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Agrarwirtschaft
Fünf Jahre EU-Pflanzenschutzverordnung

Chemiehersteller und Landwirte befürchten Einbußen, weil sie künftig nur noch ein Viertel der gegenwärtig verwendeten Mittel einsetzen können. Befürworter des 2009 verabschiedeten EU-Pflanzenschutzpakets hingegen hoffen auf wieder mehr biologische Vielfalt.

Von Verena Kemna | 17.01.2014
    Es ist gerade einmal vier Jahre her, da hat die Europäische Union ein Pflanzenschutzpaket beschlossen und die Zulassung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln völlig neu geregelt. Ein großer Wurf für den Umweltschutz in Europa, lobte damals der Präsident des Umweltbundesamtes. Schließlich würden mit der neuen Zulassungsverordnung besonders gefährliche Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln verboten.
    Heute, einige Jahre danach malt der Industrieverband Agrar ein düsteres Bild von der Zukunft der deutschen Landwirtschaft. So müssten die Landwirte in den nächsten Jahren auf viele bewährte Pflanzenschutzmittel verzichten. Pflanzenkrankheiten etwa bei Weizen wären nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr zu bekämpfen. Hinter dem Industrieverband Agrar, der die Interessen der agrochemischen Industrie vertritt, stehen Unternehmen aus den Bereichen Pflanzenschutz, Pflanzenernährung, Schädlingsbekämpfung und Biotechnologie. Helmut Schramm, Präsident des Industrieverbandes Agrar über die Folgen der neuen Zulassungsbestimmungen für Pflanzenschutzmittel.
    "Da kommen wir beim Getreide und bei den Fungiziden zu dem Ergebnis, dass wir quasi neun von den Top Ten Produkten verlieren würden. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass wir bei den Kartoffelfungiziden als auch bei den Kartoffelherbiziden die Hälfte verlieren würden. Es wäre dramatisch für die Landwirtschaft, wenn diese Betriebsmittel wegfallen würden."
    In sechs Jahren könnten drei Viertel der Produkte, die heute noch beim Pflanzenschutz eingesetzt werden, ganz vom Markt verschwunden sein. Der Präsident des Industrieverbandes Agrar warnt vor den, seiner Meinung nach, völlig überzogenen Zulassungsanforderungen aus Brüssel.
    "Seit der Einführung der neuen Verordnung hat die Zulassung von Wirkstoffen deutlich abgenommen. Es ist auch so, dass insgesamt in der Pipeline, sprich, in der Entwicklung sich befindende Wirkstoffe deutlich geringer sind als in der Vergangenheit wegen dieser neuen und überhöhten Anforderungen."
    Schlechte Bedingungen, um in Pflanzenschutzmittel zu investieren, kritisiert Schramm. Dabei dauert die Entwicklung eines neuen Pflanzenschutzwirkstoffes in Europa im Durchschnitt etwa 10 Jahre, Investitionen von rund 200 Millionen Euro seien dafür nötig. Erst im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung im Zuge der Vorgaben aus Brüssel den Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln verabschiedet. Demnach sollen chemische Pflanzenschutzmittel auf ein notwendiges Maß zu begrenzt und nichtchemische Mittel verstärkt eingesetzt werden. Der Verlust an Artenvielfalt sei bedrohlich, meint Susan Hoffmanns vom Pestizid-Aktions-Netzwerk PAN.
    "Durch den massiven Verlust an biologischer Vielfalt, die zum Teil auch dadurch kommt, dass so viele chemische Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden, verhindern wir auch die Möglichkeit der biologischen Schädlingsbekämpfung. Wenn wir es nicht schaffen, dass wir hier eine Bewirtschaftungsveränderung kriegen, dann nehmen wir auch künftigen Generationen die Chancen, auf ein zukunftssicheres Agrarsystem und die Chance, dass auch künftige Generationen biologische Schädlingsbekämpfung machen können."
    Integrierter Pflanzenschutz statt chemischer Keule. Wenn demnächst Wiederzulassungen für bereits genehmigte Pflanzenschutzmittel anstehen, wird sich die Wirkung der EU-Vorgaben zeigen.
    "Wenn die Genehmigungen für die Wirkstoffe jetzt auslaufen und erneuert werden müssen, dann wird sich zeigen, ob wir tatsächlich zukünftig besser geschützt werden, als Menschen, als Verbraucher die durch die Landschaft gehen vor diesen gefährlichen Pestiziden."