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Afri-Cola und Co

Gutes Design gibt immer auch Auskunft über die Zeit, in der es entsteht. Einer, der sich um die Form als Zeichen von Werten Gedanken machte, war Jupp Ernst. 1905 geboren hatte er Berührung mit dem Bauhaus und gründete nach dem Krieg die Gruppe "Junger Westen", die dann ihrerseits den deutschen Werkbund wiederaufbaute. Jupp Ernst wirkte als Direktor der Werkkunstschule in Wuppertal und dort ist ihm nun eine Ausstellung gewidmet.

Von Anne Linsel |
    Die Flasche mit der Taille, den handlichen Einkerbungen, mit Schrift und Palme, erlangte Kultstatus und machte ihren Erfinder international berühmt: 1962 hatte der Grafiker und Designer Jupp Ernst die Afri-Cola-Flasche entworfen. Aber schon längst vorher war er in Deutschland als Wächter des guten Geschmacks ein Begriff. Zu seinem 100. Geburtstag widmet das Institut für Bild- und Kunstwissenschaften der Bergischen Universität Wuppertaldem Designer, Künstler und Lehrer eine Ausstellung mit Arbeiten aus seinem Nachlass.

    Jupp Ernst, 1905 in Paderborn geboren, studierte Grafik in Bielefeld, eröffnete ein eigenes Werbe-Atelier in Berlin, bevor er 1940 als Soldat eingezogen wurde. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges setzte er sich vor allem für eine neue Ausbildung an den Kunstgewerbeschulen ein, die das, wie er es nannte, "romantisierende Handwerk in der nationalsozialistischen Ära" überwinden sollte.

    So war es für Jupp Ernst ein Glücksfall, dass er 1948 an die "Meisterschule für gestaltendes Handwerk" in Wuppertal als Direktor berufen wurde. Er nannte die Schule sofort um in "Werkkunstschule", Vorgänger des heutigen Designfachbereichs der Bergischen Universität, und reformierte sie gründlich. Neue Lehrer, neue Fächer wie "Industriedesign" und ein "Institut für Industrieform" machten die Schule international bekannt. Jupp Ernst hatte ein klares pädagogisches Ziel: die Schüler fähig zu machen, mit neuen Methoden und zeitgerechten Materialien ihre Aufgaben zu lösen, ohne die grafische Tradition zu missachten. Diese Tradition: Das war die Idee der guten Form, wie sie schon im Bauhaus in Weimar gelehrt wurde – sachlich, funktionsgerecht, gebrauchsorientiert und – schön. Alles, was den Menschen umgibt und was er an Gegenständen benutzt, sollte sich daran orientieren. In der programmatischen Broschüre "Kampf dem Kitsch" schrieb Jupp Ernst: "Die Erzeugung von Waren sollte eine Erzeugung von Werten sein."

    Nicht nur als Lehrer hat er dieses Ideal weitervermittelt. Auch viele deutsche Firmen überzeugte er davon, dass modernes Design zum Wirtschaftsaufschwung führen kann. So entwarf er Tassen, Teller, Kannen, Dosen, Kaffee- Filter für Melitta und Rosenthal, Tapeten für Rasch, Plakate für Resopal, Möbel für die Deutschen Werkstätten, arbeitete für Goldpfeil oder Bentz-Papier. Alle Objekte zeugen bis heute von gutem, wertorientierten Geschmack. Viele dieser Firmen haben damals Professuren für Design an den Werkkunstschulen und späteren Hochschulen bezahlt. Auch das ein Verdienst von Jupp Ernst.

    Von 1954 bis 1969 leitete Ernst die Werkkunstschule Kassel. Er war Mitgründer der Zeitschrift "form", Mitinitiator des "Rates für Formgebung" und lange Jahre Vorstandsmitglied des Deutschen Werkbundes.

    Zum ersten Mal organisierte er eine Ausstellung "Grafikdesign und industrial Design " als Sonderabteilung der Documenta III in Kassel. Jupp Ernst starb 1987.

    Die Wuppertaler Ausstellung mit Plakaten, Stühlen, Sesseln, Geschirr, Firmenlogos, Buchentwürfen ehrt einen Künstler, der deutsche Designgeschichte geschrieben hat, und einen Lehrer mit charismatischer Ausstrahlung. Auch Feiern konnte Jupp Ernst: die Karnevalsfeste, die er an der Wuppertaler Werkkunstschule ins Leben gerufen hatte, erlangten mit dem schönen Namen "Mondschaukel" legendären Ruf weit über die Stadtgrenzen hinaus. Der damalige Düsseldorfer Kunstakademie-Student Günter Grass ist mehrfach vom Rhein an die Wupper gereist und hat auf einer Flöte zum Tanz aufgespielt.