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Achtung, Aufnahmeprüfung!

Die Jazz-Abteilung der Folkwang-Hochschule ist klein und übersichtlich 55 Studierende gibt es zur Zeit. Jeder kennt Jeden. Dozenten, Professoren und Studierende sind per Du. Die Zahl der neuen Gesichter, die Jahr für Jahr dazu kommen, hält sich ebenfalls in Grenzen: zwölf im Wintersemester, vier im Sommersemester. Auf die vier Plätze, die jetzt vergeben worden sind, haben sich etwa 70 junge Männer und Frauen beworben. Etwa die Hälfte von ihnen wird zum Vorsingen und -spielen eingeladen. Campus und Karriere hat zugehört.

    Gegen Zuhörer hat keiner was an der Jazz-Abteilung der Folkwang-Hochschule in Essen. Aber bitte nicht während Proben oder gar während Aufnahmeprüfungen. Also muss man sich draußen an der Tür die Ohren platt drücken.

    Man versucht einfach in diesen Eignungsprüfungen festzustellen, inwieweit handwerkliches schon da ist, das heißt also, dass man nicht unbedingt denkt, dass da jemand bei Null anfangt. Das wäre natürlich katastrophal, das kann man nicht machen.

    Peter Herborn ist Beauftragter des Studiengangs Jazz, also so etwas wie ein Dekan. Für den Platz im Fach Jazz-Gesang gibt es immer sehr viele Bewerber Die meisten von ihnen sind nach Herborns Ansicht an seiner Hochschule völlig fehl am Platz.

    Singen ist sicherlich das natürlichste und menschlichste Instrument. Demzufolge singen auch viele Leute schon mal von Haus aus, aber man stellt schon fest, dass es häufig eine sehr groteske Fehleinschätzung gibt, bei Kandidaten, die dann sich auf ein Hochschulstudium einlassen wollen, wo sie weit entfernt von sind.

    Einer der 20 Kandidaten, die sich auf den einen Gesangsplatz beworben haben, ist Christopher Chiraulou. Nachdem ihn drei Dozenten eine Viertelstunde lang in die Mangel genommen haben, ist er gerne bereit, für das Radio noch eine Kostprobe seines Könnens zu geben.

    Ich war sehr aufgeregt. Meine Hände waren so nass, als ob ich die in Wasser getunkt hätte. Es lag aber auch daran, weil ich drei Tage vorher erst angefangen hatte und den Jazz-Standard nicht wirklich mit Routine drin hatte." Gerade weil es meine erst Prüfung war, wusste ich nicht, was auf mich zukommt. Und jetzt im nachhinein kann ich sagen: locker bleiben. Locker bleiben. Auf jeden Fall.

    Chris Chiraulou hat in zahllosen Bands so ziemlich jede Musikrichtung gesungen. Jazzgesang will er studieren, weil die ihm Klassik zu festgelegt ist und Rock und Pop zu seicht sind.

    Für Ina Hagenau ist es bereits die vierte Aufnahmeprüfung, In Köln, in Mainz und schon einmal in Essen ist sie knapp gescheitert. Das ist für sie kein Grund aufzugeben. Zum Studium gibt es für sie keine Alternative.

    Es ist nur ein anerkannter Abschluss für Jazz-Gesang. Und den braucht man dann halt, wenn man da was erreichen will. Es ist natürlich auch gut, dass man da sehr viel lernt, auch durch die Leute, mit denen man zusammenarbeitet. Es ist nicht so, als ob man Privatunterricht nimmt und ist dann total eingefahren auf eine Person und dann vielleicht noch auf zwei, drei Bands, die man dann hat. Es ist schon einfach noch ein weiterer Blickwinkel, den man noch bekommt durch das Studium.

    Auch Jazzprofessor Peter Herborn kann diese Haltung nur unterstützen Er selbst ist, wie viele seiner Kollegen, Autodidakt. Sicher, sagt er, kann man auch ohne Studium Jazz-Musiker werden. Es dauert halt nur langer.

    Eine solche Einrichtung, wie ein Studiengang Jazz an der Folkwang-Hochschule ist so etwas wie, ich nenne das immer: eine Zeit- und Geldsparanstalt. Das heißt, im Grunde kann man vieles von dem, was dort gemacht wird, selber machen. Insofern würde ich sagen: nein, es muss nicht unbedingt sein. Aber diejenigen, die es ohne schaffen werden immer weniger. Auch in den USA ist das übrigens der Fall. Ich kenne von den Musikern, mit denen ich dort arbeite fast niemanden mehr, der nicht zumindest einige Jahre studiert hat.

    Unter solchen Voraussetzungen ist es verständlich, dass der Andrang auf die wenigen Studienplätze immer größer wird. Zwei Musikstücke müssen die Bewerber bei der Aufnahmeprüfung zum besten geben. Dabei können die Prüfer schon eine Art Vorauswahl treffen.

    Wir versuchen natürlich festzustellen, ob jemand irgendwie schon eine eigene Prägung vermuten lässt, irgendwas interessantes daran ist, auch wenn da noch viele andere Mängel sind. Weil wir natürlich hier mit einer Musik zu tun haben, wo am Ende Individualisten herauskommen müssen und nicht, wie das in anderen Musikformen verständlicherweise der Fall ist, Leute, die meinetwegen in einem Orchester spielen und somit auch eine ganz andere Aufgabe haben.

    Den Abschluss der Aufnahmeprüfung bildet ein theoretischer Teil. Diejenigen, die schon in Essen studieren, spielen diesen Teil kräftig herunter. Dennoch haben die Aspiranten vor diesem Teil am meisten Angst, weil es immer wieder ganz überraschende Fragen gibt. Ina Hagenau hatte beispielsweise vorher gründlich Akkorde und Tonarten gepaukt. - Und dann wurde sie gebeten, etwas auf dem Klavier vorzuspielen: Nein, das stand auch nicht in den Anforderungen, das heißt, ich hatte auch nicht geübt, ich hatte nichts vorbereitet oder so. Das musste ich auch das letzte Mal hier nicht machen. Und dann meinten die, ja, dann spiel doch einfach mal was.

    Welche Gewichtung von Talent, Handwerk und theoretischen Kenntnissen am Ende den Ausschlag geben, für die Entscheidung der Prüfungskommission, kann auch der Studiengangbeauftragte nicht sagen. Fest steht: je mehr gleich gute Bewerber in Frage kommen, desto länger dauert die Diskussion. Dass die Kommission ihre Entscheidung irgendwann einmal bedauert, kommt dagegen nicht so oft vor.

    Manchmal ist es dann so, dass wir uns Jahre später irgendwie über einen Studenten ärgern, und dann sagt der Kollege im Scherz: Mensch, du hast den da reingeholt! Da gibt es sicherlich verschiedene Ansichten, aber weitestgehend würde ich sagen, sind wir relativ konform.

    Links zum Thema

    Folkwang-Hochschule Essen