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Abrüstung auf der Nordsee

Umwelt.- Vor 15 Jahren hat der Protest unzähliger Menschen dazu geführt, dass der ausrangierte schwimmende Öltank Brent Spar nicht, wie ursprünglich geplant, im Meer versenkt wurde, sondern an Land entsorgt. Nun ist das Thema wieder aktuell: Auf der Nordsee wird abgerüstet.

Von Tomma Schröder | 30.08.2010
    "Wenn wir nur in der Nordsee bleiben, sind es zwischen 400 und 500 Förderplattformen, die dort aktiv sind. Einige wenige werden noch in Dienst gestellt. Aber im großen Maßstab wird die Erdölförderung in der Nordsee zurückgefahren, weil das Gebiet weitgehend erschöpft ist. Das heißt, es werden in den nächsten Jahren sehr viele Plattformen abgebaut werden. Und natürlich bleibt dann Material zurück."

    Jürgen Rullkötter arbeitet als unabhängiger Gutachter für die Außerdienststellung von Bohrplattformen. Der Oldenburger Professor für Geochemie macht sich dabei keine Illusionen: Der Brent-Spar-Öltank, dessen geplante Versenkung vor 15 Jahren so viel Aufregung auslöste, war im Gegensatz zu vielen anderen Bauwerken auf der Nordsee ein schwimmendes Leichtgewicht. Bei solchen Tanks und kleinen Plattformen müsse man eine Entsorgung auf dem Land sorgfältig prüfen, meint er. Bei größeren Plattformen aber ist das anders: Jetzt, da die erste Stilllegung eines Schwergewichtes geplant ist, zeigt sich: Ein kontrollierter Abbau ist oft schlichtweg nicht möglich.

    "Bei den sehr großen, sehr schweren Plattformen, kann man sie nicht in einem Stück hochheben. Die unteren Teile sind so massiv gebaut, dass man sie mit heutigen Methoden nicht mal durchsägen kann und in Teilen abbauen. Das sind zehn Meter dicke Rohre im Durchmesser am Meeresboden in 150 Metern Wassertiefe, da können Sie auch mit modernen Diamantschneidern nicht mehr arbeiten. Sie müssen dann Leute da unten haben. Und das Risiko, dass da unten Menschen zu Schaden kommen, ist einfach viel zu groß."

    Hier wird nüchtern gerechnet: Wie hoch ist die Gefahr, dass ein Mensch bei der Demontage ums Leben kommt oder schwer verletzt wird? Wie viele Ressourcen, Treibstoff, Energie werden bei einer möglichen Landentsorgung verbraucht? Und schließlich: Welche Auswirkungen hätte ein Versenken der Plattform? Und in welcher Form sollte das geschehen?

    "Wir haben als Alternative immer diskutiert, ob man nicht das Ganze zudecken soll, also mit einer Folie und mit Sand und dann nochmal Gesteinsbrocken drauf, um das Ganze von der Umwelt fernzuhalten. Aber dann zögert man das Ganze nur heraus. Das so zu lassen, wie es jetzt ist, führt zu einem langsamen Alterungs- und Abbauprozess, der langsam genug ist, dass die Umwelt nicht massiv geschädigt ist. Das ist die Schlussfolgerung aus den Studien, die bisher gemacht worden sind."

    Doch nicht überall kann das Risiko verrottender Bohrplattformen genau abgeschätzt werden. So ist etwa noch vollkommen unklar, welche Rückstände sich in den großen Speichertanks befinden, die bei einigen Plattformen in großer Zahl am Meeresboden verankert sind. Sie zu heben, ist aufgrund des enormen Gewichtes kaum möglich, sie zu säubern wohl ebenso wenig.

    "Das Problem dabei ist, dass in den Tanks noch Rückstände von Öl oder asphaltartigem Material, also Teer und dergleichen sind, die man nicht ohne Weiteres abpumpen kann. Und das zusätzliche Problem ist, dass keiner daran gedacht hat, eine Öffnung bei der Konstruktion mit einzubauen, durch die man mal untersuchen kann, was da nun eigentlich drin ist. Es gibt keinen Zugang zum Inneren der Tanks."

    So scheint vieles, was während der Jagd nach Rohstoffen auf und in die Nordsee gebracht wurde, eine Gabe auf Dauer zu sein. Das gilt wohl auch für die giftigen Abfälle aus den Bohrungen, die sich als Haufen am Meeresboden angesammelt haben. Dieses sogenannte Bohrklein enthält sowohl Schwermetalle aus den Erdschichten als auch ölhaltige Reste aus der Bohrspülung. Mittlerweile muss es zwar gesäubert und an Land entsorgt werden. Doch in der Nordsee liegen noch zahlreiche Altlasten aus früheren Jahren, als auf den Plattformen meist alles ins Meer geworfen wurde, was überflüssig war.

    "Der Effekt, den man erreicht, wenn man versucht dieses Material zu bergen, ist nur, dass man es relativ schnell im großen Maße in die Wassersäule bringt. Und das ist sicher schlechter als das langsam quasi verrotten zu lassen im Laufe der Zeit."

    Bisher gibt es noch keine Erlaubnis für eine wie auch immer geartete Außerdienststellung von großen Plattformen auf der Nordsee. Doch die Firma Shell befindet sich gerade mitten in einem Genehmigungsprozess. Dabei könnte allein der Name schon böse Erinnerungen wecken: Shell will die Bohrplattformen aus dem Brent-Ölfeld aufgeben: Brent Alpha, Bravo, Charly und Brent Delta.