten gibt es nur etwa zehn Vogelarten, vielleicht mal 15, und nur in ganz wenigen, größeren Gärten auch mehr. Und das sind Arten, die eigentlich die meisten Leute gut unterscheiden können, und wenn mal eine Art durchs Raster fällt, ist das auch nicht weiter tragisch aufgrund der großen Stichprobenzahl, die wir bei dieser Untersuchung haben.

    Bremkamp: Ja, Amseln, Meisen, Spatzen, die kennen die meisten von uns. Was aber tun, wenn der Vogel im Garten gänzlich unbekannt ist?

    Lachmann: Grundsätzlich gibt es natürlich die Standardmethode. Man holt sich das Vogelbuch und versucht den Vogel zu bestimmen. Einfacher ist das allerdings, wenn man gleich bei uns auf der Internetseite zur "Stunde der Gartenvögel" nachguckt …

    Bremkamp: Nabu.de?

    Lachmann: Unter www.nabu.de findet man das ganz schnell. Man kann auch unter www.stundedergartenvoegel.de nachgucken, da kommt man auf die gleiche Seite, und dort gibt es Porträts von den wichtigsten und bekanntesten und häufigsten Gartenvogelarten. Und da ist dann eigentlich fast jeder unbekannte Gast auch dabei.

    Bremkamp: Stichwort Internet: was mit den Daten machen, wo hinschicken?

    Lachmann: Am liebsten wäre es uns natürlich, wenn möglichst viele Teilnehmer die Daten direkt übers Internet melden, denn das macht uns am wenigsten Arbeit und dann können wir auch möglichst kostengünstig diese Aktion durchführen. Es gibt ein Onlineformular, dort kann man die Daten eingeben, und die gehen dann direkt in die automatische aktuelle Auswertung ein, die man auch im Internet einsehen kann. Wer natürlich kein Internet hat, kann trotzdem mitmachen. Es gibt die Möglichkeit, das auf Meldecoupons zu berichten, was man gesehen hat, und an uns zu schicken. Es geht auch in einer einfachen E-Mail oder in einem Brief. Und das wird dann bei uns extra eingegeben. Es gibt auch am Samstag und am Sonntag, das sind die Tage, wo erfahrungsgemäß die meisten Leute mitmachen, die Möglichkeit, bei uns an einer Hotline-Telefonnummer anzurufen, und dann werden die Daten sofort, direkt eingegeben, über Telefon.

    Bremkamp: Und was machen Sie dann mit dieser Erhebung, mit den Zahlen?

    Lachmann: Ja, die werden alle zusammengefasst, ausgewertet, und wir können dann für jede Vogelart in jedem Landkreis und auch für jedes Bundesland und für Gesamtdeutschland ausrechnen, wie viele Vögel gleichzeitig in einem Garten im Schnitt gesehen wurden. Das ist natürlich nicht die absolute Anzahl der Vögel, die in den Gärten tatsächlich vorkommt, dafür ist die Methode nicht kompliziert genug, und das ist auch nicht unbedingt notwendig. Es reicht uns dieser durchschnittliche Wert von Vögeln, die in einem Garten gesehen werden. Und diesen Wert können wir vergleichen. Zwischen den verschiedenen Arten – also, welche Art ist häufiger, welche Art ist seltener –, wir können das vergleichen zwischen den verschiedenen Regionen – in welchen Regionen sind bestimmte Vogelarten häufiger, in welchen sind sie seltener –, und, das ist ganz besonders wichtig, zwischen den verschiedenen Jahren, also nimmt eine Vogelart zu oder ab.

    Bremkamp: Zu dieser Vogelzählung rufen Sie nicht zum ersten Mal auf – was haben Sie im Rückblick denn gelernt?

    Lachmann: Ja, wir machen das jetzt schon zum neunten Mal. 2005 ging das zum ersten Mal bundesweit los, und wir stellen hauptsächlich fest, wie die Bestandstrends der Vögel im Siedlungsraum, also in den Gärten und Parks sind. Und wir haben dort zum Beispiel festgestellt, dass die Mehlschwalbe, die einer der häufigsten Vögel in Gärten und Städten ist, sehr stark zurückgeht. Da haben wir Bestandsrückgänge in den letzten acht Jahren von 20,25 Prozent festgestellt, das ist sehr besorgniserregend. Und wir haben deswegen zum Beispiel auch schon eine Kampagne gestartet, die die Menschen darauf aufmerksam machen soll, wie man diese Vogelart schützen kann. Das ist die Kampagne "Schwalbenfreundliches Haus", und das ist auch der Sinn der ganzen Aktion: Wenn wir rauskriegen, dass eine Art besonders gefährdet ist, dann versuchen wir auch noch herauszufinden, warum das so ist, und dann entsprechende Gegenmaßnahmen zu treffen.

    Bremkamp: Schauen wir voraus – was glauben Sie, wie hat sich der lange Winter auf die Vogelpopulation ausgewirkt, wenn überhaupt?

    Lachmann: Das ist auf jeden Fall die spannende Frage der diesjährigen Aktion. Wir vermuten, dass besonders kleine Vogelarten, die nicht besonders lange ohne Nahrung auskommen, durch den extrem harten Spätwinter im März sehr stark betroffen sein könnten, und wir erwarten eigentlich Bestandseinbrüche von solchen Arten. Das wäre dann zum Beispiel der Zaunkönig oder die Blaumeise oder die Schwanzmeise. Da vermuten wir, dass diese Arten seltener werden. Die brauchen dann wieder ein paar Jahre, um ihre Bestände wieder aufzubauen, und das können wir sehr schön über die "Stunde der Gartenvögel" mitverfolgen.

    Bremkamp: Noch mal zum Schluss: Wo sollte man sich positionieren? Gibt es da von Ihrer Seite Einschränkungen, oder kann ich überall zählen, also auch über den Garten hinaus?

    Lachmann: Die Zählung bei der "Stunde der Gartenvögel" ist auf den Siedlungsraum beschränkt, wir wollen also nur etwas über die Bestandsentwicklung der Vögel im Siedlungsraum wissen, nicht direkt im Wald oder in der freien Agrarlandschaft. Natürlich, wenn man ein Haus nahe am Wald hat, ist das natürlich kein Problem, da kann man trotzdem zählen, das ist ja dann Siedlungsraum. Im Prinzip sind das dann die Gärten. Wer keinen eigenen Garten hat, der kann dann den Hinterhof nehmen oder den Garten vom Nachbarn oder einfach auch den nächstgelegenen Park.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


    Weitere Infos:

    Die große Vogelschau bei Deutschlandradio Kultur
    Die Stunde der Gartenvögel - NABU