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Alle reden - München handelt

Auch ohne Studiengebühren ist Studieren eine teure Angelegenheit. Wer finanziell von Haus aus nicht auf Rosen gebettet ist, hat oft Schwierigkeiten, das Geld für seinen Lebensunterhalt und Lehrmittel, Exkursionen und ähnliches zusammenzubringen. In München wurde heute ein Projekt vorgestellt, wie man auch ohne hundert Nebenjobs im Studium finanziell über die Runden kommt. Als erste deutsche Uni bietet die TU München ihren Studierenden ab April 2004 die Möglichkeit, über einen Bildungsfonds ihr Studium zu finanzieren.

Birgit Fenzel |
    Bildung darf keine Frage des Geldbeutels sein – doch sieht es in der Praxis oft anders aus. Zwar gibt es immer noch das Bafög, aber das reicht in vielen Fällen nicht aus. Und gerade an teuren Studienorten wie München macht sich dieser Mangel im System deutlich bemerkbar, sagt Prof. Wolfgang Hermann, Präsident der Technischen Uni München:

    Was man weiß ist, dass das derzeitige System der Studienfinanzierung unsozial ist und dass in den letzten Jahren der Anteil von Studierenden aus einkommensschwachen Familien sehr stark zurückgegangen ist.

    Da braucht man gar nicht über Studiengebühren zu reden, wenn vielen jungen Talenten schon ohnedies das Geld fürs Allernötigste fehlt. Auf der Suche nach einer Lösung des Problems sind Hermann und Konsorten auf ein neues Modell der Studienfinanzierung gestoßen: Kapital für kluge Köpfe – nach diesem Motto bietet die Firma "career concept" einen Bildungsfonds an, in den Investoren einzahlen und damit ausgewählten Studierenden ein Studium ohne Geldsorgen ermöglichen. Als Darlehen erhalten diese dann bis zu 500 Euro monatlich. Im Gegenzug verpflichten sie sich, über fünf Jahre hinweg acht Prozent ihres Bruttoeinkommens zurückzuzahlen. Niemand nimmt gern einen Kredit auf – schon gar nicht zu Beginn einer Ausbildung – das weiß auch TU-Kanzler Ludwig Kronthaler. Doch bietet der Bildungsfonds gegenüber herkömmlichen Darlehensformen eine Reihe von Vorteilen: Punkt eins: Das Darlehen kann zusätzlich zum Bafög beantragt werden.

    Punkt zwei ist die Idee beim Bildungsfonds, dass die Studierenden, die dieses Darlehen in Anspruch nehmen, nicht am Ende des Studiums vor einem Schuldenbetrag mit einer festen Zins- und Tilgungsrate stehen, sondern im vornherein ausgemacht wird, dass sie einen bestimmten Anteil ihres späteren Einkommens für eine bestimmte Zeit zurückzahlen. Damit ist das Risiko abgenommen, dass man bei geringem Einkommen hohe Schuldenlasten abtragen muss.

    Findet jemand nach dem Studium keinen Job, muss er nichts zurückzahlen. Trotzdem ist das Verlustrisiko für die Investoren relativ gering, versichert David Schmutzler von Career-Concept, der sich dieses System gemeinsam mit seinem Partner schon zu Studienzeiten ausgedacht hat. Denn die Antragssteller werden sorgfältig ausgewählt:

    Wir haben da ein mehrstufiges Verfahren. Der Student muss sich in jedem Fall bei uns bewerben mit einer schriftlichen Bewerbung, wo er auch Kopien seiner Zeugnisse beilegen muss und einen Lebenslauf, sodass wir natürlich einerseits auf die akademischen Leistungen der Studenten schauen und andererseits auch auf persönlichkeitsorientierte Faktoren, das heißt ein Motivationsschreiben muss beigelegt werden; wir schauen auf Hobbies und eben die Persönlichkeit als Ganzes.

    Dass dieses System funktionieren kann, zeigen Modellprojekte an der European Business School in Oestrich-Winkel und der Handelshochschule Leipzig, wo in diesem Wintersemester bereits Bildungsfonds in kleinerem Maßstab vergeben wurden. Auch an der Technischen Uni München wird die Rechnung aufgehen, ist der junge Fondsmanager überzeugt. Investoren für die ersten 500 Darlehen hat er schon gefunden. Das sei nicht mal schwer gewesen, denn die Unternehmen sehen schon ihre Vorteile bei dieser Form der Kapitalanlage:

    Das Geld, das investiert wird, wird erhalten. Das ist eine werthaltige Anlage und es kommt noch eine Rendite zurück. Gleichzeitig bekomme ich aber den Zugang zu besten Studenten und habe auch die Möglichkeit als Unternehmen über die gesamte Studienzeit diese Studenten besser kennen zu lernen, sie einzuladen zu Gesprächen, Praktika und die Studenten sind natürlich auch sehr interessant als spätere Arbeitnehmer.

    Ab April werden die ersten Darlehen an Studierende der Technischen Uni vergeben. Die Empfänger können das Geld noch ganz nach ihrem Gusto ausgeben – für Bücher, Miete oder sonstige Ausgaben, die das Münchner Unileben so mit sich bringt. Aber der Bildungsfonds soll künftig auch die Studiengebühren sozial abfedern, von denen der TU-Präsident sicher ist, das sie kommen werden. Dass dafür auch das nötige Kapital im Topf sein wird, ist für ihn keine Frage:

    Die Finanzdienstleister beginnen langsam zu verstehen, dass es wesentlich lohnender ist, in das Wertvollste zu investieren, was unser Land hat: nämlich in die jungen Köpfe. Wesentlich wertvoller als in Immobilien oder andere Dinge, in die eine Granate einschlagen kann.