Dieses Gehirn fragt sich nun allmählich doch, ob es so etwas wie eine Verblödung der Bestsellerliste gibt, inwiefern diese mit einer möglichen Verblödung der Gesellschaft korreliert oder ob solche Erwägungen nicht einfach von kulturskeptischer Blödheit entspringen und im Keim erstickt gehörten.
Die aktuelle Spiegel-Bestseller-Liste Belletristik ...
... diesmal mit Überlegungen zum deutschen Muffel, einer unerwarteten Liebeserklärung an Martin Walser, der Unterscheidung zwischen Gilb und Moder, der Unterstellung eines Zusammenhangs zwischen Onanie und Volksmusik sowie einer literaturkritischen Reflexion über die Motivdifferenz zwischen "Mann beißt Hund" und "Hund beißt Mann".
In diesem Monat bringen die zehn meistgelesenen Romane der Deutschen
5743 Gramm auf die Waage: zusammen 4281 Seiten.
Platz 10: Ulla Hahn "Aufbruch"
DVA, 587 Seiten, 16,95 Euro
Zunächst wirkt sie ja ein bisschen muffelig, diese Fortsetzung der Lebensgeschichte des rheinischen Mädchens Hilla Palm, das sich mit eisernem Bildungswillen aus den Konventionen von Armut und katholischem Kleingeist befreit. Aber diese Muffligkeit liegt an der Zeit, an der Adenauer-Bundesrepublik zwischen Halleluja und Heidewitzka, in der Ulla Hahns autobiografischer Roman spielt. Am Ende überwiegt denn doch Respekt für das münchhausensche Kunststück einer Frau, die sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf enger geistiger Verhältnisse gezogen hat.
Platz 9: Elke Heidenreich, Bernd Schroeder "Alte Liebe"
Hanser Verlag ,191 Seiten, 19,90 Euro
Lore ist Bibliothekarin und liebt Martin Walser. Harry war früher beim Bauamt und liebt seinen Garten, sein Weißbier und vor allem: sein Ruhe. Dann will Lores und Harrys 36-jährige Tochter in dritter Ehe einen Baulöwen in Leipzig heiraten.
"Wovon handeln alle Bücher?"
… fragt Harry seine Lore, und die antwortet:
"Von Liebe, die nicht klappt, vom Altwerden, vom Tod, von schrecklichen Kindheiten."
Genau - und weil auch "Alte Liebe" von all dem erzählt, ist es ein guter Unterhaltungsroman.
Platz 8: Dora Heldt "Tante Inge haut ab"
Deutscher Taschenbuch Verlag, 339 Seiten, 13,30 Euro
In diesem sehr altmodischen Roman über Liebeswirren auf Sylt hat man das Gefühl, als feierten Heinz Rühmann, Inge Meysel und Theo Lingen fröhliche Auferstehung. Bloß vermag die kuschelige Atmosphäre in diesem Buch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der starke Geruch, der aus seinen Seiten aufsteigt, nicht nur Gilb, sondern Leichenmoder ist.
Platz 7: William Paul Young "Die Hütte"
Deutsch von Thomas Görden
Allegria Verlag, 301 Seiten, 16,90 Euro
Von allen verlogenen Schmachtfetzen, die ich in den Jahren dieser Sendung lesen musste, markiert dieser amerikanische Schwarte den Gipfel an Heuchelei und Scharlatanerie. In diesem Buch erklärt Gott persönlich einem Mann, dessen Tochter umgebracht wurde, warum wir in der besten aller Welten leben. So lange solche Bücher Millionenauflagen erreichen, nagt in mir der hartnäckige Verdacht, dass wir vielleicht doch in der blödesten aller Welten leben.
Platz 6: Stephenie Meyer: "Bis(s) zum Ende der Nacht"
Deutsch von Sylke Hachmeister
Carlsen Verlag, 788 Seiten, 19,90 Euro
Wenn es stimmt, dass "Hund beißt Mann" keine Nachricht ist, "Mann beißt Hund" hingegen sehr wohl, dann hieße das auf das alberne Finale dieser dämlichen Saga übertragen: Literatur wäre entstanden, wenn Stephenie Meyer statt von den schwülstigen Träumen ihrer Bella, endlich von ihrem Blutsauger Edward gebissen zu werden, einfach von einem Mädchen mit Biss erzählt hätte.
Platz 5: Cecilia Ahern "Zeit deines Lebens"
Deutsch von Christine Strüh
Krüger Verlag, 367 Seiten, 16,95 Euro
Diese Geschichte um einen Engel und einen irischen Geschäftsmann, der vor Sorge um seine Karriere und Lust auf seine Seitensprünge seine Pflichten als Familienvater versäumt, ist Aherns Version eines Weihnachtsmärchen - und genauso kitschig, verlogen und zusammengestümpert wie bisher alles aus der Feder von Cecilia Ahern.
Platz 4: Charlotte Link "Das andere Kind"
Blanvalet Verlag, 667 Seiten, 24,95 Euro
Man muss nicht Engländerin sein, um englische Krimis schreiben zu können. Die Amerikanerin Elizabeth George hat das vorgemacht. Aber diesem routiniert geschriebenen Buch über dunkle Familiengeheimnisse der deutschen Autorin Charlotte Link fehlt so viel an Lokalkolorit und geschichtlicher Erfahrung, dass hier so gar nichts riecht, schmeckt noch sonst irgendeinen sinnlichen Eindruck hinterlässt. Ergebnis: sterile Plastikprosa.
Platz 3: Stephenie Meyer "Bis(s) zum Abendrot"
Deutsch von Sylke Hachmeister
Carlsen Verlag, 557 Seiten, 19, 90 Euro
Ein Werwolf, der es zum Leitwolf bringen will, ein Vampir mit Model-Qualitäten, ein Teenager, der keine Probleme damit hat, sich nach oben zu vögeln: so neu die Kulissen, so vertraut die Klischees dieser quälend langweiligen amerikanischen Fantasy.
Platz 2: Dan Brown: "The Lost Symbol"
Bantam Press, 509 Seiten, 19,90 Euro
Zeit mal Mysterium gleich Thrill: Nach dieser bewährten Formel konstruiert Dan Brown auch sein neues Buch und lässt seinen Symbologen Robert Langdon binnen einer langen amerikanischen Nacht sämtliche Geheimnisse der Freimaurer in Washington D. C. aufdecken. Der Höhepunkt der Jagd nach dem Verlorenen Wort und anderen Rätseln der Königlichen Kunst stellt sich ein, als eine kleine Pyramide in einem Pastatopf so lange weichgekocht wird, bis eine Geheimschrift auftaucht. Nicht kleiner das Erstaunen der Literaturredaktion des Deutschlandfunks, als sich herausstellte, dass beim langsamen Durchblättern der englischen Ausgabe von Dan Browns neuen Roman der Schall der Seiten selbst ein uraltes literaturkritisches Geheimnis offenbarte: "BULLSHIT!"
Platz 1: Volker Klüpfel, Michael Kobr "Rauhnacht"
Piper Verlag, 362 Seiten, 17,95 Euro
Ordentlich geschrieben, unterhaltsam und sogar in Maßen selbstironisch ist er, der neue Krimi um den Allgäuer Grantler mit beschränkter Weltsicht Kriminalhauptkommissar Kluftinger. Nur haftet auch diesem wie allen Regionalkrimis ein leichtes Odium an: dieses An-sich-selbst-Besaufen unterscheidet sich wenig von Heimatabenden, Volksmusikkonzerten und anderen Formen der Onanie.
Die aktuelle Spiegel-Bestseller-Liste Belletristik ...
... diesmal mit Überlegungen zum deutschen Muffel, einer unerwarteten Liebeserklärung an Martin Walser, der Unterscheidung zwischen Gilb und Moder, der Unterstellung eines Zusammenhangs zwischen Onanie und Volksmusik sowie einer literaturkritischen Reflexion über die Motivdifferenz zwischen "Mann beißt Hund" und "Hund beißt Mann".
In diesem Monat bringen die zehn meistgelesenen Romane der Deutschen
5743 Gramm auf die Waage: zusammen 4281 Seiten.
Platz 10: Ulla Hahn "Aufbruch"
DVA, 587 Seiten, 16,95 Euro
Zunächst wirkt sie ja ein bisschen muffelig, diese Fortsetzung der Lebensgeschichte des rheinischen Mädchens Hilla Palm, das sich mit eisernem Bildungswillen aus den Konventionen von Armut und katholischem Kleingeist befreit. Aber diese Muffligkeit liegt an der Zeit, an der Adenauer-Bundesrepublik zwischen Halleluja und Heidewitzka, in der Ulla Hahns autobiografischer Roman spielt. Am Ende überwiegt denn doch Respekt für das münchhausensche Kunststück einer Frau, die sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf enger geistiger Verhältnisse gezogen hat.
Platz 9: Elke Heidenreich, Bernd Schroeder "Alte Liebe"
Hanser Verlag ,191 Seiten, 19,90 Euro
Lore ist Bibliothekarin und liebt Martin Walser. Harry war früher beim Bauamt und liebt seinen Garten, sein Weißbier und vor allem: sein Ruhe. Dann will Lores und Harrys 36-jährige Tochter in dritter Ehe einen Baulöwen in Leipzig heiraten.
"Wovon handeln alle Bücher?"
… fragt Harry seine Lore, und die antwortet:
"Von Liebe, die nicht klappt, vom Altwerden, vom Tod, von schrecklichen Kindheiten."
Genau - und weil auch "Alte Liebe" von all dem erzählt, ist es ein guter Unterhaltungsroman.
Platz 8: Dora Heldt "Tante Inge haut ab"
Deutscher Taschenbuch Verlag, 339 Seiten, 13,30 Euro
In diesem sehr altmodischen Roman über Liebeswirren auf Sylt hat man das Gefühl, als feierten Heinz Rühmann, Inge Meysel und Theo Lingen fröhliche Auferstehung. Bloß vermag die kuschelige Atmosphäre in diesem Buch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der starke Geruch, der aus seinen Seiten aufsteigt, nicht nur Gilb, sondern Leichenmoder ist.
Platz 7: William Paul Young "Die Hütte"
Deutsch von Thomas Görden
Allegria Verlag, 301 Seiten, 16,90 Euro
Von allen verlogenen Schmachtfetzen, die ich in den Jahren dieser Sendung lesen musste, markiert dieser amerikanische Schwarte den Gipfel an Heuchelei und Scharlatanerie. In diesem Buch erklärt Gott persönlich einem Mann, dessen Tochter umgebracht wurde, warum wir in der besten aller Welten leben. So lange solche Bücher Millionenauflagen erreichen, nagt in mir der hartnäckige Verdacht, dass wir vielleicht doch in der blödesten aller Welten leben.
Platz 6: Stephenie Meyer: "Bis(s) zum Ende der Nacht"
Deutsch von Sylke Hachmeister
Carlsen Verlag, 788 Seiten, 19,90 Euro
Wenn es stimmt, dass "Hund beißt Mann" keine Nachricht ist, "Mann beißt Hund" hingegen sehr wohl, dann hieße das auf das alberne Finale dieser dämlichen Saga übertragen: Literatur wäre entstanden, wenn Stephenie Meyer statt von den schwülstigen Träumen ihrer Bella, endlich von ihrem Blutsauger Edward gebissen zu werden, einfach von einem Mädchen mit Biss erzählt hätte.
Platz 5: Cecilia Ahern "Zeit deines Lebens"
Deutsch von Christine Strüh
Krüger Verlag, 367 Seiten, 16,95 Euro
Diese Geschichte um einen Engel und einen irischen Geschäftsmann, der vor Sorge um seine Karriere und Lust auf seine Seitensprünge seine Pflichten als Familienvater versäumt, ist Aherns Version eines Weihnachtsmärchen - und genauso kitschig, verlogen und zusammengestümpert wie bisher alles aus der Feder von Cecilia Ahern.
Platz 4: Charlotte Link "Das andere Kind"
Blanvalet Verlag, 667 Seiten, 24,95 Euro
Man muss nicht Engländerin sein, um englische Krimis schreiben zu können. Die Amerikanerin Elizabeth George hat das vorgemacht. Aber diesem routiniert geschriebenen Buch über dunkle Familiengeheimnisse der deutschen Autorin Charlotte Link fehlt so viel an Lokalkolorit und geschichtlicher Erfahrung, dass hier so gar nichts riecht, schmeckt noch sonst irgendeinen sinnlichen Eindruck hinterlässt. Ergebnis: sterile Plastikprosa.
Platz 3: Stephenie Meyer "Bis(s) zum Abendrot"
Deutsch von Sylke Hachmeister
Carlsen Verlag, 557 Seiten, 19, 90 Euro
Ein Werwolf, der es zum Leitwolf bringen will, ein Vampir mit Model-Qualitäten, ein Teenager, der keine Probleme damit hat, sich nach oben zu vögeln: so neu die Kulissen, so vertraut die Klischees dieser quälend langweiligen amerikanischen Fantasy.
Platz 2: Dan Brown: "The Lost Symbol"
Bantam Press, 509 Seiten, 19,90 Euro
Zeit mal Mysterium gleich Thrill: Nach dieser bewährten Formel konstruiert Dan Brown auch sein neues Buch und lässt seinen Symbologen Robert Langdon binnen einer langen amerikanischen Nacht sämtliche Geheimnisse der Freimaurer in Washington D. C. aufdecken. Der Höhepunkt der Jagd nach dem Verlorenen Wort und anderen Rätseln der Königlichen Kunst stellt sich ein, als eine kleine Pyramide in einem Pastatopf so lange weichgekocht wird, bis eine Geheimschrift auftaucht. Nicht kleiner das Erstaunen der Literaturredaktion des Deutschlandfunks, als sich herausstellte, dass beim langsamen Durchblättern der englischen Ausgabe von Dan Browns neuen Roman der Schall der Seiten selbst ein uraltes literaturkritisches Geheimnis offenbarte: "BULLSHIT!"
Platz 1: Volker Klüpfel, Michael Kobr "Rauhnacht"
Piper Verlag, 362 Seiten, 17,95 Euro
Ordentlich geschrieben, unterhaltsam und sogar in Maßen selbstironisch ist er, der neue Krimi um den Allgäuer Grantler mit beschränkter Weltsicht Kriminalhauptkommissar Kluftinger. Nur haftet auch diesem wie allen Regionalkrimis ein leichtes Odium an: dieses An-sich-selbst-Besaufen unterscheidet sich wenig von Heimatabenden, Volksmusikkonzerten und anderen Formen der Onanie.