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Zukunft des Fußballs
"Wir stehen vor einer Neuordnung des Systems Fußball"

Durch die Corona-Pandemie sei das globale Fußballsystem erschüttert worden, sagte Zukunftsforscher Sascha Schmidt vom Center for Sports and Management an der WHU in Düsseldorf im Dlf. Der Sport sei auf eine solche Situation nicht vorbereitet. Das könnte zu einem grundsätzlichen Umdenken führen.

Sascha Schmidt im Gespräch mit Matthias Friebe | 05.04.2020
Professor Sascha Schmidt, Leiter des Center for Sports and Management in Düsseldorf, beim Gespräch im Deutschlandfunk-Studio.
Professor Sascha Schmidt, Leiter des Center for Sports and Management in Düsseldorf. (Deutschlandradio - Jessica Sturmberg)
Wie verändert das Coronavirus den Sport, wie könnte die Fußballwelt nach der Krise aussehen? Prof. Sascha Schmidt widmet sich der "Zukunft des Sports" als einem seiner zentralen Forschungsschwerpunkte. Er ist Professor, Lehrstuhlinhaber und Leiter des Center for Sports and Management (CSM) an der WHU – Otto Beisheim School of Management am Standort Düsseldorf. Im Dlf-Sportgespräch sagte der Wirtschaftswissenschaftler, der auch mit der Universität Harvard kooperiert, dass auch der Fußball von einer fundamentalen Umstrukturierung betroffen sei. Dort gelte dasselbe, was man auch in der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung beobachten könne.
Im Moment sei es schwer, seriöse Prognosen abzugeben, "weil wir uns im absoluten Ausnahmezustand befinden, und man spricht auch von der höchsten Stufe der Unsicherheit." So könne man beispielsweise noch nicht absehen, ob es Geisterspiele gebe oder nicht. "Davon hängen etwa 750 Millionen Euro an potenziellem Umsatz für die Klubs ab." Die Deutsche Fußball-Liga reagiere mit verschiedenen Mitteln auf den Ausnahmezustand. Sie verzichtet zum Beispiel auf die sonst übliche und obligatorische Liquiditätsprüfung beim Lizenzierungsverfahren im Sommer, um auch den Klubs etwas mehr Handlungsspielraum zu geben - zumindest kurzfristig. Das seien wichtige Maßnahmen, denn "wenn es diese Lockerungen nicht gäbe, dann ist die Frage, mit wie vielen Klubs man überhaupt noch in die Saison gehen würde."
Keine Absicherung für Systemrisiken
Schmidt erklärte, dass diese Maßnahmen von der DFL dazu getroffen worden seien, damit Klubs nicht dafür bestraft werden, unverschuldet in Insolvenz geraten zu sein. Der DFL gelänge eine sehr gute Krisenkommunikation, so Schmidt. "Herr Seifert [Anm. d. Red.: Christian Seifert ist der Geschäftsführer der DFL] hat von vorneherein transparent gemacht, dass es hier ums Überleben der Fußball-Bundesligisten geht. Es war also keine Salamitaktik."
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Weder die DFL noch die Klubs hätten in der Vergangenheit entsprechende Reserven aufgebaut, um so einer historischen krisenhafte Situation gewachsen zu sein. Und das sei nicht mal ein Versäumnis, denn die DFL habe die Aufgabe, möglichst viele Mittel, die sie einnimmt, aus der Zentralvermarktung an die Klubs wieder auszuschütten. "Also es ist gar nicht als Geschäftszweck vorgesehen, diese entsprechenden Puffer zu schaffen. Es hat vielleicht auch niemand so wirklich auf dem Schirm gehabt, sich gegen solche Systemrisiken entsprechend abzusichern."
Blasenbildung schon vor Coronakrise
Wirtschaftswissenschaftler Schmidt erklärte, dass Experten schon vor Corona von einer möglichen Blasenbildung im Fußball gesprochen hätten, einer Entwicklung, ähnlich wie man es an den Finanz- und Immobilienmärkten zuvor auch gesehen habe. Er vermutet, dass es nach der Coronakrise eine "Neuordnung des Systems" geben werde - "weil durch die Pandemie eben nicht nur ein Klub, eine Liga, ein Land oder eine Region betroffen ist, sondern wirklich das globale Fußballsystem erschüttert wurde."
Diese Neuordnung könne eine Begrenzung von Gehältern, von Transfersummen und von Beraterhonoraren beinhalten. Es sei an der Zeit, darüber nachzudenken, ob es für sowas Obergrenzen gebe, sagte Schmidt. "Ob es strengere Eigenkapitalvorschriften gibt für die Klubs. Ob man die Lizenzierungsbedingungen dahingehend anpasst. Das Problem nur hierbei ist auch, dass wir das immer im internationalen Kontext sehen müssen." Im Moment gehe es vor allen Dingen um lebensrettende Sofortmaßnahmen, die man ergreift, um sicherzustellen, dass auch die nächste Saison noch mit 18 Bundesligaklubs stattfinde. Er denke aber, dass die Krise zu einem "grundsätzlichen Umdenken anregen könnte."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.