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Akkreditierung entzogen
Türkei-Korrespondenten rätseln über Arbeitsverbot

Die Türkei hat drei deutschen Journalisten die Arbeitserlaubnis verweigert und sie gezwungen, das Land - zumindest vorübergehend - zu verlassen. Gründe für die Entscheidung nannten die türkischen Behörden nicht. Das Auswärtige Amt hat die Reisehinweise für die Türkei inzwischen verschärft.

Von Marion Sendker | 11.03.2019
Thomas Seibert (l) und Jörg Brase bei einem Interview vor ZDF-Logo
Keine Arbeitserlaubnis mehr in der Türkei: Thomas Seibert und Jörg Brase (dpa/ Christine Röhrs)
Es sind ihre vorerst letzten Minuten in der Türkei, als sie gemeinsam zum Flughafen aufbrechen. Thomas Seibert vom Tagesspiegel und Jörg Brase vom ZDF müssen gehen. Denn sie haben keine Pressekarte mehr bekommen – das kommt einem Rauswurf gleich. Gründe für ihre Entscheidung nannten die türkischen Behörden nicht, sagt ZDF-Korrespondent Jörg Brase.
"Es mag viele Berichte geben, die das ZDF gemacht hat, die der türkischen Regierung nicht gefallen haben, aber das haben auch andere gemacht. Ich denke, es ging darum, ein Exempel zu statuieren, ich weiß nicht, ob es mit meiner Person zu tun hatte – weil man uns sagte, es hat nichts mit ZDF zu tun und auch nicht mit meiner Berichterstattung, womit sonst?"
Seibert muss nach 22 Jahren gehen
Auch Tagesspiegel-Korrespondent Thomas Seibert kann nur rätseln, warum er nach 22 Jahren die Türkei verlassen muss – zumal er aus Istanbul kaum über die Türkei, sondern überwiegend über den Nahen Osten berichtet. Fernseh-Kollege Brase kündigte an, jetzt wohl nach Teheran zu gehen. Denn im Iran ist er akkreditiert, dort darf er arbeiten.
"Ich bin gezwungen, jetzt von außerhalb der Türkei über die Türkei zu berichten, als Reporter als Korrespondent will man das natürlich nie. Man will immer da sein, wo etwas passiert. Dadurch, dass man mir die Pressekarte verweigert, schadet man der Türkei mehr, als dass man dem ZDF oder mir schadet."
Die Sache beschäftigt längst die Bundesregierung. Nach Versuchen stiller Diplomaten verschärfte das Auswärtige Amt am Wochenende die Reisehinweise. Damit ist eine neue Eskalationsstufe erreicht:
"Äußerungen, die nach deutschem Rechtsverständnis von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, können in der Türkei zu berufsbeschränkenden Maßnahmen und Strafverfahren führen."
Auswirkungen auf deutsche Investitionen
Das könnte – kurz vor Beginn der Hauptsaison - nicht nur Touristen abschrecken, sondern sich auch auf deutsche Investitionen in der Türkei auswirken, erwarten Branchenkenner – zumal auch Wirtschaftsvertreter in deutschen Fernsehräten sitzen. Bemerkenswert ist der Versuch von Vertretern der türkischen Botschaft in Deutschland, hinter den Kulissen einen Deal mit ZDF und Tagessspiegel auszuhandeln, erzählt "Tagespiegel"-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron.
"Der Presseattaché machte deutlich, dass es kein Schritt gegen den Tagesspiegel sei, dass wir das nicht missverstehen sollten, sondern allein eine Sache Seiberts. Und dann kam der Vorschlag, wir sollten ihn doch am besten auswechseln und jemand anderes schicken. Das mag man sich in Ankara so ausdenken, aber wo kommen wir denn dahin, wenn sich die Regierungen dieser Welt ihre Berichterstatter ausdenken können?"
Das kann die türkische Regierung zwar nicht – aber: Sie hat die Macht, die nach Hause zu schicken, die sie – warum auch immer – nicht im Land haben will, so wie Thomas Seibert vom Tagesspiegel.
"Unser Tag hier ist traurig, aber es ist Luxus im Vergleich zu dem, was die türkischen Kollegen durchmachen. Aber ich glaube trotzdem nicht, dass es hier um eine Botschaft nach innen geht, es geht um eine Botschaft nach außen. Nachdem hier die türkischen Kollegen an die Kette gelegt wurden, soll dasselbe oder ähnliches soll jetzt mit den ausländischen Medien versucht werden."
Aktuell warten noch rund 80 andere ausländische Journalisten auf ihre Pressekarte. Die sollte längst da sein – normalerweise wird sie zum Jahreswechsel ausgestellt.