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Wismar
Rechtsextremisten sollen auf Linken-Politiker eingestochen haben

Die Ermittlungen nach den Männern, die in Wismar einen 18-jährigen Studenten mit 17 Messerstichen verletzt haben sollen, laufen. Funktionäre der Partei "Die Linke", für die der junge Mann tätig ist, sind sich aber schon sicher, dass dieser Angriff aus dem rechtsradikalen Lager kam.

Von Silke Hasselmann | 07.01.2016
    Der Bahnhof in Wismar.
    In der Nähe des Bahnhofs soll der Überfall stattgefunden haben. (Imago / F. Scholz)
    Knapp 45.000 Menschen leben in der Hafenstadt an der mecklenburgischen Ostseeküste, darunter viele Studenten der örtlichen Fachhochschule. Zu denen zählt der Schweriner Julian Kinzel, weshalb er sich auch am Montag dieser Woche in Wismar aufgehalten hatte. Am Nachmittag jenes Tages ist er in der Nähe des Bahnhofs unterwegs, als sich ihm drei Männer in nicht guter Absicht nähern. Denn, so erzählt er es dem NDR-Nordmagazin: Schon bald beschimpfen sie ihn, etwa als "schwule Kommunistensau".
    "Anschließend sind die dann über mich hergefallen. Der eine hat dann halt ein Messer gezückt und mehrmals versucht, mich anzugreifen. Ich habe dann versucht, mich zu verteidigen. Das ist auch größtenteils gelungen."
    Was, so meint Julian Kinzel, wohl vor allem seiner dicken Winterjacke zu verdanken ist. Die habe Schlimmeres verhindert. Doch auch so sind die Spuren des Überfalls erheblich: Kinzel krempelt den rechten Ärmel hoch und zeigt etliche zentimeterlange Schnittwunden. 17 sind es insgesamt an Armen und Brust.
    "Das war eine politisch motivierte Tat aus dem rechten Lager"
    So, wie die Angreifer aussahen und die Art, wie sie ihn beschimpften - Julian Kinzel ist sich sicher, dass er es mit Rechtsradikalen zu tun hatte. Ob die Täter wussten, dass Kinzel für die Partei DIE LINKE im Schweriner Kreisvorstand arbeitet, dass er einer der Sprecher der sozialistischen Jugendorganisation "solid" ist und sich unter anderem auf Anti-Rechts-Demos in Wismar zeigt? Das ist unklar.
    Doch etliche Parteifunktionäre vom Schweriner Kreisvorsitzenden bis zum Rostocker Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch sind sicher: Das war eine politisch motivierte Tat aus dem rechten Lager. Solche Taten hätten voriges Jahr auch in Mecklenburg-Vorpommern erheblich zugenommen.
    Was sagt die Polizei? "Im Moment schließen wir es nicht aus, dass es eine politisch motivierte Tat gewesen sein könnte. Aber auch dazu fehlen uns noch weitere Erkenntnisse", sagt Isabel Wenzel, Sprecherin des Polizeipräsidiums Rostock. Dessen Abteilung Staatsschutz konnte die Ermittlungen erst einen Tag nach der Attacke aufnehmen, weil erst dann eine Anzeige eingegangen war.
    "Wir dürfen auf solche Attacken nicht mit Radikalisierung antworten."
    Warum nicht gleich? "Handy-Akku leer", erklärt Julian Kinzel, und dass er direkt nach dem Überfall mit seinen Verletzungen in die Notaufnahme gegangen sei. "Verständlich", sagt die Polizei. Aber: "Wir hätten die Möglichkeit gehabt, die Täter vielleicht noch vor Ort anzutreffen. Wir hätten auch Zeugen antreffen können. Wir hätten Tatort-Arbeit dort machen können."
    Bis jetzt gebe es keine heiße Spur, so das Polizeipräsidium auf Nachfrage. Julian Kinzel konnte unterdessen das Krankenhaus verlassen. Per Pressemitteilung erklärte der linke Nachwuchspolitiker: "Wir dürfen auf solche Attacken nicht mit Radikalisierung antworten." Und er sagt: "Ich hab sehr großes Vertrauen in die Polizei, dass die das aufklärt. Ich habe mir außerdem vorgenommen, nicht irgendwie Angst zu haben, weil - Angst und Weggucken ist keine Lösung. Im Gegenteil. So was provoziert noch mehr solche Straftaten."