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Ägypter "in einem Prozess der Heilung"

Der ägyptische Sänger schuf mit Mohamed Mounir "Ezay" eine der inoffiziellen Hymnen der ägyptischen Revolution. "Ich freue mich auf das Ägypten der Zukunft", sagt er.

Mohamed Mounir im Gespräch mit Jörg-Christian Schillmöller | 11.02.2012
    "Mohamed Mounir ist seit den 70er-Jahren in seiner Heimat Ägypten als Musiker aktiv und gehört zu den älteren Kulturschaffenden, die auch aktuell von den Revolutionsträgern Anerkennung bekommen: Mit dem Song "Ezay" hat er sogar eine der inoffiziellen Hymnen der ägyptischen Revolution geschaffen."

    Mohamed Mounir: Ich hab mein Leben lang - von der Kindheit bis zu meiner Gesangskarriere - für die Heimat gelebt. Ich liebe mein Land. Und es gibt doch keinen Menschen auf der Welt, der sein Land nicht liebt. Ich hab meine Liebe zur Heimat in der Form eines Liedes dargestellt und das haben die Menschen mir geglaubt, weil meine Lieder nahe bei ihnen und auf den Straßen sind. Ich hab ihre Träume berührt, ihre Gefühle und Hoffnungen und ich glaube, dass diese Hoffnungen und Wünsche sich in unserer Revolution verwirklichen. Meine Sache war immer die Liebe zu meiner Heimat.

    Jörg-Christian Schillmöller: Können Sie uns auf Arabisch vorsingen, was Sie damit meinen?

    Mounir: Wenn wir einmal gerufen werden, kommen wir, klein und groß, von hinter den Mauern und Moscheen und die Kirchen und die Universitäten, Du, Heimat, umarmst uns und erzählst: "Wenn man einmal hoffnungslos ist, wenn es schwer ist, dann bist Du eine Kerze, die in unserem Herzen leuchtet, die Braut des Nils, ein Stück des Himmels."
    Schillmöller: Vielen Dank. Herr Mounir, sind Sie ein politischer Künstler?

    Mounir: Das Singen war nie alles in meinem Leben. Damit ich ein gutes, ein gesundes Lied singe, muss es ein Projekt, eine Vision enthalten. Und damit diese Vision die Araber und besonders die Menschen in Ägypten interessiert und berührt, musste ich in die Nähe der Politik gehen, weil nur die Welt der Politik eine bessere Gesellschaft erschaffen kann. Ich glaube, das ist der Traum jedes Sängers, dass er seine Visionen und Projekte damit verknüpft, dass die führenden Köpfe uns Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit gewährleisten.

    Schillmöller: Was war Ihre Beziehung zu Mubarak, haben Sie jemals für ihn gespielt?

    Mounir: Ich hab bei mehreren Gelegenheiten für Präsident Mubarak gesungen, das waren alles öffentliche Anlässe. Und es war schön, für den Staatschef zu singen, den Präsidenten der Republik, als Sänger und nicht als etwas anderes. Nicht, weil ich mich mit ihm gut stellen wollte oder seine Hilfe brauchte, aber ich muss meinen Präsidenten respektieren, egal, was ich von der Politik des Staates halte.

    Schillmöller: Wie haben Sie den Wandel vor einem Jahr erlebt?

    Mounir: Ich habe mich von Herzen gefreut, weil dieser Moment mir so wichtig war, also dass das Volk für eine bessere Gesellschaft auf die Straße geht, für seine Freiheit, für Gerechtigkeit. Es war ein wunderschöner Moment in meinem Leben, der sich auch in dem Lied Ezay spiegelt. Ezay ist nahe zur Stimme der Straße und zur Meinung der ägyptischen Bevölkerung in der Revolution.

    Die Revolution war nicht nur gegen einen Präsidenten, sondern gegen die Politik des Staates, gegen alle, die unseren Träumen im Weg stehen - nämlich dass wir besser und erfolgreicher werden, deswegen war ich sehr froh und es war klar, dass das passieren würde.

    Schillmöller: Sie haben das Lied "Ezay" geschrieben. Darin heißt es: Wie kann ich den Kopf hochhalten, wenn ihr mich zwingt, mich zu beugen.

    Mounir: Ezay heißt "warum". Dieses Warum ist das Warum aller Menschen: Warum sind wir in dieser schlimmen Lage? Warum leiden wir? Warum haben wir keine gute Bildung? Wo bleiben unsere Träume? Dieses Warum steht dafür, was alle Ägypter wollen. Sie können sich das auf Youtube anschauen, das Lied.

    Schillmöller: Was erwarten Sie von der Zukunft für Ihr Land?

    Mounir: Die Ägypter sind nach der Revolution nun in einem Prozess der Heilung, sie sind auf dem Wege der Besserung und erholen sich. Ein kranker Mensch muss die Krankheit und die Bakterien aus seinem Körper herausbekommen, alles, was schlecht ist. Und jetzt gerade wird wohl noch für eine längere Zeit Chaos herrschen, weil Chaos an sich die letzte Waffe der anderen ist, nämlich der Gegner der Revolution.
    Ich glaube, wir sind auf dem Weg zu einer erfolgreichen Revolution, Inshallah, und wir werden geheilt und eine bessere Gesellschaft sein, eine großartige Gesellschaft. Ich freue mich auf das Ägypten der Zukunft.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.