Als Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen wurde er am 11. Mai 1720 auf einem Gutshof in Bodenwerder in Niedersachsen geboren. Hier verbrachte er auch seinen Lebensabend, erzählte im privaten Kreis Geschichten aus dem russisch-österreichischen Krieg gegen das Osmanenreich. Aber da hören die Gemeinsamkeiten zwischen historischer Figur und literarischer Gestalt auch schon auf.
Münchhausen und die Aufklärung
Der erste Münchhausen-Autor war ein Mann der deutschen Aufklärung, er hieß Rudolf Erich Raspe (1736-1794). Raspe war wegen eines Diebstahls geflohen, in London in Geldnöte geraten, und er veröffentlichte zwischen 1785 und 1792 zwei Bände mit den Geschichten des Lügenbarons, denen er in Deutschland gelauscht hatte: "Baron Munchausens Narrative of His Marvellous Travels and Campaigns in Russia." Sie stehen in der Tradition des satirischen Erzählens eines Jonathan Swift und prangern viele zeitgenössische Umstände an, so auch die Sklaverei.
Im zweiten Band besteigt Münchhausen ein Schiff, das von so genannten "Negroes" gesteuert wurde. Sie hatten weiße Sklaven verladen und waren auf dem Weg in die Antarktis. Später werden die weißen Sklaven über Bord geworfen: "Das ist eine ganz einfache Umkehrung der Verhältnisse und spielt an auf einen aktuellen Fall, da hat der Kapitän eines Sklavenschiffs gemerkt, dass zu wenige Lebensmittel an Bord waren, und er hat die Sklaven über Bord geworfen", erklärt der Literaturwissenschaftler Stefan Howald im Deutschlandfunk.
Howald hat drei "historische Schichten und Epochen" in diesen Geschichten gefunden: Münchhausen als Krieger und Jäger ist der Adelige, der feudale Gutsherr. "Dieser geht noch am ehesten auf den realen Münchhausen zurück." Als Entdecker ist er der Mann der Aufklärung, "da geht es um technische Entdeckungen, um den Flug mit Ballons, um künstliche Flugzeuge und um Kanalbauten an Orten, an denen später wirklich Kanäle gebaut wurden." Drittens gibt es die Verbindung zu anderen literarischen Werken, "da gehört die Bezugnahme zu Jonathan Swift dazu."
Übersetzung von Gottfried August Bürger
In Deutschland bekannt wurden diese Erzählungen in der ersten Übersetzung des deutschen Dichters Gottfried August Bürger (1747- 1794). Sein Buch "Wunderbare Reisen zu Wasser und zu Lande - Feldzüge und lustige Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen" erschien erstmals 1786. Sie ist die Grundlage auch für Erich Kästners Drehbuch für den UFA-Film 1943.
"Diese Übersetzung war eine tolle Leistung. Bürger war sehr sprachschöpferisch: Er hat Wörter erfunden, die durch ihn ins Deutsche eingegangen sind, zum Beispiel 'querfeldein', 'Gemeingut', 'Volksgewimmel'. Er hat auch Episoden erfunden und hinzugefügt, darunter zwei der bekanntesten: der Ritt auf der Kanonenkugel und die Episode, wie sich Münchhausen am eigenen Haarzopf aus dem Sumpf zieht", schreibt Stefan Howald.
Der Baron in der Mathematik
Durch Gottfried August Bürger bekam der historische Baron zu Münchhausen, der inzwischen 66 Jahre alt war und im Ruhestand, auch Wind von seiner eigenen Berühmtheit. Es heißt, er sei wenig begeistert von seinem literarischen alter ego gewesen. Doch sein Weltruhm war nicht aufzuhalten. Heute liest man den Lügenbaron in mehr als 60 Sprachen. Der Name Münchhausen hielt auch Einzug in die Philosophie (Münchhausen-Trilemma), in die Mathematik (Münchhausen-Zahl) und in die Psychologie (Münchhausen-Syndrom). So ist Münchhausen seit 300 Jahren ein Gestaltwandler der Weltliteratur.
Rudolf Erich Raspe: "Münchhausens Abenteuer. Die fantastischen Erzählungen vollständig aus dem Englischen übersetzt"
Übersetzt, herausgegeben und kommentiert von Stefan Howald und Bernhard Wiebel
Stroemfeld Verlag, Frankfurt/Main. 266 Seiten, 9 Euro.
Übersetzt, herausgegeben und kommentiert von Stefan Howald und Bernhard Wiebel
Stroemfeld Verlag, Frankfurt/Main. 266 Seiten, 9 Euro.
Stefan Howald, Bernhard Wiebel (Hrsg.): "Das Phänomen Münchhausen - neue Perspektiven"
kassel university press, Kassel. 264 Seiten, 29 Euro.
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