Aus guten Gründen hat sich der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2010 nicht aufgelöst. Die Internet-Aktivisten dokumentieren, welche Informationen Telekommunikationskonzerne über ihre Kunden speichern. Wie das geht, erläutert der Surfer, der unter dem Namen Padeluun im Netz unterwegs ist:
"Nun, wir haben einfach Menschen gebeten, dass sie Briefe schreiben an die Unternehmen und anfragen – wenn ich Kunde bin, dann müssen die mir sogar Auskunft geben nach dem Datenschutzgesetz, was über mich gespeichert ist. Dann bekomme ich eine Antwort. Oder aber im Verfahren, wenn ich einen Vertrag mit ihnen eingehen will, dass ich vorab frage. Und dann sind die Unternehmen durchaus auch bereit, eine Auskunft zu geben."
Und dabei kommen die Aktivisten zu bemerkenswerten Ergebnissen:
"Wir haben einiges an Informationen zusammengetragen. Es gibt Unternehmen, die speichern gar nicht. Das finden wir sehr gut, andere 'nur' sieben Tage. Aber es gibt auch Unternehmen, die drei Monate lang IP-Adressen aufbewahren."
In seinem Wiki dokumentiert der Arbeitskreis die Speicherfristen. Die wenigsten Provider sind grün gekennzeichnet. Die meisten gelb oder rot. Diese Unternehmen speichern nach Einschätzung des Arbeitskreises Verbindungsdaten auf Vorrat. Das bedeutet aber nicht, dass dieses Verhalten illegal wäre. Der bayerische Datenschutzbeauftragte Dr. Thomas Petri erläutert:
"Bei der Abrechnung ist es so, dass ein Unternehmen ja eine gewisse Zeit braucht, um eine Abrechnung zu erstellen, um eventuell auch mit dem Kunden abzuklären, ob er damit einverstanden ist oder ob er Widerspruch einlegt. Also das bedarf einer gewissen Zeit."
Und auch bei einer Flatrate darf gespeichert werden, etwa um festzustellen, ob ein Telekommunikationskunde von einer Leitungsstörung betroffen war.
"Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz geht davon aus, dass höchstens sieben Tage Speicherung da ausreichen, um zu klären: Ist der Dienst da tatsächlich unterbrochen worden oder nicht?"
Auch um den Missbrauch eines Dienstes feststellen zu können, räumt das Telekommunikationsgesetz den Anbietern eine Sieben-Tages-Frist ein. Allerdings ist Missbrauch ein doch sehr interpretationsfähiges Wort. Padeluun sieht es so:
"Dass ich Dienste mehr nutze, als ich sie bezahle, das ist eigentlich mit dem Wort Missbrauch so gedacht."
Aber es sind auch großzügigere Interpretationen denkbar. So dokumentiert der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung den Brief eines Anbieters, der mit Bezug auf Urheberrechtsverletzungen schreibt:
"In einem solchen Fall sind wir verpflichtet, Auskunft über den Kunden zu geben, der das Werk im Internet angeboten hat. Selbstverständlich halten wir uns dabei an den Datenschutz. Ganz konkret bedeutet das: Wir speichern die dynamisch zugewiesenen IP-Adressen sieben Tage zur Missbrauchsbekämpfung."
Das wäre dann eine Verbindungsdatenspeicherung nicht zu internen Zwecken des Anbieters, sondern um die Strafverfolgung zu ermöglichen. Aus welchen Gründen auch immer gespeichert wird, ob wegen der Abrechnung oder um Probleme beheben zu können, die Datenbanken der Telekommunikationskonzerne sind gut gefüllt. Mit dem Grundsatz der Datensparsamkeit – einem wichtigen Prinzip des Datenschutzes – nimmt man es in der Branche nicht allzu genau. Aber Daten, die einmal erhoben und gespeichert worden sind, geraten leicht in falsche Hände. Das belegt aktuell der Fall Redtube, wo Zehntausende von Surfern abgemahnt worden sind, weil sie sich angeblich illegal gestreamte Sex-Filmchen im Netz angeschaut haben. Für Leute, die sich auskennen, ist nicht nachvollziehbar, wie die Abmahnanwälte legal an die IP-Adressen der bezichtigten Surfer gekommen sein wollen. Die Richter am Kölner Landgericht haben sich darüber nicht den Kopf zerbrochen, sondern die Herausgabe der zugehörigen Namen und Adressen einfach angeordnet. Padeluun zieht dieses Fazit:
"Das zeigt noch einmal mehr, dass auch Richter, die über etwas entscheiden, sehr gut beraten sind, wenn sie mit technischem Sachverstand an ihre Urteilsfindung gehen. Denn die Juristerei ist kein technikfreier Raum mehr."