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520 isolierte Tage

Raumfahrt. - Die bemannte Reise zum Mars ist derzeit wieder etwas nach unten gerutscht auf der internationalen Liste der Raumfahrtprioritäten. Dennoch gehen die Vorbereitungen für eine mögliche Expedition weiter. In Russland hat jetzt das Mars500-Experiment begonnen. Sechs Männer simulieren die 520-Tage-Tour in einem abgeschlossenen Labor.

Von Thorsten Jabs | 03.06.2010
    Unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen versammeln sich die sechs Männer aus Russland, China, Frankreich und Italien vorerst ein letztes Mal vor dem Raumschiffsimulator – sie legen die Hände übereinander, reißen sie in die Höhe und jubeln.

    Dann wird die Luke hinter ihnen geschlossen. Die nächsten 520 Tage werden die Männer in drei Röhren, so genannten Modulen, auf 550 Quadratmetern verbringen, die der Internationalen Raumstation ISS nachempfunden sind: Eine Röhre zum Wohnen, eine für die medizinische Versorgung und eine für Lagerung, Fitnessgeräte, Badezimmer und Treibhaus, in dem wissenschaftliche Experimente durchgeführt werden. Allerdings erinnern die 3-Quadratmeter-Wohnräume weniger an Science-fiction-Filme wie Stanley-Kubricks "2001 – Odyssee im Weltraum", sondern an holzverkleidete Kammern. Spartanisch eingerichtet mit Stuhl, Schreibtisch und Bett. Die Schwerelosigkeit kann zwar nicht simuliert werden, dafür ernähren sich die Probanden von Weltraumkost nach einem von der Universität Erlangen abgestimmten Diätplan. Tageslicht, Frischluft und direkter Kontakt zur Außenwelt werden für anderthalb Jahre Fremdworte sein. Kommuniziert wird mit der Kontrollstation mit 20-minütiger Verzögerung pro Richtung. Trotzdem blickt Romain Charles aus Frankreich optimistisch auf das Experiment.

    "Es ist macht mich stolz, Teil dieser mutigen Crew zu sein und ich bin sicher: Wir sehen uns erst in 520 Tagen wieder."

    Ebenso wie sein chinesischer Kollege Wang Yue

    "Ich bin froh, an diesem hervorragenden Experiment teilzunehmen. Es simuliert zwar nur einen Weltraumflug und vielleicht ist es keine Sache von Leben oder Tod, aber ich denke in einigen Aspekten ist es viel mehr, weil es auf die Zukunft des Menschen abzielt."

    Kameras überwachen die medizinischen und psychologischen Auswirkungen der Isolation. Die Forscher der Europäischen Raumfahrtbehörde und des Instituts für Biomedizinische Probleme in Moskau hoffen auf Erkenntnisse, wie Geist und Körper bei einer Weltraummission reagieren könnten. Auf Esa-Seite leitet Jennifer Ngohen das Projekt.

    "Unsere größten Hoffnungen liegen darauf, dass wir Werkzeuge und Lösungen finden, mit denen wir später mal eine Crew zum Mars schicken können und die es dieser Crew dann ermöglichen, den langen Flug zum Mars und zurück psychologisch zu überstehen, ohne dass sie die anderen Kollegen im Raumschiff beeinträchtigen oder ihnen den Kopf einschlagen."

    Diese Simulation ist die dritte und letzte Stufe des Mars500-Experiments, das 2007 begonnen hatte und nach Esa-Angaben rund 15 Millionen US-Dollar kostet. In der ersten Phase wurden vor allem Anlage, Ausrüstung und Abläufe für zwei Wochen getestet. Im letzten Jahr waren bereits sechs Menschen für 105 Tage eingeschlossen, darunter der Deutsche Oliver Knickel. Er kennt die Gefahr der Monotonie:

    "Wichtig ist, dass man sich beschäftigt hält. Bei uns ging das dadurch, dass wir ein intensives, umfangreiches wissenschaftliches Programm abzuarbeiten hatten. Ansonsten haben wir jeden Tag eine Stunde Sport gemacht, um eben den Körper fit zu halten, weil wir uns ja wenig bewegt haben. Und nebenbei natürlich versucht haben, die Sprache der anderen zu lernen, in unserem Fall war das Russisch, beziehungsweise mit den anderen ein bisschen gesellig zu sein. Also wir haben zum Beispiel Kniffel gespielt und Poker, solche Sachen."

    Nach dem simulierten Hinflug von 250 Tagen heißt ein Höhepunkt: Ausstieg auf dem Mars. Dafür teilt sich die Gruppe für 30 Tage in je drei Astro-, Kosmo- oder Taikonauten. Die eine bleibt in den Röhren, die andere steigt zunächst in eine Art Landekapsel und dann in einen Container, in dem die Oberfläche des Roten Planeten nachgebildet ist. Dann geht es 240 Tage zurück. Und wahrscheinlich geht es den Probanden dann wie Oliver Knickel:

    "Es war einfach gut zu wissen, dass man die Vorzüge des normalen Lebens zurückerhält. Es war einfach toll, das Sonnenlicht wiederzusehen, zurück im normalen Leben zu sein, unsere näheren Angehörigen waren auch da, haben uns hier empfangen und ich glaube das erste, was ich gemacht habe, war, dass ich mit meiner Freundin gut essen zu gehen."

    Und das dürften sich die sechs Probanden wohl leisten können, schließlich haben sie, wenn alles gut geht, in den nächsten anderthalb Jahren keine Zeit, ihre Prämie in Höhe von 80.000 Euro auszugeben.