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Albanische Pfleger
Abschiebung trotz Fachkräftemangel

Deutschland braucht dringend mehr Pflegekräfte - und die suchen Arbeitgeber auch im Ausland. Da scheint es unverständlich, wenn ausgebildete Pfleger keine Arbeitsgenehmigung erhalten und das Land wieder verlassen sollen. In Berlin kämpft jetzt eine Klinik für ihre albanischen Mitarbeiter.

Von Claudia van Laak | 06.07.2017
    Pflegerin hält die Hand einer Seniorin.
    Besonders im Altenpflegebereich ist gutes Personal schwer zu finden (imago / allOver-MEV)
    "Wir brauchen dich ..."
    Ein Werbefilm auf der Homepage des landeseigenen Krankenhauskonzerns Vivantes. Altenpfleger Martin Gadischke preist seinen Beruf als den besten überhaupt. Und sein Arbeitgeber: auch der beste, logo.
    "Also prinzipiell könnte ich ja überall hingehen. Aber: Wer sind die besten? Wir sind die besten!"
    Der Imagefilm ist ein Versuch von vielen, qualifizierte Mitarbeiter für die 13 Altenpflegeeinrichtungen von Vivantes zu finden. Gundula Hötzer ist unter anderem für die Personalentwicklung zuständig - und als Prokuristin Chefin von 700 Pflegerinnen und Pflegern.
    "Es ist extrem schwierig, besonders im Altenpflegebereich. Wir haben große Kampagnen veranstaltet und trotzdem müssen wir immer weiter arbeiten, um die erforderliche Manpower zu gewinnen."
    Jetzt hat Gundula Hötzer Besuch von Familie Beqiraj, die Eltern, Benard Beqiraj und seine Frau Brunhilda Bega, sind Mitarbeiter von Vivantes. Von deren zwei quengelnden Kindern - Tiara, zwei Jahre alt und Braid, ein Jahr - lässt sich Hötzer, gelernte Krankenschwester, nicht aus der Ruhe bringen.
    "Na, ihr beiden."
    Gundula Hötzer beugt sich über den Kinderwagen, sagt freundlich, aber bestimmt: Euch beide will ich hier aufwachsen sehen. Ein trotziger Satz, denn die Ausländerbehörde hat den Eltern von Tiara und Braid verboten, in Deutschland zu arbeiten.
    "Es ist nicht so, dass wir uns die Leute vom Markt aussuchen können. Sondern wir sind darauf angewiesen, gut geeignete, empathische Mitarbeiter zu finden. Und hier hatten wir ein Ehepaar - haben, wir hoffen ja immer noch -, die beide, sowohl Ehefrau als auch Ehemann, sich sehr, sehr gut integriert haben."
    Die Abschiebung droht jederzeit
    Familie Beqiraj stammt aus Albanien. Im Frühjahr 2015 sind die beiden nach Deutschland gekommen, haben dann einen Asylantrag gestellt. Benard Beqiraj hat bereits in Albanien als Pfleger gearbeitet, schnell fand er einen Job bei Vivantes. Seine Frau hat zunächst einen Pflegebasiskurs absolviert, von Vivantes erhielt sie dann einen Ausbildungsvertrag. Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lehnte den Asylantrag des Ehepaars ab - Albanien ist ein sicheres Herkunftsland. Die Familie muss ausreisen. Der 32-jährige Familienvater ist deprimiert.
    "Ich habe früher gearbeitet, jetzt nicht, weil habe ich keine Arbeitserlaubnis. Kann nicht arbeiten, kann nicht in Schule gehen, weil ich habe gar nichts, ich habe keine Duldung."
    Rechtlich ist an der Entscheidung nicht zu rütteln. Die albanische Familie ist aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland eingewandert, sie hat kein Recht auf Asyl und kann sofort abgeschoben werden.
    "Seit März schlafe ich mit Angst. Weil Polizei kommt. Und wenn Polizei kommt, das ist ein großes Problem."
    Klinikkonzern kämpft für seine Beschäftigten
    Der Klinikkonzern Vivantes kann die Entscheidung der Berliner Ausländerbehörde nicht verstehen. Prokuristin Hötzer hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihre beiden Altenpfleger behalten zu können.
    "Wir haben hier zwei, die sich alleine ernähren können, die nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, die beide einen Arbeitsvertrag haben, die beide eine Wohnung bekommen hätten, das haben wir jetzt stoppen müssen, weil wir nicht wissen, wie es weitergeht."
    Personalchefin Hötzer hat die Härtefallkommission des Landes Berlin eingeschaltet und einen Brief an SPD-Innensenator Geisel geschrieben. Theoretisch könnte er die Abschiebung noch stoppen und der Ausländerbehörde eine entsprechende Anweisung erteilen:
    "Wir hoffen immer noch sehr, dass der Senator sich dieses Falls noch einmal erneut annimmt und eine andere Entscheidung trifft. Wir sind wirklich sehr darauf angewiesen, qualifiziertes Personal zu bekommen."
    SPD-Innensenator Geisel will abschieben
    Doch trotz der Appelle bleibt Berlins Innensenator Andreas Geisel bei seiner ablehnenden Entscheidung. Familie Beqiray sei kein Härtefall, sagt der SPD-Politiker. Die Situation der albanischen Familie ist typisch für viele Einwanderer vom Balkan - der Innensenator will keinen Präzedenzfall schaffen.
    "Es geht nicht, über den Weg eines Asylantrags hier einzuwandern, und dann letztendlich, wenn er abgelehnt wird, dann doch hierzubleiben, weil man hier arbeitet. Das ist einfach rechtlich der falsche Weg", so Geisel.
    Die Familie solle ausreisen und anschließend bei der deutschen Botschaft in Tirana ein Arbeitsvisum beantragen, schlägt der Innensenator vor - eine Garantie für eine Wiedereinreise nach Deutschland gibt es allerdings nicht. Gundula Hötzer von Vivantes schüttelt den Kopf:
    "Wir sprechen über 'Fachkräftemangel wird zur Chefsache gemacht' an allen Stellen. Aber hier, wo es ein Leichtes wäre, wenigstens eine Duldung auszusprechen ..."
    Noch hat Personalchefin Hötzer nicht ganz aufgegeben - die Arbeitsverträge für das Ehepaar Beqiraj ruhen derzeit, bleiben aber bestehen.