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Aktenzeichen XXX ungelöst

Internet.- Sieben Jahre lang wurde heftig um eine Domain gestritten, die mit ihrer eindeutigen Endung ".xxx" Webseiten mit pornografischen Inhalten kenntlich machen soll. Nun hat die ICANN, die Verwaltungsagentur des Internets, grünes Licht für einen solchen virtuellen Rotlichtbezirk gegeben.

Von Sven Töniges | 09.04.2011
    Ab Sommer 2011 dürfen und sollen Anbieter von "Erwachsenen-Inhalten" die neue Top-Level-Domain ".xxx" nutzen. Mit dieser Entscheidung des ICANN-Vorstands von Mitte März schien ein jahrelanger Streit um die Porno-Adress-Endung beendet. Das hoffte wohl auch ICANN-Vorstandsvorsitzender Peter Dengate Trush.

    "Diese Entscheidung steht am Ende eines sehr langen Prozesses und ich denke, wir haben einen ordentlichen Job gemacht."

    Doch das wird sich noch erweisen müssen. Denn die Debatte um die Porno-Domain hält an. Der Sperrbezirk fürs Internet bleibt umstritten - nicht nur bei Sittenwächtern, sondern auch in der Porno-Industrie selbst, deren Vertreter sich teilweise ghettoisiert fühlen.

    Dabei geht es weniger um das Thema Pornographie im Internet. Es geht längst um ganz grundsätzliche Fragen der Internet-Verwaltung, und es geht um viel Geld. 1998 wurde die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers, kurz ICANN, auf Initiative der US-Regierung gegründet. Seitdem verwaltet die nicht-kommerzielle Stiftung die Top-Level-Domains im Internet, also Adress-Endungen wie ".com" oder ".de". 2004 kündigte ICANN die Einführung neuer Endungen an. Doch um diese neuen Top-Level-Domains gibt es seitdem reichlich Hickhack. Es geht um inhaltliche Interessen – und um kommerzielle. Die "TLDs" bedeuten einen Milliardenmarkt. Wer die begehrte Ressource künstlich verknappt, kann den Preis hochtreiben.

    Auch bei der Porno-Domain ".xxx" stand am Anfang eine Geschäftsidee: Das amerikanische Unternehmen ICM-Registry beantragte bei ICANN, die Domain exklusiv vermarkten zu dürfen. 558.000 Reservierungen für die Porno-Domain habe man bereits, verkündet das Unternehmen auf seiner Webseite. Die Firma wirbt damit, dass die .xxx-Endung für Ordnung in der Schmuddel-Ecke des Internets sorge. Die Endung solle nur Porno-Anbietern zur Verfügung stehen, wer kriminelle Angebote, Viren oder gar Kinderpornographie einschleust, verliere seine Adresse.

    Ein Argument, dem auch Thomas Rickert etwas abgewinnen kann. Der Anwalt ist Experte für Domain-Recht und leitet den entsprechenden Bereich beim Verband der deutschen Internetwirtschaft "eco".

    "Am Ende des Tages bietet eine solche Adresse für Länder, die es gut meinen, oder die es sinnvoll einsetzen, auch eine hervorragende Möglichkeit, sogenannten technischen Jugendmedienschutz zu betreiben. Das heißt, man kann für bestimmte Nutzergruppen, Nutzer bestimmten Alters, wenn ich technische Filter habe, dafür Sorge tragen, dass bestimmte Seiten nicht aufgerufen werden."

    Jedoch sind genau diese technischen Filtermöglichkeiten auch der Grund für den erheblichen Widerstand gegen die Porno-Domain. Da Pornographie im Internet nicht in allen Staaten dieser Erde toleriert wird, sei die .xxx-Kennung eine Einladung an Staaten und Regierungen, diese Domain einfach komplett auszusperren. Sie könnten ihr Filter- und Zensursystem weiter ausbauen, so fürchtete man vor allem im Regierungsbeirat von ICANN, einem Gremium, in dem Vertreter von Staaten aus aller Welt sitzen. Die Sorgen seien berechtigt, glaubt auch der Domain-Rechtler Rickert:

    "In den Händen der Zensoren kann ein ganz anderes Signal ausgesendet werden, und da können Gefahren für die freie Meinungsäußerung entstehen, wenn komplette Adresszonen blockiert werden. Und das ist unter Triple-X natürlich viel gefährlicher als unter ".com", oder anderen Top-Level-Domains, wo man einzelne Secondary-Level-Domains sperren müsste, da kann man natürlich nicht alle 80 Millionen .com-Domains sperren."

    Und in der Tat: Laut Presseberichten haben Saudi-Arabien und Indien bereits angekündigt, die gesamte .xxx-Adresszone zu sperren. Wasser auf die Mühlen der US-Regierung. Sie hatte sich im ICANN-Beirat besonders gegen die Domain stark gemacht. Zugleich aber ist es das US-Handelsministerium, das den Beschluss der ICANN offiziell umzusetzen hat und die Eintragung der Porno-Domain in die Root-Zone autorisieren muss. Bislang waren solche Änderungen im Namensregister des Internets eine technische Formalie. Käme es nun im Fall von ".xxx" zu Problemen, würden sich die USA eine verschärfte Debatte über die vermeintliche US-Hegemonie im Internet einhandeln. Dazu wird das US-Handelsministerium keine Lust haben.