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"All das, was wir uns vorgestellt haben"

Die Krisensitzung der hessischen SPD-Landtagsfraktion war nach den Worten des stellvertretenden hessischen SPD-Vorsitzenden, Gernot Grumbach, von einer sachlichen Atmosphäre geprägt. Man habe in Ruhe darüber geredet, welche Möglichkeiten der mit den Grünen abgeschlossene Koalitionsvertrag für das Land biete. Grumbach hob insbesondere die Bildungs- und Energiepolitik lobend hervor.

Gernot Grumbach im Gespräch mit Christoph Heinemann | 28.10.2008
    Christoph Heinemann: Krisensitzung der hessischen SPD-Landtagsfraktion. Die Parteivorsitzende will sich in der kommenden Woche im Landtag zur Wahl stellen. Die zwei Stimmen Vorsprung hat die SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger auf eine verkürzt. Sie, Frau Metzger, möchte, dass Andrea Ypsilanti hält - und zwar das, was sie im Wahlkampf versprochen hat - und eben nicht mit der Linkspartei zusammenarbeitet. Der Kurs passt auch Parteivize Jürgen Walter nicht. Der verzichtet auf ein Regierungsamt, weil die Flughafenregelung im Koalitionsvertrag nicht seinen Vorstellungen entspricht und er den Zuschnitt des Kabinetts kritisiert. - Am Telefon ist jetzt Gernot Grumbach, der stellvertretende hessische SPD-Vorsitzende. Guten Tag!

    Gernot Grumbach: Schönen guten Tag, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Grumbach, Sie kommen gerade aus der Fraktionssitzung, die, glaube ich, noch läuft. Herrscht denn nun wieder Frieden unter den Genossen?

    Grumbach: Die Fraktion ist ruhig, ja.

    Heinemann: Wie ruhig?

    Grumbach: Ja, ganz ruhig und sachlich.

    Heinemann: Hat keiner was gesagt?

    Grumbach: Nein. Wir haben ganz ordentlich über den Koalitionsvertrag geredet und darüber, was er für uns sozusagen an Möglichkeiten eröffnet.

    Heinemann: Welche denn?

    Grumbach: Wir können in Hessen eine Bildungspolitik einleiten, die endlich aus den 50er Jahren ins nächste Jahrtausend führt, also in das, in dem wir jetzt sind. Wir können eine Energiepolitik einleiten, die uns im Prinzip auf eine Modernisierung hinbringt - mit Arbeitsplatzeffekten. All das, was wir uns vorgestellt haben.

    Heinemann: Hat Jürgen Walter auch was gesagt?

    Grumbach: Ja.

    Heinemann: Was denn?

    Grumbach: Ich zitiere nicht aus der Fraktionssitzung, was einzelne Beiträge angeht.

    Heinemann: Er hat unter anderem den Zuschnitt der Ressorts kritisiert. Ist diese Kritik berechtigt?

    Grumbach: Ich glaube nicht, weil dieser Zuschnitt in anderen Bereichen ja wie auf der Bundesebene auch so ist. Aber man kann sozusagen für jeden Ressortzuschnitt Begründungen finden. Insofern ist es ein legitimer Standpunkt.

    Heinemann: Gleichwohl war ihm Verkehr und Europa zu wenig?

    Grumbach: Das ist seine Beurteilung.

    Heinemann: Werden in Hessen die Flughäfen Frankfurt am Main und Kassel-Calden ausgebaut?

    Grumbach: Die werden beide in jeweiligen Konstellationen ausgebaut werden können.

    Heinemann: Mit den Grünen?

    Grumbach: Auch mit den Grünen und es wird dafür ein paar Bedingungen geben. Wenn die Bedingungen einhaltbar sind, denke ich, ist das klar und wenn die Bedingungen nicht einhaltbar sind, liegt das vielleicht eher an den Bedingungen.

    Heinemann: Welche Bedingungen?

    Grumbach: Die Frage sozusagen, was ... Wir reden jetzt über zwei verschiedene Projekte. Beim einen geht es um die Frage, kriegen wir das Nachtflugverbot noch hin, das alle Parteien im Landtag hier ursprünglich gewollt haben. Das probieren wir. Wenn das nicht geht, weil es juristisch nicht geht, ist das ein anderes Kapitel. Die zweite Frage ist im Norden: Kriegen wir eine vernünftige EU-Genehmigung hin? Kriegen wir eine vernünftige Finanzierung hin? Und auch das muss geklärt werden. Das ist aber völlig normal.

    Heinemann: Wie viel Ideologie ist dabei im Spiel?

    Grumbach: Ich glaube nicht, dass bei vernünftigen Kompromissen so viel Ideologie übrig bleibt.

    Heinemann: Galt das auch für die Startbahn West?

    Grumbach: Die Startbahn West ist schon ein paar Jahre her.

    Heinemann: Herr Grumbach, hoch spekulative Finanzprodukte stehen zwar gerade nicht hoch im Kurs. Wir bieten Ihnen trotzdem eines an, wenn auch nur im Geiste. Sie müssen also nicht einschlagen. Welchen Betrag würden Sie darauf wetten, dass Frau Ypsilanti in der kommenden Woche zur hessischen Ministerpräsidentin gewählt wird?

    Grumbach: Das ist eine nette Variante. - Jeden!

    Heinemann: Wie viel ungefähr?

    Grumbach: Weiß ich nicht.

    Heinemann: Gut. Wie sicher ist denn Frau Ypsilantis Wahl für Sie?

    Grumbach: Politisch ist die Wahl von Frau Ypsilanti, denke ich, sicher.

    Heinemann: Und was folgte daraus, wenn sie nicht gewählt würde, wenn sie durchfiele?

    Grumbach: Dann folgt daraus, dass sich alle in Hessen noch mal was Neues überlegen müssen, aber davon gehen wir gerade nicht aus.

    Heinemann: Und was könnte das Neue aus Sicht der SPD sein?

    Grumbach: Sie diskutieren über Varianten, die sozusagen derzeit nicht zur Debatte stehen.

    Heinemann: Ist Wortbruch eine gute Grundlage für eine Regierungskoalition Ihrer Meinung nach?

    Grumbach: Was ist Wortbruch nach Ihrer Meinung? - Andere Frage: Ist es den Menschen in Hessen zuzumuten, dass sie sozusagen mit einer Politik, die sie alle mehrheitlich nicht gewollt haben, auskommen müssen, oder ist es ihnen nicht zuzumuten?

    Heinemann: Die CDU ist gleichwohl stärkste Partei.

    Grumbach: Die CDU ist von den Mandaten gleich groß und der Unterschied beträgt bei Millionen von Wählern knappe 3000 Stimmen.

    Heinemann: Das heißt, man sollte nicht nach der Wahl das tun, was man vorher gesagt hat?

    Grumbach: Man sollte nach der Wahl das tun, was man vorher gesagt hat.

    Heinemann: Gernot Grumbach, stellvertretender hessischer SPD-Vorsitzender. Danke schön für dieses ausführliche Gespräch und auf Wiederhören.