Manfred Götzke: Es gibt Regeln und Gesetze im deutschen Bildungswesen, die sind mit Logik nicht zu erklären, eine heißt Kooperationsverbot: Das besagt, dass der Bund mit den Ländern in der Bildungspolitik nicht kooperieren darf, also die Länder bei der Bildung nicht finanziell unterstützen kann. Weil viele Bundesländer finanziell aber noch viel näher am Abgrund stehen als der Bund, fehlt es bei der Hochschulfinanzierung an allen Ecken – wie gestern ja auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung deutlich gemacht hat: Laut ihrem Bildungsbericht gibt Deutschland gemessen am Bruttoinlandsprodukt viel weniger für Bildung aus als der Durchschnitt der Industriestaaten. Wenn es nach Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch geht, muss das in Zukunft nicht mehr so sein, er will nämlich jetzt das Kooperationsverbot abschaffen. Herr Heubisch, warum wollen Sie Ihre Macht an Bundesforschungsministerin Schavan abgeben?
Wolfgang Heubisch: Ja, das geht jetzt hier nicht um Macht abgeben, sondern das geht um eine vernünftige Mitfinanzierung des Bundes, denn über eins sind wir uns glaube ich alle klar: dass wir die Finanzierung der Hochschulen nachhaltig verbessern müssen.
Götzke: Allerdings wird der Bund wohl kaum mehr Geld geben, wenn er nicht auch mehr Einfluss auf die Forschungspolitik und auf die Universitäten erhält.
Heubisch: Na gut, das macht er ja heute bereits, indem er Geld massiv in die außeruniversitären Forschungseinrichtungen bezüglich Vorhaben herein gibt und dort natürlich auch entsprechend agiert, und ich bin der Auffassung, wir sollten ihm die Möglichkeit geben, institutionell bei den Hochschulen sich zu beteiligen, sodass da nachhaltig eine bessere Finanzierung bei nicht allen Hochschulen, aber bei ausgewählten Hochschulen dann passieren und erfolgen kann.
Götzke: Wie viel Geld fehlt Bayern, um die Hochschulen zu finanzieren?
Heubisch: Wir sind wunderbar finanziert im Augenblick, also von bayrischer Seite aus kann ich nicht klagen. Wir machen beides: Wir finanzieren sowohl die außeruniversitären als auch unsere eigenen Hochschulen. Wir haben ja gerade den doppelten Abiturjahrgang, wir haben 38.000 Studienplätze aufgebaut, und so wie das jetzt aussieht, werde ich auch nächstes Jahr noch mal an die 10.000 weitere Studienplätze rangehen und auch die finanzieren können.
Götzke: Sie sorgen sich also nur um die anderen Bundesländer?
Heubisch: Nein, das nicht, da habe ich natürlich schon auch Eigeninteresse. Ich habe ein Interesse daran, dass der Forschungsstandort, dass der Lehrstandort Bundesrepublik Deutschland international auch an Reputation gewinnt, denn ohne internationale Ausrichtung werden wir unsere Rolle in der Welt, dann letztlich auch in der Wirtschaft, nicht spielen können.
Götzke: Das sogenannte Kooperationsverbot steht ja im Grundgesetz, das verbietet ja, dass der Bund sich institutionell an den Hochschulen beteiligen kann, sie finanzieren kann. Es hat sich bisher ja noch kaum einer an das Thema gewagt, weil es schwer ist, das aus dem Grundgesetz zu streichen. Wie wollen Sie das nun machen?
Heubisch: Ich will es eigentlich nur durch die Einfügung von zwei Wörtern erweitern, das ist nämlich der 91 b Absatz eins die Ziffer zwei, wo von den Vorhabenfinanzierungen bei den Hochschulen die Rede ist, und da hätte ich noch gern "und Einrichtungen" – und wenn wir die beiden Wörter mit einfügen, dann würde das heißen, der Bund darf sich auch institutionell an ausgewählten Hochschulen beteiligen.
Götzke: Aber auch diese zwei Wörter wären eine Verfassungsänderung.
Heubisch: Das ist eine Verfassungsänderung, aber man muss ja mal die Diskussion eröffnen hier. Eine andere Möglichkeit wäre unter Umständen ein Staatsvertrag, aber ich glaube, das ist unrealistisch, genauso unrealistisch wie eine Umsatzsteuer-Punkteausweitung, die wir ja auch zu Beginn gefordert haben und wo wir ja eine deutliche Absage durch den Bund erhalten haben.
Götzke: Ihr Kabinettskollege Spaenle, der hält ja die unrealistische Lösung für realistischer, den Staatsvertrag.
Heubisch: Das ist natürlich ein Unterschied, ob ich jetzt den Schulbereich betrachte oder den Hochschulbereich. Ich glaube, dass der Hochschulbereich hier etwas einfacher, in Anführungszeichen, zu handeln ist. Ich habe auch das Gefühl, dass die Aufgeschlossenheit gegenüber einer derartigen Grundgesetzänderung in vielen Parteien auch konsensfähig wäre.
Götzke: Gestern wurde der OECD-Bericht "Bildung auf einen Blick" präsentiert, der Anteil der Hochqualifizierten hat sich laut dem Bericht in den vergangenen 30, 40 Jahren kaum verändert. Das ist für Deutschland ziemlich peinlich, würde ich sagen. Braucht Bayern, brauchen die Länder deswegen mehr Geld, um die Akademikerquote zu erhöhen?
Heubisch: Ja, die Akademikerquote haben wir natürlich auch jetzt schon nachhaltig gesteigert.
Götzke: Von 2,46 Millionen Akademikern in den 50er-, 60er-Jahren auf 2,48 – das ist nicht so viel.
Heubisch: Ja, man muss auch sehen, dass hier ... Gerade in Bayern wird natürlich durch den doppelten Abiturjahrgang jetzt 2010 – die Zahlen fließen ja nicht in den Bericht ein – ganz massiv der Anstieg auch deutlich werden.
Götzke: Das ist ja nur ein einmaliger Effekt, entschuldigen Sie.
Heubisch: Das ist kein einmaliger Effekt, denn die Studierenden laufen ja weiter, wir wissen ja für Bayern, dass dieser Zuzugseffekt bei Bayern nachhaltig anhalten wird, sodass wir bis 2025 einen erheblichen Zuwachs an Studenten haben werden, und wir werden dort – ich sagte es vorher – 10.000 Studienplätze im nächsten Jahr weiter finanzieren. Also wir stellen uns unserer Verantwortung. Ein Zweites: Sekundarstufe II, sozusagen berufliche Ausbildung, ist in vielen OECD-Ländern eine akademische Ausbildung, da muss man schon mal genau hinsehen, ob da nicht auch ein erheblicher Prozentsatz dann eigentlich auch bei uns dem akademischen Bereich zuzurechnen ist.
Götzke: Damals lag Deutschland mit dem Akademikeranteil unter den Industriestaaten noch vorn, heute ist es im unteren Drittel der Industrieländer. Auch wenn Sie jetzt sagen, das hängt so ein bisschen mit unterschiedlichen Rechenweisen zusammen – was ist da falsch gelaufen in Deutschland?
Heubisch: Ja, ich will das gar nicht beschönigen. Wir haben zu sehr in der Vergangenheit eine Akademikerelite gepflegt und haben so eine Art Closed-Job-Politik gemacht, das gebe ich gerne zu. Aber ich kann jetzt immer nur für den Freistaat sprechen: Wir haben ganz massiv geöffnet die Hochschulen für Meister, für Leute mit beruflichen Abschlüssen, wir haben die berufsbegleitenden Studien eingeführt – also da wird jetzt ein Schwung kommen, der sich natürlich dann auch in den Zahlen der OECD niederschlagen wird. Wir machen unsere Hausaufgaben und ich stelle mich auch dem. Ich glaube, wir sind trotz aller Probleme auf einem guten Weg, und dass wir da natürlich nicht von einem Tag auf den anderen vom, ja, ich sage mal, vom Mittelfeld zur Spitze gelangen können, ist klar, aber ich nehme die Herausforderung an und ich nehme die Anmerkungen der OECD sehr ernst.
Götzke: Letztlich geht es ja um Geld. 2008 – das sind die jüngsten Zahlen, die die OECD präsentiert hat – hat Deutschland 4,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Bildung ausgegeben, der OECD-Schnitt lag damals bei knapp sechs Prozent.
Heubisch: Ja, das ist ein deutlicher Hinweis: Wir werden uns als Bildungspolitiker insgesamt über Parteigrenzen hinweg deutlich positionieren müssen und die Forderungen aufstellen müssen, dass vor allem bei der Lehre mehr Geld, wie man so schön sagt, ins System muss, und das wird eine Herkulesaufgabe. Aber ich muss auch sagen, die Bevölkerung erkennt gerade in den Hochschulen, dass die Lehre an den Hochschulen für die Zukunft Deutschlands eminent wichtig ist. Und diesen Weg werde ich massiv weiterverfolgen, auch in meiner Eigenschaft natürlich als Mitglied der KMK und der GWK.
Götzke: Herr Heubisch, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Heubisch: Ja, gerne geschehen!
Götzke: Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch will das Kooperationsverbot abschaffen, damit der Bund mehr Geld für Bildung ausgeben kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wolfgang Heubisch: Ja, das geht jetzt hier nicht um Macht abgeben, sondern das geht um eine vernünftige Mitfinanzierung des Bundes, denn über eins sind wir uns glaube ich alle klar: dass wir die Finanzierung der Hochschulen nachhaltig verbessern müssen.
Götzke: Allerdings wird der Bund wohl kaum mehr Geld geben, wenn er nicht auch mehr Einfluss auf die Forschungspolitik und auf die Universitäten erhält.
Heubisch: Na gut, das macht er ja heute bereits, indem er Geld massiv in die außeruniversitären Forschungseinrichtungen bezüglich Vorhaben herein gibt und dort natürlich auch entsprechend agiert, und ich bin der Auffassung, wir sollten ihm die Möglichkeit geben, institutionell bei den Hochschulen sich zu beteiligen, sodass da nachhaltig eine bessere Finanzierung bei nicht allen Hochschulen, aber bei ausgewählten Hochschulen dann passieren und erfolgen kann.
Götzke: Wie viel Geld fehlt Bayern, um die Hochschulen zu finanzieren?
Heubisch: Wir sind wunderbar finanziert im Augenblick, also von bayrischer Seite aus kann ich nicht klagen. Wir machen beides: Wir finanzieren sowohl die außeruniversitären als auch unsere eigenen Hochschulen. Wir haben ja gerade den doppelten Abiturjahrgang, wir haben 38.000 Studienplätze aufgebaut, und so wie das jetzt aussieht, werde ich auch nächstes Jahr noch mal an die 10.000 weitere Studienplätze rangehen und auch die finanzieren können.
Götzke: Sie sorgen sich also nur um die anderen Bundesländer?
Heubisch: Nein, das nicht, da habe ich natürlich schon auch Eigeninteresse. Ich habe ein Interesse daran, dass der Forschungsstandort, dass der Lehrstandort Bundesrepublik Deutschland international auch an Reputation gewinnt, denn ohne internationale Ausrichtung werden wir unsere Rolle in der Welt, dann letztlich auch in der Wirtschaft, nicht spielen können.
Götzke: Das sogenannte Kooperationsverbot steht ja im Grundgesetz, das verbietet ja, dass der Bund sich institutionell an den Hochschulen beteiligen kann, sie finanzieren kann. Es hat sich bisher ja noch kaum einer an das Thema gewagt, weil es schwer ist, das aus dem Grundgesetz zu streichen. Wie wollen Sie das nun machen?
Heubisch: Ich will es eigentlich nur durch die Einfügung von zwei Wörtern erweitern, das ist nämlich der 91 b Absatz eins die Ziffer zwei, wo von den Vorhabenfinanzierungen bei den Hochschulen die Rede ist, und da hätte ich noch gern "und Einrichtungen" – und wenn wir die beiden Wörter mit einfügen, dann würde das heißen, der Bund darf sich auch institutionell an ausgewählten Hochschulen beteiligen.
Götzke: Aber auch diese zwei Wörter wären eine Verfassungsänderung.
Heubisch: Das ist eine Verfassungsänderung, aber man muss ja mal die Diskussion eröffnen hier. Eine andere Möglichkeit wäre unter Umständen ein Staatsvertrag, aber ich glaube, das ist unrealistisch, genauso unrealistisch wie eine Umsatzsteuer-Punkteausweitung, die wir ja auch zu Beginn gefordert haben und wo wir ja eine deutliche Absage durch den Bund erhalten haben.
Götzke: Ihr Kabinettskollege Spaenle, der hält ja die unrealistische Lösung für realistischer, den Staatsvertrag.
Heubisch: Das ist natürlich ein Unterschied, ob ich jetzt den Schulbereich betrachte oder den Hochschulbereich. Ich glaube, dass der Hochschulbereich hier etwas einfacher, in Anführungszeichen, zu handeln ist. Ich habe auch das Gefühl, dass die Aufgeschlossenheit gegenüber einer derartigen Grundgesetzänderung in vielen Parteien auch konsensfähig wäre.
Götzke: Gestern wurde der OECD-Bericht "Bildung auf einen Blick" präsentiert, der Anteil der Hochqualifizierten hat sich laut dem Bericht in den vergangenen 30, 40 Jahren kaum verändert. Das ist für Deutschland ziemlich peinlich, würde ich sagen. Braucht Bayern, brauchen die Länder deswegen mehr Geld, um die Akademikerquote zu erhöhen?
Heubisch: Ja, die Akademikerquote haben wir natürlich auch jetzt schon nachhaltig gesteigert.
Götzke: Von 2,46 Millionen Akademikern in den 50er-, 60er-Jahren auf 2,48 – das ist nicht so viel.
Heubisch: Ja, man muss auch sehen, dass hier ... Gerade in Bayern wird natürlich durch den doppelten Abiturjahrgang jetzt 2010 – die Zahlen fließen ja nicht in den Bericht ein – ganz massiv der Anstieg auch deutlich werden.
Götzke: Das ist ja nur ein einmaliger Effekt, entschuldigen Sie.
Heubisch: Das ist kein einmaliger Effekt, denn die Studierenden laufen ja weiter, wir wissen ja für Bayern, dass dieser Zuzugseffekt bei Bayern nachhaltig anhalten wird, sodass wir bis 2025 einen erheblichen Zuwachs an Studenten haben werden, und wir werden dort – ich sagte es vorher – 10.000 Studienplätze im nächsten Jahr weiter finanzieren. Also wir stellen uns unserer Verantwortung. Ein Zweites: Sekundarstufe II, sozusagen berufliche Ausbildung, ist in vielen OECD-Ländern eine akademische Ausbildung, da muss man schon mal genau hinsehen, ob da nicht auch ein erheblicher Prozentsatz dann eigentlich auch bei uns dem akademischen Bereich zuzurechnen ist.
Götzke: Damals lag Deutschland mit dem Akademikeranteil unter den Industriestaaten noch vorn, heute ist es im unteren Drittel der Industrieländer. Auch wenn Sie jetzt sagen, das hängt so ein bisschen mit unterschiedlichen Rechenweisen zusammen – was ist da falsch gelaufen in Deutschland?
Heubisch: Ja, ich will das gar nicht beschönigen. Wir haben zu sehr in der Vergangenheit eine Akademikerelite gepflegt und haben so eine Art Closed-Job-Politik gemacht, das gebe ich gerne zu. Aber ich kann jetzt immer nur für den Freistaat sprechen: Wir haben ganz massiv geöffnet die Hochschulen für Meister, für Leute mit beruflichen Abschlüssen, wir haben die berufsbegleitenden Studien eingeführt – also da wird jetzt ein Schwung kommen, der sich natürlich dann auch in den Zahlen der OECD niederschlagen wird. Wir machen unsere Hausaufgaben und ich stelle mich auch dem. Ich glaube, wir sind trotz aller Probleme auf einem guten Weg, und dass wir da natürlich nicht von einem Tag auf den anderen vom, ja, ich sage mal, vom Mittelfeld zur Spitze gelangen können, ist klar, aber ich nehme die Herausforderung an und ich nehme die Anmerkungen der OECD sehr ernst.
Götzke: Letztlich geht es ja um Geld. 2008 – das sind die jüngsten Zahlen, die die OECD präsentiert hat – hat Deutschland 4,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Bildung ausgegeben, der OECD-Schnitt lag damals bei knapp sechs Prozent.
Heubisch: Ja, das ist ein deutlicher Hinweis: Wir werden uns als Bildungspolitiker insgesamt über Parteigrenzen hinweg deutlich positionieren müssen und die Forderungen aufstellen müssen, dass vor allem bei der Lehre mehr Geld, wie man so schön sagt, ins System muss, und das wird eine Herkulesaufgabe. Aber ich muss auch sagen, die Bevölkerung erkennt gerade in den Hochschulen, dass die Lehre an den Hochschulen für die Zukunft Deutschlands eminent wichtig ist. Und diesen Weg werde ich massiv weiterverfolgen, auch in meiner Eigenschaft natürlich als Mitglied der KMK und der GWK.
Götzke: Herr Heubisch, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Heubisch: Ja, gerne geschehen!
Götzke: Bayerns Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch will das Kooperationsverbot abschaffen, damit der Bund mehr Geld für Bildung ausgeben kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.