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AC/DC
500 Seiten Rock

Die Nachricht, AC/DC stünden vor dem Aus, war für die Rockwelt ein Schock. Sänger Brian Johnson kündigte allerdings kürzlich noch an, dass die Band an neuem Material arbeiten wolle. Widersprüchliche Aussagen also. Die Verlagssparte des Unterhaltungs-Multis Edel hat nun vorsichtshalber die Veröffentlichung einer umfangreichen Biografie vorgezogen.

Von Fabian Elsäßer | 03.05.2014
    Sänger Brian Johnson (links) und Gitarrist Angus Young auf der Bühne.
    Sänger Brian Johnson (links) und Gitarrist Angus Young auf der Bühne. (picture alliance / dpa / epa / anp / Robert Vos)
    Mick Walls AC/DC-Biografie beginnt mit einem fiktiven Dialog an einem Krankenbett. Einem Dialog zwischen Bon Scott und Gott.
    "Mir ist egal, ob ich abkratze. Du weißt das. Das Einzige was mir wirklich wichtig ist ... du weißt schon."
    "Ich weiß", sagt Gott mit unendlicher Geduld, aber ohne erkennbare Absicht, es hinauszuzögern.
    "Doch eine Bitte hab ich noch: Gib mir noch fünf Jahre, um meine Angelegenheiten zu regeln. Okay, Gott?"
    Die Szene spielt im Februar 1974, kurz nachdem Bon Scott beinahe bei einem Motorradunfall gestorben wäre. Nach seiner Genesung fing er bei AC/DC an. Nicht fünf, sondern sechs Jahre später starb er dann tatsächlich, an einer Alkoholvergiftung. Dass Mick Wall den ersten Sänger der Band so einführt, quasi gottgleich, zeigt, welchen Stellenwert er Bon Scott beimisst.
    Texte auf hohem Niveau
    Zurecht. Ohne diesen trunksüchtigen Weiberhelden mit der kratzigen Blues-Stimme und der überlebensgroßen Bühnenpräsenz wäre AC/DC wohl nie der Durchbruch gelungen.
    Er war die passende Ergänzung zu Leadgitarrist Angus Young und dessen Bruder Malcolm an der Rhythmusgitarre. Zumal Scotts Texte selbst dann noch witzig waren, wenn sie von Geschlechtskrankheiten oder dicken Puffmüttern handelten.
    "Bons Texte waren Reflexionen des echten Lebens – zum Teil auf derart hohem Niveau, dass sie es selbst mit Stücken gefeierter europäischer Liedermacher wie Jacques Brel aufnehmen konnten. Auf musikalischer Ebene teilten die Youngs Bons Interesse für kleinste Details, aber auch sie schlichen nicht lange um den heißen Brei herum, sondern kamen immer schnell zur Sache. Paradox ist, dass dieser sehr direkte, sehr zugängliche Ansatz sie weithin zu Außenseitern machte, nicht nur bei den Kritikern, sondern im gesamten Rock'n'Roll- Zirkus der 70er."
    Doch genau diese Position - zwischen herkömmlichen Hardrockern wie Led Zeppelin und der aufkommenden Punkbewegung - sowie das beharrliche Festhalten daran verschafften AC/DC den weltweiten Durchbruch. Und natürlich die Riffs, die Songs, die kraftstrotzenden Bühnenshows.
    Wall schildert bis ins kleinste Detail die musikalische und persönliche Entwicklung in den 70er-Jahren. Dabei wird klar, dass der eigentliche Chef Malcolm hieß und nicht Angus. Und dass AC/DC keine nette Band war: Es gab Sex- und Drogeneskapaden, Prügeleien. Und eine Bunkermentalität, die der ehemalige Bassist Mark Evans im Buch so beschreibt:
    "Es hieß nicht einfach 'Wir gegen die anderen', sondern 'Wir gegen den Rest der Welt'. Vertrauen und Überheblichkeit waren die vorherrschenden Eigenschaften. Wir kämpften nicht einfach gegen die anderen Bands, wir kämpften gegen alles und jeden."
    "Back in Black"
    Bon Scotts Tod 1980 verkraftete die Band nicht nur, sie wurde mit dem neuen Sänger Brian Johnson und dem ersten gemeinsamen Album "Back in Black" größer als je zuvor. Das zählt mit fast 40 Millionen verkauften Exemplaren zu den erfolgreichsten Alben aller Zeiten. Doch danach wurde es erst einmal schwierig für die Band.
    "Bei dem Versuch, Ihr Schicksal selbst zu bestimmen, machte der Young-Clan den gleichen Fehler, den alle großen Dynastien machen. Der Versuch, alles kontrollieren zu wollen, führte nur zum genauen Gegenteil."
    Die Youngs feuerten wahllos Produzenten, Manager, Tourleiter, oft enge Freunde, und trauten niemandem mehr. Mit dem Ergebnis, dass ab dem miserablen 83er-Album "Flick of the switch" die Platten- und Ticketverkäufe massiv sanken. Außerdem errichteten sie eine Mauer des Schweigens um sich - die auch Mick Wall nicht einreißen konnte, wohl aber mithilfe vieler ehemaliger Weggefährten umging.
    In den 90ern kamen AC/DC wieder auf die Beine. Sie veröffentlichten mit "Razors Edge" ein gutes Comeback-Album, dem bis 2008 nur noch drei eher durchschnittliche folgten. Doch inzwischen haben neue Fan- und Kritikergenerationen die Band für sich entdeckt und sie zum Denkmal erklärt, wie Mick Wall treffend beschreibt:
    "Je omnipräsenter die Musik durch neue, mobile Technologien geworden ist, umso mehr sehnen wir uns nach etwas, das im Laufe der Jahre immer rarer geworden ist: Authentizität. Statt sich erneut auf Expeditionen in musikalisches Neuland zu begeben, liefern uns AC/DC den goldenen Schlüssel zu einer Zeit, in der Rock noch jung war und Schwerenöter wie Bon Scott den Haifischzahn im Ohr und das Kokslöffelchen um den Hals trugen."
    Mick Walls Buch ist kenntnisreiche Analyse und faktenreiche Fleißarbeit in einem. Der Leser erfährt viel über die Mechanismen der Musikindustrie und über das Innenleben einer hart arbeitenden Band. Das meiste steht so allerdings auch in Murray Englehearts AC/DC-Porträt von 2009, allerdings weniger einordnend und im Stil wesentlich schlichter.
    Walls Bandgeschichte ist sozusagen die große Jubiläums-Mehrfach-CD-Box in der AC/DC-Bibliografie. Wer einfach nur die Bedeutung dieser Band verstehen möchte, der greife lieber zu Anthony Bozzas Buch "Warum AC/DC die Größten sind". Das ist wesentlich kürzer und kurzweiliger und nicht weniger brillant. Und hat somit alles, was einen guten AC/DC-Song ausmacht.
    Buchtipps:
    Mick Wall: AC/DC – Die Bandgeschichte. Edel 2014. 528 Seiten.
    Anthony Bozza: Warum AC/DC die Größten sind. Heyne 2010. 176 Seiten.
    Murray Engleheart mit Arnaud Durieux: AC/DC – Maximum Rock 'n' Roll. Heyne 2009. 512 Seiten.