Vor 14 Jahren veränderte der Fund eines Kieferfragments im chinesischen Longgupo sämtliche bisherigen Theorien zum Stammbaum der Menschheit.
"1995 stellten wir die Theorie auf, dass der kleine Kiefer aus Longgupo zu einem frühen Homininen, also zur Frühmenschenlinie, gehörte. Mit 1,9 Millionen Jahren war er damit der erste Mensch, der Afrika gen Asien verlassen hatte."
Für Russell Ciochon von der Universität von Iowa war damals die auch als Pre-erectus- Hypothese bekannte Interpretation die einzig logische. Doch 14 Jahre sind auch in der Paläoanthropologie eine lange Zeit. Neue Fossilienfunde können Hypothesen ins Wanken bringen. Nach der sensationellen Entdeckung des ältesten menschlichen Vertreters außerhalb Afrikas arbeitete Ciochon weiter in China. 2005 durfte er die Fundstelle Mohui westlich von Hong Kong besuchen. Dort hatten chinesische Paläontologen Zähne von frühen Orang Utans und des ausgestorbenen Riesenaffen Gigantopithecus entdeckt. Ciochon:
"Aber da gab es noch eine dritte Gruppe von Zähnen, die in keine Kategorie passte. Und als ich mir die Zähne genauer anschaute dämmerte es mir, dass sie genauso aussahen wie die Zähne unseres Urmenschen. Mir wurde klar, dass der Kiefer aus Longupo vermutlich nicht zu einem Frühmensch gehörte, sondern von einem unbekannten Affen stammte."
Schweren Herzens begann sich Russell Ciochon von seiner Theorie zu verabschieden. Je mehr er darüber nachdachte und sich weitere Fossilien aus der Zeit vor knapp zwei Millionen Jahren anschaute, umso unwahrscheinlicher wurde es für ihn, dass Frühmenschen aus der afrikanischen Savanne plötzlich in dichten asiatischen Wäldern gelebt haben sollen. Ciochon:
"Vielleicht haben Menschen diese Wälder nie bewohnt. Wahrscheinlich sind alle diese frühen Fossilien aus Südchina und dem nördlichen Südostasien falsch interpretiert worden."
Als er erstmals mit chinesischen Kollegen über seine neue Theorie sprach, erntete er nur Ablehnung. Über zehn Jahre hatte sein altes Konzept Bestand und viele neue Funde passten scheinbar gut in diese Theorie. Dass viele Paläontologen eine Dekade ihrer Karriere einer falschen Interpretation aufgesessen sein könnten, wollte niemand wahrhaben. Aber wie Ciochon die Fossilen auch drehte und wendete, die pre-erectus-These war nicht mehr zu halten. Zeit also, umzudenken:
"Wenn wir davon ausgehen, dass Homo erectus der einzige frühe Hominine in Asien war, dann war die menschliche Vielfalt dort wesentlich geringer als bislang angenommen. Zum anderen bedeutet das, dass die Einwanderung nach Asien 300.000 Jahre später vonstatten ging, nämlich erst vor 1.6 Millionen Jahre über die indonesische Insel Java."
Wenn die Funde aus Longgupo nicht zu einem Frühmenschen gehören, müssen sie einer bislang unbekannten ausgestorbenen Affenart zugerechnet werden. Wie diese ausgesehen hat, weiß der amerikanische Paläoanthropologe jedoch noch nicht.
"Dieser mysteriöse Affe ist bislang nur ein Konzept. Es gibt viele Fossilien, die in diese Gruppe passen. Aber wir wissen noch nicht, ob es ein oder vielleicht auch mehrere Affen sind. Das herauszufinden ist unsere nächste Aufgabe."
Um Klarheit zu schaffen durchsuchen Ciochons Kollegen in China gerade sämtliche Fossiliensammlungen nach ähnlichen Zähnen. Er selbst war mittlerweile auch in Frankfurt, wo im Senckenbergmuseum der Nachlass von Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald archiviert ist. Dieser hatte 1957 in Arzneiläden in China bereits Zähne entdeckt, die ebenfalls in keine Kategorie passten. Während seine Kollegen sie als abgenutzte Orang Utan-Zähne bezeichneten, schlug von Koenigswald die Gattung Hemanthropus vor. Obschon diese Theorie vor mehr als 50 Jahren als nicht beweisbar abgetan wurde, könnten sie nun neuen Auftrieb erhalten. Die Geschichte der ersten Menschen in Asien geht schon bald in die nächste Runde.
"1995 stellten wir die Theorie auf, dass der kleine Kiefer aus Longgupo zu einem frühen Homininen, also zur Frühmenschenlinie, gehörte. Mit 1,9 Millionen Jahren war er damit der erste Mensch, der Afrika gen Asien verlassen hatte."
Für Russell Ciochon von der Universität von Iowa war damals die auch als Pre-erectus- Hypothese bekannte Interpretation die einzig logische. Doch 14 Jahre sind auch in der Paläoanthropologie eine lange Zeit. Neue Fossilienfunde können Hypothesen ins Wanken bringen. Nach der sensationellen Entdeckung des ältesten menschlichen Vertreters außerhalb Afrikas arbeitete Ciochon weiter in China. 2005 durfte er die Fundstelle Mohui westlich von Hong Kong besuchen. Dort hatten chinesische Paläontologen Zähne von frühen Orang Utans und des ausgestorbenen Riesenaffen Gigantopithecus entdeckt. Ciochon:
"Aber da gab es noch eine dritte Gruppe von Zähnen, die in keine Kategorie passte. Und als ich mir die Zähne genauer anschaute dämmerte es mir, dass sie genauso aussahen wie die Zähne unseres Urmenschen. Mir wurde klar, dass der Kiefer aus Longupo vermutlich nicht zu einem Frühmensch gehörte, sondern von einem unbekannten Affen stammte."
Schweren Herzens begann sich Russell Ciochon von seiner Theorie zu verabschieden. Je mehr er darüber nachdachte und sich weitere Fossilien aus der Zeit vor knapp zwei Millionen Jahren anschaute, umso unwahrscheinlicher wurde es für ihn, dass Frühmenschen aus der afrikanischen Savanne plötzlich in dichten asiatischen Wäldern gelebt haben sollen. Ciochon:
"Vielleicht haben Menschen diese Wälder nie bewohnt. Wahrscheinlich sind alle diese frühen Fossilien aus Südchina und dem nördlichen Südostasien falsch interpretiert worden."
Als er erstmals mit chinesischen Kollegen über seine neue Theorie sprach, erntete er nur Ablehnung. Über zehn Jahre hatte sein altes Konzept Bestand und viele neue Funde passten scheinbar gut in diese Theorie. Dass viele Paläontologen eine Dekade ihrer Karriere einer falschen Interpretation aufgesessen sein könnten, wollte niemand wahrhaben. Aber wie Ciochon die Fossilen auch drehte und wendete, die pre-erectus-These war nicht mehr zu halten. Zeit also, umzudenken:
"Wenn wir davon ausgehen, dass Homo erectus der einzige frühe Hominine in Asien war, dann war die menschliche Vielfalt dort wesentlich geringer als bislang angenommen. Zum anderen bedeutet das, dass die Einwanderung nach Asien 300.000 Jahre später vonstatten ging, nämlich erst vor 1.6 Millionen Jahre über die indonesische Insel Java."
Wenn die Funde aus Longgupo nicht zu einem Frühmenschen gehören, müssen sie einer bislang unbekannten ausgestorbenen Affenart zugerechnet werden. Wie diese ausgesehen hat, weiß der amerikanische Paläoanthropologe jedoch noch nicht.
"Dieser mysteriöse Affe ist bislang nur ein Konzept. Es gibt viele Fossilien, die in diese Gruppe passen. Aber wir wissen noch nicht, ob es ein oder vielleicht auch mehrere Affen sind. Das herauszufinden ist unsere nächste Aufgabe."
Um Klarheit zu schaffen durchsuchen Ciochons Kollegen in China gerade sämtliche Fossiliensammlungen nach ähnlichen Zähnen. Er selbst war mittlerweile auch in Frankfurt, wo im Senckenbergmuseum der Nachlass von Gustav Heinrich Ralph von Koenigswald archiviert ist. Dieser hatte 1957 in Arzneiläden in China bereits Zähne entdeckt, die ebenfalls in keine Kategorie passten. Während seine Kollegen sie als abgenutzte Orang Utan-Zähne bezeichneten, schlug von Koenigswald die Gattung Hemanthropus vor. Obschon diese Theorie vor mehr als 50 Jahren als nicht beweisbar abgetan wurde, könnten sie nun neuen Auftrieb erhalten. Die Geschichte der ersten Menschen in Asien geht schon bald in die nächste Runde.