Freitag, 10. Mai 2024

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200 Tote in Togo

Der togolesische Oppositionspolitiker Etienne Dablé hat eindringlich auf die unsichere Lage in seinem Land hingewiesen. Nach der Bekanntgabe des Wahlergebnisses zugunsten des Sohnes von Ex-Diktator Eyadéma, habe das Volk protestiert und sei vom Militär brutal gestoppt worden. Dablé sprach von mindestens 200 Toten und fürchtet nun, dass die Opposition zu "illegalen Mitteln" greifen werde.

Moderation: Friedbert Meurer | 04.05.2005
    Friedbert Meurer: Im westafrikanischen Land Togo haben Vermummte letzten Freitag das deutsche Goethe-Institut in Brand gesteckt. Seitdem fordert das Auswärtige Amt die 300 Deutschen in Togo auf, das Land zu verlassen. Hintergrund ist die Art und Weise, wie sich der Sohn des verstorbenen Diktators Eyadéma an die Macht bringen will, nämlich nach Ansicht vieler mit der Manipulation der Präsidentschaftswahlen, und da scheinen offenbar die Deutschen zu stören. Gestern Abend hat das oberste Verfassungsgericht nun das Ergebnis der Wahl gebilligt, 60 Prozent für Gnassingbé, den Sohn des Ex-Diktators. Am Telefon in Hamburg begrüße ich nun Etienne Dablé, Mitglied der Opposition Togos. Herr Dablé, was sagen Sie zur Entscheidung des obersten Verfassungsgerichts?

    Etienne Dablé: Die Entscheidung überrascht mich persönlich nicht. Das überrascht auch unsere Kollegen nicht, weil dieses Verfassungsgericht den Putsch von Gnassingbé vor ein paar Monaten nach dem Tod seines Vaters bestätigt hat. Deswegen haben wir damals gefordert, dass wir eine längere Übergangszeit brauchen, um Institutionen wie diese neu zu besetzen, bevor man zur Wahl geht. Aber da die Regierung Togos und seine Unterstützer, Präsident Chirac in Frankreich, das anders wollen, haben sie die Wahlen in der Eile gemacht. Das Ergebnis, wie gesagt, überrascht uns nicht, und die Bestätigung durch das Verfassungsgericht überrascht uns auch nicht.

    Meurer: Warum kritisieren Sie die französische Haltung?

    Dablé: Ich kritisiere die französische Haltung, weil der ehemalige französische Integrationsminister, der auch aus Togo stammt, Herrn Chirac im Ellyseepalast besucht und ihn aufgefordert hat, die Demokratie in Togo zu unterstützen. Herr Chirac hat ihm wörtlich gesagt, es fiele ihm schwer, den Sohn seines Freundes nicht zu unterstützen.

    Meurer: Wie erfreut sind Sie umgekehrt über die Politik der Bundesregierung?

    Dablé: Wir sind sehr erfreut über die Politik der Bundesregierung in Togo. Das Volk begrüßt sehr die Politik der Bundesregierung seit geraumer Zeit. Seit Beginn des Demokratisierungsprozesses hat sich die Bundesregierung auf die Seite des Volkes gestellt, und die so genannte "deutsche Hetze", von der einige Zeitungen in Deutschland fälschlicherweise berichten, wird nicht vom togolesischen Volk betrieben, sondern vom Interimspräsidenten Abbas Bonfoh und vom Innenminister. Diese Hetze wird von diesen beiden Personen betrieben. Deswegen müssen sie vor Gericht gestellt werden.

    Meurer: Welche Rolle spielt es, dass der ehemalige Innenminister Francois Boko in der deutschen Botschaft in Lomé Zuflucht gefunden hat?

    Dablé: Francois Boko spielt eine sehr wichtige Rolle. Er hat als Innenminister die Verwaltung des Wahlapparates, und dieser hat 48 Stunden vor den Wahlen eine Botschaft an die internationale Gemeinschaft und an die Regierung in Togo geschickt und gesagt, es gibt ein Massaker in Vorbereitung und wir möchten das nicht verantworten. Deswegen appelliert er an einen politischen Konsens, die Verschiebung des Wahltermins, bevor man zur Wahl geht. Man hat ihn sofort vom Amt enthoben, und er muss jetzt um sein Leben fürchten.

    Meurer: Sie haben zu Beginn vor unserem Gespräch erzählt, dass Sie mit Ihrer Heimat telefoniert haben, mit Leuten in Lomé. Wie ist die Situation dort? Was haben Sie da erfahren?

    Dablé: Die Situation in den letzten Tagen in Lomé ist schrecklich. Die Wahlen sind schlecht abgelaufen. Wahlordner sind vorher gestoppt worden, Leute haben mehrfach gewählt, und am Wahltag, am 24. April, am Abend ist das Militär in die Wahllokale mit Maschinengewähren gegangen und hat auf die Leute geschossen. Es gab mehrere Tote und Verletzte. Die Wahlurnen wurden vom Militär beschlagnahmt, in Militärcamps gebracht, und dort wurden die Wahlzettel gezählt. Nach Bekanntgabe des Ergebnisses hat das Volk protestiert, und das Militär ist sehr brutal vorgegangen, hat auf die Leute geschossen. Seit Dienstag vergangener Woche hat es in mehreren Großstädten Togos, besonders in Lomé, Massaker gegeben. Alle Telekommunikationsvorrichtungen wurden abgeschaltet, das Mobilfunknetz, das Festnetz, alle Radios, sowohl private als auch Auslandsradios wie die Deutsche Welle konnten in Togo nicht mehr empfangen werden.

    Meurer: Wie kann die Lösung aussehen? Glauben Sie, dass die Opposition eine Chance hat?

    Dablé: Ich glaube, erst mal die Bestätigung des Putsches von Faure Gnassingbé, der ein Verfassungsbruch war, und gestern die Bestätigung durch das Verfassungsgericht der gefälschten Wahlen, ist eine Botschaft an uns Togolesen, die heißt, alle legalen Wege, an die Macht zu kommen, sind ausgeschöpft. Das heißt, wenn die Togolesen jetzt einen Machtwechsel in Togo wollen, dann müssen sie zu illegalen Mitteln greifen.

    Meurer: Also die Opposition greift zu den Waffen?

    Dablé: Das würde ich nicht so sagen, aber so interpretiere ich die Haltung der Regierung in Togo und so interpretiere ich auch die Haltung der internationalen Gemeinschaft, weil diese Gemeinschaft, die afrikanische Union, die EU und die UNO alle geschwiegen haben.

    Meurer: Das läuft jetzt auf ein Blutvergießen hinaus?

    Dablé: Das Blutvergießen ist schon im Gange. Innerhalb von drei, vier Tagen haben wir über 200 Tote landesweit gehabt, und keiner hat darüber berichtet oder darüber berichten wollen. Wir haben jetzt in den letzten über 20.000 Flüchtlinge, die in nach Ghana oder Benin gehen, weil ein Massaker im Lande verübt wird.

    Meurer: Besten Dank für das Gespräch.