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"Acht Frauen" in Essen

Wer hat Monsieur Marcel, den Mann, Vater, Hausherrn und Liebhaber ermordet? Im eingeschneiten Landhaus gibt es acht verdächtige Frauen, jede hat ein Motiv und keine will's gewesen sein. "Acht Frauen" wurde 1961 in Paris uraufgeführt und 2002 mit Catherine Deneuve, Fanny Ardant, Isabelle Huppert, Emmanuelle Beart und anderen verfilmt.Nun ist das Stück als Krimikomödie im Essener Grillo Theater in der Regie von Elias Perrig zu sehen.

Von Christiane Enkeler |
    Weihnachten und Familie - da gibt's vor lauter Liebe immer Tote. Das war schon 1961 klar, als Robert Thomas' Kriminalkomödie "Acht Frauen" in Paris uraufgeführt wurde. Und immer noch 2002 in der Verfilmung von François Ozon, in der unter anderen Catherine Deneuve und Isabelle Huppert als Gaby und ihre Schwester Augustine die Fassung verlieren. Denn Gabys Mann Marcel ist ermordet worden - so sieht es aus, als sich die acht Frauen seiner nächsten Verwandtschaft zu Weihnachten treffen und aneinander kein gutes Haar lassen: Weihnachten ist das Fest der Liebe.

    Genau. Und die Essener Schauspielerinnen machen im Grillo-Theater weitest gehend ein Ensemble-Spiel daraus: Es gibt ein Lied für alle, variabel einsetzbar, Komposition: Biber Gullatz, Text von Elias Perrig - und damit sind wir beim Regisseur, der seinen Interpretinnen schon noch ihre Rampennummern lässt: Da wird dann eingesetzt, was Schauspielerinnen selten auf der Bühne zeigen dürfen: Prügelei und Fechtkampf - sie toben sich aus, inklusive - sehr ungleichem - "Busenkampf" in BH zwischen Bettina Engelhardt als Pierrette, der verruchten Schwester Marcels, und Sabine Orléans, Gast in Essen, als Gaby.

    In Essen gibt es unter der neuen Intendanz von Anselm Weber ein spielfreudiges Ensemble, dem man generell gern zusieht. In "Acht Frauen" wird's manchmal ein bisschen zu viel und ein bisschen dicke aufgetragen. So sind sie eben, die Frauen. Meine Güte, sind sie wirklich so? - Wie dem auch sei: Man sieht, dass es Spaß macht. Aber gegen einen guten Film anzuspielen oder auf seiner Welle mitzuschwimmen, und zwar mit Theatermitteln, einen Film, der sich in den Köpfen festgesetzt haben mag, das ist ein Risiko. Aber immerhin haben wir hier auch ein Boulevardstück mit den üblichen Klappmechanismen. - Und so ist es in Szene gesetzt: Wolf Gutjahr hat eine bunte Bühne mit Spiegelwänden entworfen, überall Blumen-Hocker mit klappbaren Blütenblättern, zwischen denen die Schauspielerinnen hin und herbrummen, eine himmelblaue Treppe über zwei Etagen in Marcels Zimmer, die Dienstmädchen Louise als erste im kurzen Spitzenkleidchen hochwendelt.

    Die Gaby von Sabine Orléans ist eine resolute, irgendwie unfreiwillige Glucke und der Typ "routinierte Geschäftsmannsgattin" in einem. Nadja Robiné spielt ihre ältere Tochter Susanne, in ihrer imaginären Winterlandschaft arrogant an allen vorbeigleitend, was nicht heißt, dass sie nicht scharf vor jemandem bremsen könnte. Sie leitet eine Befragung:

    " Susanne: Du hast gesagt, du wärest fünfmal im Bad gewesen.
    Augustine: Ja.
    Susanne: Und? Hast du jemanden gesehen?
    Augustine: Nein.
    Susanne: Hast du jemanden gehört?
    Augustine: Nein.
    Gaby: Aber du hast doch gesagt, du hättest gehört, wie Mutter aufgestanden ist.
    Augustine: Ja. Stimmt.
    Gaby: Mutter, bist du aufgestanden?
    Mamy: Nein.
    Augustine: Ooch...!
    Mamy: Doch, doch. Ein-, einmal bin ich aufgestanden. Es war gegen eins. Ich wollte mir eine Wolldecke aus dem Wohnzimmer holen, da habe ich plötzlich Stimmen gehört, aus Marcels Zimmer. Ich konnte nicht genau erkennen, wer da rumgeschrien hat. Aber ich habe mir keine Sorgen gemacht. Ich habe gedacht, du wärst das, Gaby.
    Gaby: Wie? Du hörst Geschrei und denkst, das bin ich? Die eigene Mutter. Na danke. "

    Jutta Wachowiak spielt, als zurückhaltendste von allen, die Mamy staubtrocken und im Vorbeigehen pointierend - Mamy: inkonsequent auf die Form achtend, hier zieht sie die Satzenden in die Höhe, das muss sein für den mahnenden Überblick. Ihre 16jährige Enkelin Catherine mahlt mit den Kiefern wie ein altkluger Kommissar, frech die gemeine Verwandtschaft nachäffend. Das ganze Stück reißt Sarah Viktoria Frick so ab, mit einer laxen, hingeworfenen Pubertät, bis ihre Catherine am Ende alles auflöst und dabei doch versagt. Dabei kippt die ganze, über rund eindreiviertel Stunden aufgebaute Stimmung. - Und das gelingt ganz erschreckend, erschreckender als im Film.

    " Catherine, heult und schreit ernsthaft in Angst:
    Papa? Papa...! Komm jetzt nach unten! Papa... ist nicht mehr witzig. Komm! Das ist nicht mehr... "