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AfD-Kommunikation in der Coronakrise
Schlechte Zeiten für Feindbilder

In der Krise setzen viele Menschen auf etablierte Medien - auf Kosten der AfD, die mit ihren Botschaften gerade nur schwer durchdringt. Ihre Eliten-Kritik kommt in Corona-Zeiten nicht gut an.

Von Michael Meyer | 16.04.2020
Alexander Gauland, AfD-Fraktionsvorsitzender, aufgenommen nach der Bundespressekonferenz zur Reaktion der AfD Alternative fuer Deutschland nach der Wahl der Hamburger Buergerschaft. Berlin, 24.02.2020.
AfD-Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland im Februar 2020 (imago/photothek/Florian Gärtner)
Die AfD ist im Netz derzeit durchaus so aktiv, wie in normalen Zeiten auch, postet und twittert fleißig. Etwa: Hilfe für die europäischen Südländer, die Corona-Bonds, seien abzulehnen und bei der Bekämpfung der Corona-Krise bedürfe es eines "nationalen Kraftakts statt einer zögerlichen Regierung", so AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla.
Im Übrigen, so sagte es Parteichef Gauland, müsse man schnellstmöglich das Land wieder hochfahren: "Weil wir der Meinung sind, dass inzwischen die finanziellen, psychischen, wirtschaftlichen Kollateralschäden größer sind als die Gesundheitsschäden."
Medienkritik funktioniert gerade nicht so gut
Das sind einige jener Forderungen, die die AfD im Netz weiterverbreitet. Doch in Zeiten von Corona funktionieren die üblichen Feindschemata der AfD, gegen die Eliten, die sogenannten "Altparteien" oder Medien nicht mehr so gut. Im Schnitt verzeichnen zum Beispiel Facebook-Postings der AfD nur noch halb so viele Interaktionen wie sonst, stellt der Polit-Kommunikationsberater Johannes Hillje fest:
"Das bedeutet also, das stärkste Kommunikationsmittel der AfD verliert an Durchschlagskraft. Das liegt wohl auch daran, dass es im Zuge der Pandemie eher eine Orientierung Pro- statt Anti-Establishment in der Gesellschaft gibt, viele Menschen informieren sich momentan verstärkt bei etablierten Medien, Forschungsinstituten oder Gesundheitsbehörden, und diese Pro-Establishment Orientierung steht in krassem Widerspruch zur populistischen Grundannahme der AfD, dass die Eliten dem Volk schaden würden."
AfD-Pressestelle: Coronakrise als "Stunde der Exekutive"
Die "Wutmaschine" der AfD, so sagt es Johannes Hillje, funktioniert derzeit eben nicht mehr. Allerdings: Das Thema Migranten und Flüchtlinge vermag immer noch AfD-Sympathisanten zu emotionalisieren. Eines der erfolgreichsten Postings war eines, das unterstellte, Flüchtlinge hielten sich nicht an die Kontaktsperre.
Die AfD wollte sich auf Anfrage nicht zu ihrer Social-Media-Arbeit befragen lassen, die Pressestelle verschickte stattdessen nur eine launige E-Mail, in der es unter anderem heißt: "Die Coronakrise ist – einfach und simpel ausgedrückt – die Stunde der Exekutive. Dass die 'Alternative für Deutschland' mit ihren Themen nur schwerlich durchdringt, liegt jedoch an den Journalisten und Medien, die kaum mehr Wert darauf legen, was die größte Oppositionspartei im Deutschen Bundestag zu den Maßnahmen der Regierung meint."
Innerhalb der Partei gehen die Meinungen zur Bewältigung der Coronakrise stark auseinander- von Zustimmung zur Regierungspolitik bis hin zu Verschwörungstheorien, sagt Johannes Hillje: "Solche Verschwörungstheorien werden vor allem über Social Media verbreitet, zum Beispiel vom Bundestagsabgeordneten Hansjörg Müller auf YouTube, der eine Manipulation von Statistiken über Corona-Tote vermutet. Das heißt also, AfD-Politiker beteiligen sich an der "Infodemie", die es parallel zur Pandemie gibt."
Neues Jugendportal setzt auf bunt und knallig
Während die AfD selbst unter rückhaltendem Echo im Netz leidet, versuchen es einige Sympathisanten der Partei seit Anfang April mit einer neuen Seite namens "Fritzfeed". Die Betreiber, so hat es Daniel Laufer, Redakteur bei netzpolitik.org herausgefunden, haben enge Verbindungen zur nordrhein-westfälischen AfD.
Der Name "Fritzfeed" ist kein Zufall, soll er doch eine Anspielung auf die Seite "Buzzfeed" sein, die bei vielen Lesern sehr beliebt ist, allerdings wohl bald den deutschen Markt verlassen könnte – so heißt es zumindest aus der US-amerikanischen Buzzfeed-Zentrale. "Fritzfeed" kommt bunt und knallig daher, mit vielen Fotos und großen Überschriften.
Daniel Laufer: "'Fritzfeed' ist eindeutig ein rechtes Jugendportal. Was aber sicherlich fehlt, und das unterscheidet die Seite von 'Buzzfeed' und 'Bento' - also 'Buzzfeed' veröffentlicht immer wieder sehr gute Recherchen und das sucht man bei 'Fritzfeed' natürlich vergeblich. Alles, was man auf der Seite findet, sind letztendlich kurzweilige Inhalte, die frauenfeindlich sind, die rasstisch sind, die einen lauten Nationalstolz transportieren sollen. Und da wird schon ganz klar, dass in erster Linie eine Ideologie verbreitet werden soll."
Influencer der "Neuen Rechten"
In den sozialen Netzwerken ist eine erfolgreiche Szene rechtsextremer Influencerinnen und Influencer gewachsen. In Kochsendungen und rechten Werbevideos verbreiten sie eine Weltsicht, die auf Konflikt, Krieg und Rassismus beruht.
Und die wird durchaus aggressiv und knallig verpackt, gern in sogenannten "Listicals", Listen-Artikel wie "14 menschenverachtende Begriffe, mit denen Linke um sich schmeißen" oder "Zehn Aussagen, mit denen sich linke Intellektuelle zum Affen machen".
Daniel Laufer sagt, dass die Inhalte stark darauf ausgerichtet sind, auf Social-Media-Plattformen weiterverbreitet zu werden: "Weil die Artikel im Vergleich zu 'Buzzfeed' sehr monothematisch sind, könnte es auch sein, dass dieser Versuch, darüber neue Anhänger zu gewinnen, auch deswegen scheitert, weil alles, was bei 'Fritzfeed' gepostet wird, viel zu krass ist, als dass sich jemand, der nicht bereits Teil dieser rechten Szene ist, damit anfreunden kann."
In Zeiten von Corona haben es politisch extreme Ideologen schwer, durchzudringen – egal, in welchem Medium.