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Akkus
Mehr Unordnung für mehr Sicherheit

Im vergangenen Jahr war über Boeings komplette Dreamliner-Flotte ein Startverbot verhängt worden, nachdem an Bord zweier Jets ein Feuer ausgebrochen war. Lithium-Ionen-Akkus, die der Stromversorgung dienten, hatten sich überhitzt und waren in Brand geraten. Im "Journal of the American Chemical Society" haben US-Forscher ein Material vorgestellt, das Akkus deutlich sicherer machen könnte.

Von Arndt Reuning |
    Die Achillesferse eines Lithium-Akkus ist sein Elektrolyt. In diesem Medium wandern die geladenen Lithium-Teilchen, die Ionen, zwischen den beiden Polen der Batterie hin und her. Üblicherweise handelt es sich dabei um brennbare Flüssigkeiten. Wenn der Akku überhitzt, dann kann im Extremfall die Flüssigkeit verdampfen. Sie kann die Hülle sprengen und das Bauteil in Flammen aufgehen lassen. Geoffrey Coates von der Cornell University im US-Bundesstaat New York setzt daher auf eine andere Materialklasse: auf Kunststoffe, Polymere.
    "Das gehört zu den großen Vorteilen eines Polymers: Wenn man es erhitzt, verdampft es nicht. Es kann daher die Batterie nicht zum Platzen bringen. Außerdem kann es im Gegensatz zu einer Flüssigkeit nicht aus dem Akku auslaufen. Und mit dem Lithium selbst geht es kaum eine chemische Reaktion ein."
    Aber gerade bei Raumtemperatur besitzen die Polymere auch einen deutlichen Nachteil: Sie verlängern die Ladezeit. Denn den Ionen fällt es deutlich schwerer, die Polymerschicht zu durchwandern. Immer wieder werden sie gebremst, weil sich an vielen Stellen die langen Kettenmoleküle des Polymers zusammenlagern. Sie bilden hoch geordnete Bereiche und behindern somit die Wanderbewegung der Ionen.
    Schneller laden dank Spaghetti-Effekt
    Die Lösung des Problems fand Geoffrey Coates bei einem Phänomen aus der Küche:
    "Ungekochte Spaghetti liegen dicht an dicht aneinander. Zwischen den einzelnen Nudeln gibt es praktisch keinen Zwischenraum. Im gekochten Zustand aber schlängeln sich die Spaghetti kreuz und quer durcheinander. Dadurch entstehen zwischen ihnen viele kleine Hohlräume. Mit unserem Polymer ist es genauso: Die hoch geordneten Bereiche behindern eigentlich die Wanderung der Lithium-Ionen. Wir haben aber einen Weg gefunden, die Struktur des Materials zu verändern: Es verliert an Ordnung, so wie die gekochten Spaghetti. Dadurch können die Ionen viel leichter hindurch wandern."
    Das erreicht der Chemiker, indem er zwei verschiedene Polymere wählt und deren Kettenmoleküle miteinander verknüpft. So entsteht ein ungeordnetes Netzwerk mit vielen kleinen Öffnungen, durch welche die Ionen hindurch schlüpfen können. Ein zusätzlicher Weichmacher verbessert die Leitfähigkeit noch einmal deutlich.
    "Wenn man Spaghetti kocht und anschließend in den Kühlschrank stellt, dann kleben die Nudeln aneinander. Aber nur wenige Tropfen Olivenöl machen sie gleitfähig. Eine ganz ähnliche Rolle spielt für unser Material der Weichmacher. Er sorgt dafür, dass die langen Kettenmoleküle beweglich bleiben. So können die Lithium-Ionen sich besser zwischen ihnen hindurch bewegen."
    Keine Kurzschlüsse mehr
    Das Material besitzt außerdem noch eine zweite wichtige Eigenschaft: Es kann Kurzschlüsse im Inneren der Zelle verhindern. Die entstehen oft dann, wenn von einem Pol der Zelle aus feine Finger aus metallischem Lithium zum anderen Pol hinüber wachsen. Wie Geoffrey Coates zeigen konnte, unterdrückt sein Polymerelektrolyt diesen Vorgang.
    "Wir wissen noch nicht so genau, woran das liegt. Aber wir vermuten, dass die Architektur unseres Kunststoffes dafür verantwortlich ist: Die Zwischenräume in dem Netzwerk sind viel zu klein für die Metallfinger. Aber eben groß genug für die Ionen, die dadurch auch deutlich gleichmäßiger über den Elektrolyten verteilt werden - sodass diese Metallgebilde gar nicht erst entstehen."
    Eine hohe Leitfähigkeit für Lithium-Ionen und gleichzeitig ein beträchtlicher Widerstand gegen das Wachstum der Metallfinger - diese beiden Eigenschaften lassen das Material als einen vielversprechenden Kandidaten für zukünftige Akkumulatoren erscheinen.