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Affäre um Hypo Alpe Adria
"Österreich will sich aus der Verantwortung stehlen"

Seit vier Wochen werden die Schulden der "Hypo Alpe Adria" nicht mehr bedient. Nordrhein-Westfalens Finanzminister Walter-Borjans pocht im DLF darauf, dass die Verträge mit den Gläubigern eingehalten werden - und erhebt schwere Vorwürfe gegen Österreich.

04.04.2015
    Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD).
    Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD). (imago / Astrid Schmidhuber)
    Wörtlich sagte er: "Österreich hat die europäische Bankenabwicklungsrichtlinie fehlerhaft in nationales Recht übersetzt - mit dem Ziel, sich aus der Verantwortung zu stehlen."
    Hintergrund ist die Pleite der Bank Hypo Alpe Adria, die inzwischen Heta Asset Resolution heißt und abgewickelt werden soll. Laut Bundesbank hat sie allein bei deutschen Banken Verpflichtungen von 7,1 Milliarden Euro. Für viele der Verbindlichkeiten hat das österreichische Bundesland Kärnten gehaftet. Nun ist der Schuldendienst gestoppt, und Norbert Walter-Borjans ist ungehalten.
    Die Verträge, nach denen Kärnten die Garantie übernommen habe, seien nach deutschem Recht geschlossen worden, betonte der SPD-Politiker. Und nun habe der österreichische Staat diese Haftung praktisch außer Kraft gesetzt. Walter-Borjans betont, man werde alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Kärnten habe sich eindeutig übernommen: Das Land habe einen Haushalt von zwei Milliarden Euro und hafte mit 10 Milliarden Euro, also dem Fünffachen.
    Die Hypo Alpe Adria war 2007 von der BayernLB gekauft worden und wenig später in Schieflage geraten. 2009 zog Österreich die Notbremse und verstaatlichte die Bank. Im Sommer 2014 folgte ein erster Schuldenschnitt. Anfang März 2015 tauchten dann neue Milliardenlöcher in der Bilanz auf, woraufhin der Schuldendienst dann auf Eis gelegt wurde.
    (jcs/ion)

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Jürgen Zurheide: Die Finanzwelt, und nicht nur die, schaut natürlich in diesen Tagen auf Griechenland. Und überall gibt es die bange Frage: Zahlen die Griechen ihre Anleihen zurück oder kommt es möglicherweise doch zum Grexit? Das ist die eine große Frage, die noch nicht wirklich beantwortet ist. Unterdessen ist in einem anderen Fall längst genau das eingetreten, was wir bei Griechenland die ganze Zeit diskutieren: Die Österreicher haben inzwischen gesagt, nein, wir zahlen nicht jede Staatsanleihe zurück. Und fühlen sich da sogar auf europäisch-rechtlich sicherem Boden. Die Hypo Alpe Adria ist die Bank, die seinerzeit in die Insolvenz gegangen ist. Und die Nachfolgegesellschaft hat inzwischen erste Zins- und Tilgungsleistungen ausgesetzt. In Deutschland geht es immerhin um 7,1 Milliarden. Über all das wollen wir reden mit dem nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans, den ich zunächst am Telefon begrüße. Guten Morgen, Herr Borjans!
    Norbert Walter-Borjans: Guten Morgen, Herr Zurheide!
    Zurheide: Zunächst einmal: Sie waren in dieser Woche in Asien unterwegs, haben NRW-Staatsanleihen angepriesen und verkauft – wird denn in Asien wahrgenommen, was hier in Europa gerade auch unter dem Stichwort Österreich passiert?
    Walter-Borjans: Auf jeden Fall, denn die asiatischen Zentralbankenvertreter, die zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr profunde, sehr detaillierte Kenntnisse über Finanzinstitute in Europa haben. Da ist man immer wieder überrascht, wie tief die Information geht. Aber interessanterweise dann, wenn es um die Staatsverfassungen geht, da behilft man sich oft mit Analogieschlüssen und sagt, also wir kennen das aus den USA, da kann schon mal ein Bundesstaat pleitegehen, wie ist das denn in Deutschland? Und dann ist es unser Ding zu zeigen, wie stabil bei uns die Finanzverfassung ist, dass die Länder gegenseitig füreinander eintreten, dass der Bund mithaftet, dass im Prinzip in Deutschland eine Pleite nur droht, wenn Deutschland insgesamt Pleite wäre. Wenn dann aber in einem Nachbarstaat, der auch eine Bundesrepublik ist, der auch Bundesländer hat, die Nachricht kursiert, da ist der Staat nicht mehr bereit, einzutreten, dann kommen Sie natürlich durchaus in Argumentationsnöte.
    Zurheide: Das heißt, in Österreich will man ja wirklich sagen, ja, der österreichische Bundesstaat haftet möglicherweise nicht für das, was in Kärnten, in dem Bundesland angerichtet worden ist. Und wenn Sie das sehen, solche Verunsicherungen, die führen im Kern immer dazu, dass Zinsen eigentlich steigen, wenn sich diese Sicht der Dinge durchsetzt. Ist das so?
    Walter-Borjans: Na klar, die Frage, zu welchem Zins man große Beträge anzulegen bereit ist, hängt ja immer ab von dem Vertrauen in denjenigen, der den Kredit nimmt. Und da spielen natürlich immer auch psychologische Faktoren eine Rolle. Das würde ja jedem privaten Anleger auch so gehen. Und wenn man jetzt in Asien darüber befindet, ob man 500, 600, 700 Millionen Euro anlegt, dann hat man schon ein Interesse, genau zu wissen, was da passiert. Wir sind in der Bundesrepublik völlig anders aufgestellt, bei uns gibt es diese Möglichkeit der Weigerung des Zentralstaates nicht. Bei uns haben die Länder eine vollkommen andere Größenordnung auch – Nordrhein-Westfalen allein ist dreimal von der Einwohnerzahl so groß wie ganz Österreich –, aber das muss dann erst mal erklären.
    Zurheide: Wenn Sie jetzt diese österreichische Befindlichkeit mit der griechischen vergleichen, wird da mehr nach Griechenland gefragt, oder ist der österreichische Fall, weil es eben da schon eingetreten ist, der aber noch so ein bisschen unter dem europäischen Radar läuft, der noch nicht so wahrgenommen wird – in Asien, sagen Sie, wird's wahrgenommen?
    Walter-Borjans: Mitteleuropa wird von Asien als Kernland des Vertrauens angesehen
    Walter-Borjans: Ja, wobei, ich sag mal, der Symbolwert von Griechenland, von Grexit, von all diesen Diskussionen, der ist natürlich auch in Asien größer, auch einfach weil der schon viel länger eine Rolle spielt und man sich damit länger beschäftigt. Österreich, erst recht ein einzelnes Bundesland wie Kärnten, mal nur zum Vergleich: Kärnten, hat ein Haushaltsvolumen von rund zwei Milliarden Euro, Nordrhein-Westfalen hat eins von 65, also 34-, 35-mal so viel wie Kärnten. Da weiß man natürlich auch, dass es sich hier um eine sehr kleine Einheit handelt. Aber das, was am meisten für uns sticht in dieser Geschichte, ist, wir reden über Mitteleuropa, wir reden über das, was auch von Asien aus sozusagen als das Kernland des Vertrauens gesehen wird. Und deswegen, wenn hier irgendwo der Eindruck entsteht, hier verhält sich jemand wie eine Bananenrepublik, dann ist das in der Finanzszene Asiens natürlich irgendwann eine Nachricht.
    Zurheide: Dann kommen wir genau dazu, was die Österreicher da gerade machen. Selbst wenn der Fall noch nicht so gigantisch ist, wie wir das in diesen Zeiten gelernt haben, immerhin, ich hab es gerade gesagt, 7,1 Milliarden schulden die Österreicher über diese HETA, diese Nachfolgeorganisation der Hypo Alpe Adria, Deutschland. Da sind die Bayern bei, aber auch Nordrhein-Westfalen, die NRW.Bank ist dabei mit durchaus dreistelligen Millionenbeträgen. Das sind ja keine Kleinigkeiten. Was sagen Sie zu dieser österreichischen Variante, sich da zu entschulden möglicherweise?
    Walter-Borjans: Wichtig ist, es geht hier ja nicht um Staatsanleihen, sondern es geht um Anleihen ursprünglich einer Bank, für die der österreichische Staat die Haftung übernommen hat. Ganz konkret zum Beispiel, was die Verbindlichkeiten gegenüber der NRW.Bank angeht, geht es ganz klar darum, dass nach deutschem Recht, nicht nach österreichischem Recht, nach deutschem Recht das Land Kärnten eine Garantie übernommen hat, auf die wir auch pochen. Und jetzt hat der Staat Österreich die europäische Bankenabwicklungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt, was immer alle Mitgliedsstaaten ja tun müssen. Und hat die so umgesetzt, dass er praktisch diese Haftung eines Bundeslandes in Österreich außer Kraft setzt.
    Zurheide: Also, um da mal eben zwischenzugehen, das heißt, ursprünglich hat das Land Kärnten gehaftet und dann natürlich in der Kaskade auch der Bundesstaat. Und jetzt sagen die Österreicher, rückwirkend nehmen wir das weg. Das heißt, eigentlich glaubte man, sie haben die Haftung. Und die Österreicher bestreiten das gerade. Das ist im Geschäftsleben einigermaßen ungewöhnlich.
    Walter-Borjans: Also wir glauben das nicht nur, wir sind überzeugt, dass sie die Haftung haben. Und wir werden deswegen im Zweifel auch unsere rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen ...
    Zurheide: Aber Entschuldigung, das ist ja nur der eine Punkt, der andere Punkt ist, dass die Österreicher es gerade anders versuchen.
    Walter-Borjans: Kärnten hat Haftung nach deutschem Recht übernommen
    Walter-Borjans: Ja, das ist eben der Punkt. Hier wird ja noch mal ganz pikant, dass das auch noch, das österreichische Bundesland Kärnten, das Ganze, diese Haftung auch noch nach deutschem Recht übernommen hat. Das heißt, wir haben uns hier gar nicht auf den Rechtsplatz Österreich begeben, sondern wir haben gesagt, oder die NRW.Bank hat gesagt, das legen wir nur unter diesen Bedingungen an. Der Grundgedanke dahinter ist ja einer, der eigentlich sympathisch ist, nämlich dass wir insgesamt mit der Bankenabwicklungsrichtlinie in Europa ja wollen, dass Gläubiger, dass diejenigen, die Geld anlegen, hohe Zinsen bekommen, wissen müssen, hohe Zinsen sind immer verbunden mit einem hohen Risiko. Und es kann nicht sein, dass am Ende, wenn das Risiko eintritt, der Steuerzahler eines Landes das Risiko übernehmen muss. Also die Grundidee, der österreichische Steuerzahler soll jetzt nicht haften für die, die große Zinsen kassiert haben, ist ja in Ordnung. Wir stellen nur zwei Dinge jetzt fest: Erstens, in diesem Fall ist der Gläubiger auch wieder Steuerzahler, und zwar vorwiegend der bayrische, aber auch der nordrhein-westfälische und andere. Und der zweite Punkt ist, es sind eben Verträge geschlossen worden. Das, was wir jetzt besprechen mit der Abwicklungsrichtlinie, muss gelten für all das, was man jetzt künftig macht. Da finde ich es völlig richtig, dass man in den Zinsen Risiko abbildet und das Risiko auch selber tragen muss. Nur wir haben Verträge gemacht, wir haben Haftungen, wir haben Garantien. Und wenn dann ein mitteleuropäischer Staat sagt, na ja, das schaffen wir jetzt nicht mehr, wir haben uns da übernommen, dann löst das natürlich eine Menge an Änderungsbedarf aus. Aber es löst auch aus, dass zunächst mal die Verbindlichkeiten, die bestehen, dass die auch bedient werden.
    Zurheide: Wer muss denn jetzt was ändern, denn die Österreicher wähnen sich ja im Recht, eben weil Sie es gerade angesprochen haben, dass sie sagen, na ja, die Gläubigerhaftung will die europäische Ebene. Sagen Sie, auf europäischer Ebene muss da jetzt was klargestellt werden. Und wenn ja, wer muss was klarstellen, damit so was nicht passiert, dass man rückwirkend Bedingungen verändert?
    Walter-Borjans: Ja, da gibt es eine Reihe von Ansatzpunkten. Der erste ist jetzt mal, dass wir der Überzeugung sind, Österreich hat die europäische Bankenabwicklungsrichtlinie fehlerhaft in nationales Recht übersetzt. Und zwar mit dem Ziel, sich aus der Verantwortung zu schleichen. Das ist ein Punkt, den können wir nicht zulassen. Österreich beziehungsweise ein Land wie Kärnten hat sich übernommen, das muss man feststellen. Wenn ein Bundesstaat in Österreich ein Haushaltsvolumen von zwei Milliarden Euro hat, aber an internationalen Verbindlichkeiten über ein einziges Institut, nämlich die HETA, also die Abwicklungsanstalt der Hypo Alpe Adria, runde zehn Milliarden Verbindlichkeiten hat, also das Fünffache des eigenen Haushaltsvolumens, dann zeigt sich, das ist blanke Not, aus der die jetzt diese Schlüsse ziehen. Nur sie sind nach unserer Auffassung nicht rechtens. Und wir müssen erstens sicherstellen, dass dann der österreichische Staat insgesamt seine Verantwortung wahrnimmt. Und das Zweite ist, dass man jetzt auf die Zukunft gerichtet sich angucken muss, es kann nicht sein, dass man Garantien übernehmen kann in einer Größenordnung, die man im Schadensfall niemals bedienen kann. Erst recht nicht als ein Klumpen. Also es geht ja nicht darum, dass hier ein Bundesland insgesamt für zehn Milliarden Garantien übernommen hat, sondern sie hat es übernommen für eine einzige Einrichtung, die, wenn sie dann pleitegeht, mit einem Schlag ein Fünffaches des Haushaltsvolumens an Garantieforderungen auslöst. So was darf gar nicht möglich sein, weil es nie jemand bezahlen kann.
    Zurheide: Noch was anderes: Wenn es denn wirklich darum geht, dass Staatsanleihen künftig nicht mehr sicher sind, dann heißt das doch für die Refinanzierung auch der Banken, sie müssen es mit Eigenkapital hinterlegen, dann wird die Staatsfinanzierung teurer. Also geht man da nicht auch einen Irrweg, so richtig die Gläubigerbeteiligung ist?
    Walter-Borjans: Österreich ist nicht in der Totalverweigerung
    Walter-Borjans: Ja, natürlich, deswegen haben wir ja auch immer darauf gepocht, deutlich zu machen, es gibt einen Unterschied zwischen wirklich voll garantierten Krediten, für die eine Bank dann auch nicht hinterlegen muss, weil der Fall nicht eintritt, dass die Garantie nicht eingehalten wird. Insofern ist, so groß die Beträge sind, über die wir jetzt reden, sie sind ja in der Gesamtsumme der globalen Finanzbeziehungen noch, ich sag mal, überschaubar. Der Schaden, der ausgelöst wird, ist der Vertrauensschaden. In dem Moment, wo jemand, der Geld anlegt, diese enorme Sicherheit, die er in Mitteleuropa wähnt, indem er die nicht mehr sieht, wird die Bereitschaft sinken, wird er Garantieanforderungen, ich sage mal, wird er auch eine doppelte Naht notfalls fordern. Und das bedeutet, dass man dann wiederum alle Beteiligten eher gleichbehandelt wie die, die in anderen Risikokategorien spielen, also private Schuldner. Und das bedeutet am Ende natürlich eine Verteuerung für Kredite. Ich möchte nur in diesem Punkt ganz klar dazu sagen, wir sind ja noch an einer Stelle, in der Österreich zunächst mal die Bedienung dieser Kredite ausgesetzt hat. Also wir sind weder beim Schuldenschnitt, wir sind auch nicht bei der Totalverweigerung. Es geht jetzt darum, dass man eben das, was bis 2016 fällig wird, zunächst mal nicht zahlen will. Und es geht auch darum, dass man hier nicht etwa in Aussicht gestellt hat, dass man überhaupt nichts mehr an diesen Krediten bedienen will. Das ist auf der einen Seite ein ganz schlechtes Zeichen für die internationalen Finanzmärkte, auf der anderen Seite gibt es ein Stück Raum, auch noch mal deutlich zu machen, wisst ihr eigentlich, mit welchem Feuer ihr hier spielt.
    Zurheide: Das war der nordrhein-westfälische Finanzminister zur schwierigen Lage und Einschätzungen zu Österreich, wie man gerade mit Schulden umgeht, um 7:29 Uhr. Danke, Herr Nobert Walter-Borjans für dieses Gespräch, danke schön!
    Walter-Borjans: Ja, gerne!
    Zurheide: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.