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125 Jahre Elektroingenieur

"Wir haben vor 125 Jahren den Elektroingenieur erfunden." Das sagt selbstbewusst die Uni Darmstadt von sich, wo einst der erste Lehrstuhl für Elektrotechnik eingerichtet wurde. Die Hochschule feiert ihre erfolgreiche Erfindung zum Jubiläum mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen vor allem im Herbst. Den morgigen, bundesweiten Tag der Technik lässt man sich im Fachbereich Elektrotechnik aber auch nicht entgehen.

Von Ludger Fittkau |
    Was sich wie ein Presslufthammer anhört, hat tatsächlich ein wenig damit zu tun:

    " Das ist ein pneumatischer Antrieb! "

    Der aber nicht mit Wucht den Asphalt bricht, sondern ganz zivil in einem Seminarraum der TU-Darmstadt installiert ist- eine Versuchsanordnung. Um die Maschine herum sitzen sechs Studierende, fünf Männer und eine Frau. Sie notieren auf Papier und Laptops, wie der Antrieb funktioniert. Die Beobachter sind Teilnehmer des Regelungstechnik-Praktikums I der Darmstädter Elektrotechnik. Aufsicht hat Doktorand Alexandro Lopez, der aus Oviedo in Spanien stammt:

    " Es ist wirklich was anderes, hier in so einer Universität zu sein oder besser gesagt in so einem Fachbereich, der so alt ist, also 125 Jahre, das ist eine Menge Zeit für einen Ingenieur, würde ich sagen. "

    Erasmus Kittler hieß der Wissenschaftler, der vor genau 125 Jahren auf den weltweit ersten Lehrstuhl für Elektrotechnik berufen wurde. Die Verbindung von Physik und Maschinenbau war neu, so Andreas Göller, der Archivar der Technischen Universität Darmstadt:

    " Vorher gab es keinen Lehrstuhl, der in dieser Form als Elektrotechnik beide Bereiche vereinbarte, sondern eben nur physikalische oder eben Maschinenbau-Lehrstühle, wie es dann auch weiter bis 1895 an den anderen Hochschulen geblieben ist. "
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    Mehr als ein Jahrzehnt blieb also die damalige TH Darmstadt die einzige Hochschule hierzulande mit einem Elektrotechnik-Lehrstuhl. Die ersten Schüler des Erasmus Kittler kamen deshalb aus ganz Europa. Auch die Darmstädter Stadtöffentlichkeit war an dem neuen Fach sehr interessiert. Noch bevor sich die ersten Studenten in dem Fach einschrieben, füllte Kittler die Hörsäle mit

    Vorträgen für die Bildungsbürger und den Adel der Residenzstadt:

    " Dass Interesse war sehr stark und nachdem dann erst mal die Elektrotechnik sich etwas etabliert hatte, war natürlich auch die nützliche Auswirkung für die Stadt ein großes Thema. So hat Darmstadt dann 1888 maßgeblich unter Kittlers Beteiligung und seiner politischen Fürsprache sein Elektrizitätswerk bekommen, das er wesentlich mitgeplant und gestaltet und bei dem er auch die nützliche Verwendung des Lichtes im Theater durchgesetzt hat. "

    Das Gaslicht wird am Ende des 19. Jahrhunderts dann nicht nur im Theatersaal durch die Glühbirne ersetzt. Überall im Land bahnt sich die Elektrifizierung ihren Weg. Erasmus Kittler geht mit seinen Studenten in ganz Europa auf Exkursion, um die Neuerungen zu betrachten:

    " Was auf jeden Fall besonders war: seine Art der Studiengestaltung. Kittler hat das von dem Technikhistoriker Wolfgang König so bezeichnete `Darmstädter Modell´ entwickelt, das einen sehr starken Praxisbezug beinhaltete. Man sieht ihn schon im zweiten Jahre seiner Tätigkeit auf diversen Exkursionen durchs Land reisen, er schaut sich Eisenbahnen an, die zum ersten Mal mit elektrischer Energie betrieben werden, er schaut sich Kraftwerke an, er ist interessiert an allem, was die Elektrizität insgesamt bewegen kann. Seine Studenten fahren nach Paris zur Weltausstellung, seine Studenten besuchen Betriebe im In- und Ausland. Aus diesem Grunde ist er einer dieser Vorreiter von Studiengestaltung, wie wir sie heute eigentlich noch kennen. "

    Vor 125 Jahren war die Elektrotechnik noch eine reine Männerdomäne. Das ändert sich heute langsam, in Darmstadt auch durch die Aktivitäten der Diplom-Ingenieurin Silke Klose, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich. Sie ermutigt vor allem Mädchen, das Studium aufzunehmen:

    " Es gibt so Schnuppertage für Mädchen, da war ich selbst auch, als ich in der 11. Klasse war und es hat mir schon sehr geholfen, es war auch sehr interessant, weil es nur von Frauen organisiert wurde und da hat man sich auch eher getraut, Fragen zu stellen. Aber ich muss generell sagen, es wundert mich schon das das eigentlich viel zu wenig Frauen machen, wenn man nach Russland geht oder China, da ist es sehr ausgeglichen und es ist ein superinteressantes Feld, die Leute sind sehr nett, also ich kann es eigentlich nur jedem weiterempfehlen, das auch zu studieren. "

    Spaß an lauten Maschinen sollte frau jedoch schon mitbringen - und ebenso Lust auf Computerarbeit. Denn nicht nur beim Regelungstechnik-Praktikum ist der Rechner heutzutage immer dabei. 125 Jahre nach der Erfindung der Elektrotechnik sehen die Ingenieurs-Doktoranden Silke Klose und Alexandro Lopez die Zukunft des Faches in der Verbindung von Mechanik und Informatik:

    " Im Moment ist das Thema Mechatronik ziemlich heiß, es ist so eine Verbindung zwischen Mechanik und Elektronik, dass ist ein Studium, das Zukunft hat im Moment. "