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95 bis 98 Prozent aller Korruptionsfälle bleiben unentdeckt

In Coventry findet derzeit die Weltkonferenz "Play the Game" statt, die sich der Transparenz im internationalen Sportbusiness und dem Dialog zwischen den Akteuren verschrieben hat. Doch nicht nur die Teilnehmer berichten über Korruptionsfälle - auch verhinderte Gäste sorgen für Schlagzeilen.

Von Jens Weinreich | 09.06.2009
    Einer der Stargäste von "Play the Game" war der Amerikaner Greg Lemond, dreimaliger Sieger der Tour de France. Lemond, der heute Rennräder verkauft, erneuerte seine Forderungen, die Verantwortung für Dopingkontrollen müsse den Sportverbänden entzogen werden. Den Rad-Weltverband UCI und das gesamte System bezeichnete er einmal mehr als korrupt. Das Comeback seines Landsmanns Lance Armstrong hatte er schon vor Monaten als Alptraum für den Radsport gebrandmarkt.

    Über die katastrophalen Auswirkungen der Korruption im Sport hat am Dienstag ein ehemaliger Funktionär berichtet, obwohl er gar nicht nach Coventry kommen durfte. Mario Goijman, der ehemalige Präsident des argentinischen Volleyball-Verbandes und Organisator der WM 2002 in seiner Heimat, leidet bis heute an den Taten anderer. Goijman deckte einst die millionenschwere Korruption des langjährigen Volleyball-Weltpräsidenten Rubén Acosta auf, der mehr als 20 Millionen Dollar kassiert hat. Acosta aber blieb noch Jahre im Amt und kam vor der Schweizer Justiz in einem surrealen Verfahren in Lausanne, dem Sitz von IOC und Volleyballverband FIVB, ungeschoren davon. Wogegen der aufrechte Kämpfer Goijman zunächst sämtliche Ehrenämter im Sport, anschließend im Laufe mehrjähriger Rechtsstreitigkeiten sein Vermögen verlor und auch gesundheitlich schwer angeschlagen ist.

    Sieben Jahre nach der Volleyball-WM in Argentinien, die Goijman ausgerichtet hat und dabei auf die dunklen Geschäfte von Acosta gestoßen ist, das so genannte Volleygate, wurde ihm von der Justiz nun die Reise nach Coventry verwehrt. Denn noch immer fordern Gläubiger Geld von den WM-Organisatoren. Goijman wird dafür haftbar gemacht - für eine Misswirtschaft, die Acosta angerichtet hat.

    Goijman hat 2005, bei der vierten "Play the Game"-Konferenz in Kopenhagen, einen Ehrenpreis für seinen beispiellosen Kampf erhalten. Die Nachricht von seinem erzwungenen Fernbleiben kam am Dienstagnachmittag zu einem Zeitpunkt, als in der Universität von Coventry Journalisten und Wissenschaftler zahlreiche andere Korruptionsbeispiele debattierten. Es war quasi der Praxistest. Samantha Gorse von der gastgebenden Universität hat bisher rund 2000 Fälle von Korruption im Sport analysiert. Sie sagt, diese Fälle seien nur die Spitze des Eisberges. Nach Erkenntnissen von Kriminalwissenschaftlern bleiben 95-98 Prozent aller Korruptionsfälle unentdeckt.