
Diese Aufzeichnung eines SA-Führers aus dem Jahre 1933 ist überaus instruktiv. Mit aller Deutlichkeit demonstriert sie, wie der Auftritt formierter Kollektive den Eindruck kampfbereiter Frontstellungen vermitteln sollte. Die physische Präsenz des geschlossenen Männerbunds verkörperte einen politischen Machtwillen, der sich als Antithese zur Weimarer Republik artikulierte. Polemisch besetzten die faschistischen Verbände der deutschnationalen Rechten Straßen und Plätze des öffentlichen Raums. Ihre monumentalen Bilder und heroischen Begriffe brutalisierten die politische Kultur. Die Formensprache der Gewalt wurde im Alltagsleben fest verankert. Man überzeugte nicht den Gegner, man zerschmetterte den Feind.
Die Diskrepanz zwischen der imaginierten siegreichen Nation und der Realität eines geschlagenen Deutschlands hätte nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kaum größer sein können und erzeugte als kollektive Kränkung ein extremes Maß an Verdrängung, Aggression und Gewaltbereitschaft gegen innere und äußere ‚Feinde‘. (...) Während Rationalität, Wort, Diskussion und Kompromiß als Zeichen demokratischer ‚Schwäche‘ gewertet wurden, galten diejenigen, die ‚Gewalt‘ als politische Handlungsmaxime propagierten, als entschieden, tatkräftig und durchsetzungsfähig.
Petra Maria Schulz hat ihre Untersuchung mit dem Titel "Ästhetisierung von Gewalt in der Weimarer Republik" überschrieben. Der Ausdruck Ästhetisierung verweist auf die vielfältige Darstellungspraxis, die Gewalt durch hochsymbolische Verdichtungen inszenierte und als Kult der heroischen Männlichkeit in den Fokus der Wahrnehmung rückte. Dieser "Beitrag zur Historischen Kulturforschung" brilliert mit minutiösen Analysen und bestechenden Details zur Krise der Männerverfassung unter dem Kränkungseffekt der Niederlage. Denn die Waffentechnik des Ersten Weltkriegs verwüstete eine ganze Generation junger Menschen. In Trommelfeuer und Granatenhagel wurde die Hinfälligkeit des gebrechlichen Menschenkörpers evident.
Dagegen mobilisierte die nationalistische Rechte der Nachkriegszeit monumentale Heroenmotive wie Herakles, Prometheus oder Siegfried. Der ‚Männerakt in heroischer Pose zu Pferd‘ oder die schwielige Faust, die ein Rednerpult zertrümmert, avancierten zu beliebten Bildzeichen propagandistischer Postkartenserien und agitatorischer Wahlplakate. Auch die Gefallenenkulte und Trauerrituale, deren dramaturgische Bausteine der christlichen Liturgie entnommen waren, werden von der Autorin beispielhaft erläutert: Die völkischen Opferzeremonien schufen eine Märtyrertradition, die den Tod verherrlichte. Weiter erklärt sie umsichtig, wie die Ausbildung der SA-Banden nach einem exakt kalkulierten Programm erfolgte. Man entwarf nicht nur einen Knigge für die Kombattanten – man entwickelte den Fahrplan für den Führerstaat. Ziel des braunen Exerzitiums nämlich war die massenwirksame Suggestion.
Die Ausbildung der SA erstreckte sich in erster Linie auf reine Ordnungsübungen. Geordnetes Marschieren in tadelloser Haltung nach gut und exakt gegebenen Kommandos. Immer und immer wieder wird es geübt. Wirkungsvoll demonstrieren, heißt Massen bewegen in vorbildlicher Form. Der Aufmarsch, der Demonstrationszug, der Einmarsch in den Saal bei öffentlichen Kundgebungen wird bis ins Kleinste geübt, trainiert und muß wie am Schnürchen funktionieren. Dann ist die anwesende Besuchermasse (...) bereits von einem suggestiven Zauber befallen.
Der geistesgeschichtliche Horizont des Kulturforschungsunternehmens wird zunächst durch die Lebensphilosophie Nietzsches abgesteckt. Petra Maria Schulz gilt Nietzsches Denken als exemplarisches Modell für die vitalistische Auffassung des engen Zusammenhangs von Gewalt, Kampf und Krieg, die in der Weimarer Republik enormen Einfluss erlangte. Die Ausstrahlung seiner funkelnden Aphorismen zu Leben und Tod, Schöpfung und Zerstörung wirkte über Streueffekte in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ein.
Er lieferte Gegenwartsdiagnosen und Zukunftsentwürfe, die das Lebensgefühl seiner Zeit trafen. Sein Pathos begeisterte die junge Generation und forcierte ihre Aufbruchsstimmung im Namen des Lebens. Sein Leben und sein Tod, die Einheit von Leben und Werk machten ihn bereits um die Jahrhundertwende zum Mythos.
Dem Mythos Nietzsche verdankt sich auch Ernst Jüngers Kriegsliteratur, der unsere Autorin eine luzide Interpretation widmet, die im Zentrum ihres Buches steht. Der hochdekorierte Reichswehroffizier und passionierte Nietzscheaner prägte die griffige Formel vom ‚Kampf als innerem Erlebnis‘. Im kommunikativen Vakuum der Nachkriegsgeneration konnte er eine revanchistisch pointierte Abenteurerliteratur plazieren, die als knabenhaft verschwärmte Landsknechtsmetaphysik auftrat.
Der erzkonservative Sprachartist ordnete Lehrstücke Nietzsches zu einer ebenso brüchigen wie artifiziellen "Heldensemantik". Im scharfen Kontrast zur ungeliebten Republik sollte seine expressive Bildsprache die Wahrnehmungsmuster des Frontsoldaten und der Avantgardekunst verschmelzen. So mutierte die rohe Stahlhelmexistenz zum wilden Prachtkerl, der schmutzige Grabenkrieg zur überlebensgroßen Kaderschmiede, die endlose Materialschlacht zum exotischen Ausnahmezustand rauschhaften Lebens. Jüngers Literatentechnik, die den Krieg zum herrlichen Kunstwerk und unbarmherzigen Schauspiel stilisierte, wird von Petra Maria Schulz ironisch kommentiert.
Rauhbeinigkeit, Trinkfestigkeit, Wortkargheit und Männerfreundschaft wiederholen ein Männlichkeitsbild, das ebenso Stevensons Schatzinsel entstammen könnte und die lesehungrige männliche Jugend bereits im 19. Jahrhundert begeistert hat.
Dieser Gestus der ironischen Distanz ist allemal wohltuend. Denn das Versprechen auf einen hypnotischen Zauber, der Menschen magisch in den Bann schlägt, damit sie wie am Schnürchen funktionieren, gründet in einer pessimistischen Anthropologie. Die moderne Massenpsychologie hat das Betriebsgeheimnis solcher Gegenaufklärung offenbart. Ihr Klartext konnte der Autorin dieser rundum empfehlenswerten Studie nicht entgehen.
Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen missfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.
Die Diskrepanz zwischen der imaginierten siegreichen Nation und der Realität eines geschlagenen Deutschlands hätte nach dem Ende des Ersten Weltkriegs kaum größer sein können und erzeugte als kollektive Kränkung ein extremes Maß an Verdrängung, Aggression und Gewaltbereitschaft gegen innere und äußere ‚Feinde‘. (...) Während Rationalität, Wort, Diskussion und Kompromiß als Zeichen demokratischer ‚Schwäche‘ gewertet wurden, galten diejenigen, die ‚Gewalt‘ als politische Handlungsmaxime propagierten, als entschieden, tatkräftig und durchsetzungsfähig.
Petra Maria Schulz hat ihre Untersuchung mit dem Titel "Ästhetisierung von Gewalt in der Weimarer Republik" überschrieben. Der Ausdruck Ästhetisierung verweist auf die vielfältige Darstellungspraxis, die Gewalt durch hochsymbolische Verdichtungen inszenierte und als Kult der heroischen Männlichkeit in den Fokus der Wahrnehmung rückte. Dieser "Beitrag zur Historischen Kulturforschung" brilliert mit minutiösen Analysen und bestechenden Details zur Krise der Männerverfassung unter dem Kränkungseffekt der Niederlage. Denn die Waffentechnik des Ersten Weltkriegs verwüstete eine ganze Generation junger Menschen. In Trommelfeuer und Granatenhagel wurde die Hinfälligkeit des gebrechlichen Menschenkörpers evident.
Dagegen mobilisierte die nationalistische Rechte der Nachkriegszeit monumentale Heroenmotive wie Herakles, Prometheus oder Siegfried. Der ‚Männerakt in heroischer Pose zu Pferd‘ oder die schwielige Faust, die ein Rednerpult zertrümmert, avancierten zu beliebten Bildzeichen propagandistischer Postkartenserien und agitatorischer Wahlplakate. Auch die Gefallenenkulte und Trauerrituale, deren dramaturgische Bausteine der christlichen Liturgie entnommen waren, werden von der Autorin beispielhaft erläutert: Die völkischen Opferzeremonien schufen eine Märtyrertradition, die den Tod verherrlichte. Weiter erklärt sie umsichtig, wie die Ausbildung der SA-Banden nach einem exakt kalkulierten Programm erfolgte. Man entwarf nicht nur einen Knigge für die Kombattanten – man entwickelte den Fahrplan für den Führerstaat. Ziel des braunen Exerzitiums nämlich war die massenwirksame Suggestion.
Die Ausbildung der SA erstreckte sich in erster Linie auf reine Ordnungsübungen. Geordnetes Marschieren in tadelloser Haltung nach gut und exakt gegebenen Kommandos. Immer und immer wieder wird es geübt. Wirkungsvoll demonstrieren, heißt Massen bewegen in vorbildlicher Form. Der Aufmarsch, der Demonstrationszug, der Einmarsch in den Saal bei öffentlichen Kundgebungen wird bis ins Kleinste geübt, trainiert und muß wie am Schnürchen funktionieren. Dann ist die anwesende Besuchermasse (...) bereits von einem suggestiven Zauber befallen.
Der geistesgeschichtliche Horizont des Kulturforschungsunternehmens wird zunächst durch die Lebensphilosophie Nietzsches abgesteckt. Petra Maria Schulz gilt Nietzsches Denken als exemplarisches Modell für die vitalistische Auffassung des engen Zusammenhangs von Gewalt, Kampf und Krieg, die in der Weimarer Republik enormen Einfluss erlangte. Die Ausstrahlung seiner funkelnden Aphorismen zu Leben und Tod, Schöpfung und Zerstörung wirkte über Streueffekte in alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ein.
Er lieferte Gegenwartsdiagnosen und Zukunftsentwürfe, die das Lebensgefühl seiner Zeit trafen. Sein Pathos begeisterte die junge Generation und forcierte ihre Aufbruchsstimmung im Namen des Lebens. Sein Leben und sein Tod, die Einheit von Leben und Werk machten ihn bereits um die Jahrhundertwende zum Mythos.
Dem Mythos Nietzsche verdankt sich auch Ernst Jüngers Kriegsliteratur, der unsere Autorin eine luzide Interpretation widmet, die im Zentrum ihres Buches steht. Der hochdekorierte Reichswehroffizier und passionierte Nietzscheaner prägte die griffige Formel vom ‚Kampf als innerem Erlebnis‘. Im kommunikativen Vakuum der Nachkriegsgeneration konnte er eine revanchistisch pointierte Abenteurerliteratur plazieren, die als knabenhaft verschwärmte Landsknechtsmetaphysik auftrat.
Der erzkonservative Sprachartist ordnete Lehrstücke Nietzsches zu einer ebenso brüchigen wie artifiziellen "Heldensemantik". Im scharfen Kontrast zur ungeliebten Republik sollte seine expressive Bildsprache die Wahrnehmungsmuster des Frontsoldaten und der Avantgardekunst verschmelzen. So mutierte die rohe Stahlhelmexistenz zum wilden Prachtkerl, der schmutzige Grabenkrieg zur überlebensgroßen Kaderschmiede, die endlose Materialschlacht zum exotischen Ausnahmezustand rauschhaften Lebens. Jüngers Literatentechnik, die den Krieg zum herrlichen Kunstwerk und unbarmherzigen Schauspiel stilisierte, wird von Petra Maria Schulz ironisch kommentiert.
Rauhbeinigkeit, Trinkfestigkeit, Wortkargheit und Männerfreundschaft wiederholen ein Männlichkeitsbild, das ebenso Stevensons Schatzinsel entstammen könnte und die lesehungrige männliche Jugend bereits im 19. Jahrhundert begeistert hat.
Dieser Gestus der ironischen Distanz ist allemal wohltuend. Denn das Versprechen auf einen hypnotischen Zauber, der Menschen magisch in den Bann schlägt, damit sie wie am Schnürchen funktionieren, gründet in einer pessimistischen Anthropologie. Die moderne Massenpsychologie hat das Betriebsgeheimnis solcher Gegenaufklärung offenbart. Ihr Klartext konnte der Autorin dieser rundum empfehlenswerten Studie nicht entgehen.
Nie haben die Massen nach Wahrheit gedürstet. Von den Tatsachen, die ihnen missfallen, wenden sie sich ab und ziehen es vor, den Irrtum zu vergöttern, wenn er sie zu verführen vermag. Wer sie zu täuschen versteht, wird leicht ihr Herr, wer sie aufzuklären sucht, stets ihr Opfer.