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Äthopien
Mittler im Südsudan-Konflikt

Der Machtkampf innerhalb der Regierungspartei im Südsudan geht in die dritte Woche. Die Konfliktparteien erklärten sich indes zu Gesprächen bereit - im Nachbarland Äthiopien. Das Land könnte eine entscheidende Rolle in der Beilegung des Konflikts spielen.

Von Benno Müchler | 04.01.2014
    Der südsudanesische Rebellenführer steht hinter zahlreichen Mikrofonen.
    Rebellenführer Riek Machar will offenbar mit der Regierung verhandeln. (picture alliance / dpa / Philip Dhil)
    "Wir glaubten nicht, die Kämpfe würden auch nach Malakal kommen. Und so blieben ich und acht Mitarbeiter im Hotel, als die ersten Schüsse fielen und viele Leute zum Gebäude der Vereinten Nationen rannten. Auf einmal kamen acht Soldaten ins Hotel. Ich versuchte zu fliehen und sprang über einen Zaun. Doch ich blieb hängen. Ein Soldat der Regierung kam auf mich zu und sagte: Ich will weder Geld noch etwas anderes von Dir. Das einzige was ich von Dir will, ist mit Dir schlafen."
    Meron Aleks sitzt in einem Gartenstuhl aus weißem Plastik. Die 20-Jährige mit blondierten Haaren und goldverzierten Flip Flops an den Füßen wurde am Vortag mit rund 100 anderen Äthiopiern von der äthiopischen Luftwaffe aus Südsudan nach Addis Abeba evakuiert. Sie sagt, es waren Soldaten der Regierungstruppen von Präsident Salva Kiir, die sie vergewaltigen wollten. Sie entkam diesem Schicksal um Haaresbreite, als sich die Soldaten für einen Moment von ihr abwendeten, um die Kasse des Hotels zu plündern.
    "Ich will nie wieder an diesen Ort zurück. Sie haben unsere Brüder getötet."
    Zwei Jahre arbeitete Meron Aleks als Kellnerin in Südsudan. Sie verließ ihre Heimat wie schätzungsweise 15.000 andere Äthiopier, weil Südsudan mehr Geld und Arbeit bot. Wie eng die beiden Nachbarländer miteinander verbunden sind, verdeutlichen auch andere Schilderungen von evakuierten Äthiopiern.
    Morden, Plündern und Vergewaltigen wird vor allem den Nuer-Rebellen und ihrem Führer Riek Machar vorgeworfen. Und offensichtlich kamen viele dieser Rebellen aus der äthiopischen Grenzregion, Gambella, denn sie sprachen die Landessprache Äthiopiens. Auch Pastor Sintayehu Ameha fiel ihnen zum Opfer. Er ging nach Südsudan, um eine pfingstliche Kirche zu bauen:
    "Sie nahmen uns alles, sogar unsere Koffer. Sie sprachen uns auf Amharisch an. Es waren diese Leute von den Nuer aus Gambella, die uns alles nahmen."
    Der Konflikt im Nachbarland ist gefährlich - die Grenze porös
    Der Konflikt im Nachbarland Südsudan ist für Äthiopien brandgefährlich. Die Grenze zwischen Gambella und Jonglei ist porös. Würde der Funke der Gewalt über die Grenze springen, könnte das Äthiopien tief erschüttern – und das, wo das Land doch gerade dabei ist, sich zu einem der wirtschaftlich stärksten und fortschrittlichsten Staaten Afrikas zu entwickeln.
    Mulugeta Gebrehiwot ist der Direktor des Friedens- und Sicherheitsinstituts der Universität von Addis Abeba und arbeitete viele Jahre für die äthiopische Regierung.
    "Man muss die Außenpolitik dieses Landes verstehen. Jede außenpolitische Beziehung, die Äthiopien eingeht, soll in erster Linie zur eigenen Entwicklung beitragen."
    Und so handelt Äthiopien sowohl militärisch als auch diplomatisch immer dann, wenn die Sicherheit des eigenen Landes in Gefahr ist. So hat Äthiopien derzeit auch rund 8.000 Soldaten im fragilen Nachbarland Somalia stationiert. Und es erklärt zudem, warum sich Äthiopien als Mittler im Konflikt im Südsudan so engagiert und die Friedensgespräche nach Addis Abeba geholt hat, abgesehen davon, dass es aktuell der ostafrikanischen Regionalgemeinschaft IGAD vorsitzt, der auch Südsudan angehört.
    Gute Chancen auf erfolgreiche Vermittlung
    Sunday Okello Angoma leitet die Forschungsgruppe 'Südsudan' am Friedens- und Sicherheitsinstitut in Addis Abeba und glaubt, Äthiopien hat gute Chancen, im Konflikt erfolgreich zu vermitteln.
    "Das hat historische Gründe. Allein deshalb sind die Gespräche ja auch überhaupt erst nach Äthiopien gekommen. Äthiopien hat die SPLA während ihres Freiheitskampfes unterstützt und von seinem Territorium aus agieren lassen. Es gibt so viele Südsudanesen, die während dieser Zeit in Äthiopien lebten. Und noch heute betrachten sie Äthiopien als Teil ihrer Familie."
    Schon in der Vergangenheit spielte Äthiopien eine entscheidende Rolle als Vermittler im Sudan. Äthiopiens früherer Premierminister Meles Zenawi vermittelte mehrmals erfolgreich zwischen dem arabischen Norden unter Präsident Omar al Baschir und dem Süden. Als sich die Erzfeinde 2011 wieder einmal um die Ölfelder von Abyei stritten, die der Norden mit der Unabhängigkeit des Südens verlor, holte Meles die Parteien nach Addis Abeba. Seither hat Äthiopien eine 4000 Mann starke Friedenstruppe in der Region stationiert. Als Meles vor zwei Jahren überraschend verstarb, zollten Präsident Baschir und Kiir dem großen Führer ihren Tribut und saßen bei seiner Beerdigung in der äthiopischen Hauptstadt nicht weit voneinander entfernt. Heute kommen der Norden und Süden besser miteinander aus.
    Der Norden und Süden kommen heute besser miteinander aus
    Eine Lösung im jetzigen Konflikt herbeizuführen, ist jedoch mindestens genauso schwer. Denn jetzt geht es darum, die Fehde zwischen den Dinka und Nuer beizulegen, die beide Stämme seit Jahrzehnten entzweit und sich unter anderem Anfang der 1990er in einem Massaker an den Dinka entlud, als es darum ging, für welchen Weg Südsudan gehen kämpfen sollte: die komplette Unabhängigkeit vom Norden oder nicht. Nur wenn es gelingt, das tiefe Misstrauen beider Seiten zu überwinden, hat Südsudan laut Beobachtern eine Zukunft. Es ist der Prüfstein des jungen Landes, das 2011 unabhängig wurde.
    Zwei Tage nachdem die Gespräche in Addis Abeba eigentlich hätten beginnen sollen, tröpfeln immer noch Mitglieder der verschiedenen Delegationen mit Rollkoffern ein und beziehen ihre Zimmer im besten Hotel der Stadt.
    Am späten Donnerstagabend diskutierten ein paar Delegationsmitglieder in der Lobby, wo noch ein rot und blau verzierter Christbaum funkelt. Manche der tiefschwarzen, hochgewachsenen Männer haben die mit Messern eingeritzten Muster der verschiedenen Stämme auf der Stirn. Um 20 Uhr soll es eine erste Stellungnahme geben. Ein hinkender Sprecher des Rebellenführers Riek Machar kommt mit zwei Handlangern in den Saal und zieht im Nu eine Traube von Journalisten an. Doch noch bevor er sich erklären kann, lösen Vertreter des äthiopischen Außenministeriums das Spektakel auf. Keine Statements zu dieser frühen Stunde, da dies den Lauf der Gespräche gefährden könne. Und wenn sich die Journalisten nicht zu benehmen wüssten, würden sie in Zukunft überhaupt keine Informationen mehr bekommen.
    Afrikareporter Kapuściński bezeichnete Äthiopier als genauso verschlossen wie die Chinesen
    Auch das ist Äthiopien. Manchmal lässt es in sich nur schwer hineinblicken. Der große polnische Afrikareporter Kapuściński bezeichnete die Äthiopier einmal genauso verschlossen wie die Chinesen. Analyst Okello vom Friedens- und Sicherheitsinstitut in Addis Abeba hält es für möglich, dass die Verhandlungen mehrere Wochen andauern. Diese Zeit müsste man den Parteien aber auch lassen, da es hier um die Aussöhnung alter Feinde geht.
    "Man darf nicht den Fehler machen, eine bestimmte Gruppe zu unterstützen und die Zeit für die Gespräche zu beschränken. Hier geht es um ein internes Problem. Dieser Krieg wurde nicht von Khartum ins Land getragen, auch nicht von Uganda oder Äthiopien. Dieser Krieg entspringt in Südsudan selber. Diese Leute kennen sich. Sie sollten ausgiebig Zeit haben, die Dinge zwischen sich auszudiskutieren. Wenn es nach mir ginge, müssten diese Leute erst mal ordentlich miteinander reden, bevor sie über irgendetwas verhandeln. Wenn der Präsident und der Vize-Präsident miteinander sprechen wollen, schließ' sie ein und lass sie das tun. Wollen die Verhandlungsteams miteinander sprechen, sei es auf Arabisch, Englisch, Bari oder Dinka, schließ' sie ein. Man muss ihnen die Chance geben, über ihren Groll zu sprechen. Man muss sie ihre eigene Agenda bestimmen lassen. Die internationale Gemeinschaft darf nicht den Fehler machen, für Südsudan die Probleme und Ziele festzulegen."