Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Allerheiligen in der Slowakei
So wichtig wie Weihnachten und Ostern

Diesem Fest kann sich kaum ein Slowake entziehen: Allerheiligen strömen die Lebenden zu ihren Toten. Die Straßen sind verstopft. Der Grund: Viele Slowaken ziehen in die westlichen Landesteile, die Familiengräber aber sind im Osten.

Von Peter Lange | 01.11.2017
    Ein Grablicht zu Allerheiligen im Herbst mit Blättern
    Nahezu 96 Prozent der slowakischen Bevölkerung besuchen zu dieser Zeit Gräber von Angehörigen - ein regelrechter Ansturm. (imago/McPHOTO)
    Es ist wie in jedem Jahr Anfang November. Allerheiligen und Allerseelen stehen bevor, und das bedeutet in der Slowakei: Volle Straßen, vollbesetzte Busse, überfüllte Züge. Auch Jakub Zacka und seine Frau Petra werden sich mit den drei Kindern auf den Weg machen:
    Jakub Zacka: "Wir begehen jedes Jahr Allerheiligen. Zunächst gehen wir hier in Bratislava zum Gab meiner Großmutter und dann fahren wir nach Banska Stiavnica zur Familie meiner Frau."
    "Es ist der verkehrsreichste Tag des Jahres"
    Allerheiligen ist in der katholischen Slowakei ein Familienfest, so wichtig wie Weihnachten und Ostern. Man trifft sich mit den Lebenden und gedenkt gemeinsam der Toten:
    "Wir fahren immer als ganze Familie, also auch mit den Kindern Zum Friedhof gehen dann immer drei Generationen: Die Großeltern, meine Frau und ich und jetzt auch die Kinder. Alle gemeinsam."
    Dass die Gedenktage zu einer zusätzlichen Hauptreisezeit im Jahr geworden sind, hat mit den sozialen Umwälzungen in der Slowakei zu tun. Viele jüngere Leute sind in den letzten Jahren aus dem Osten in den Westen gezogen. Wenn sie die Gräber ihrer Vorfahren besuchen wollen, müssen sie weit Richtung Osten fahren. Der Heimatort von Petra Zackova, Banska Stiavnica, liegt 170 Kilometer östlich von Bratislava. Aber wie ist das mit dem Verkehr?
    Petra Zackova: "Es ist der schlimmste und verkehrsreichste Tag, weil die meisten Menschen die Gräber der Angehörigen besuchen wollen, und alle versuchen es am selben Tag."
    Ansturm auf die Gräber
    "Nahezu 96 Prozent der slowakischen Bevölkerung besuchen zu dieser Zeit Gräber von Angehörigen oder zünden zumindest daheim eine Kerze an, um ihrer Vorfahren zu gedenken."
    Sagt die Ethnologin Katarina Popelkova. Dass Allerheiligen bei den Slowaken einen solchen Stellenwert hat, liege in vorchristlichen Traditionen begründet.
    "Vor Ankunft des Christentums gab es hier die Vorstellung, das der Mensch nach seinem Tod sehr oft in die Welt der Lebenden zurückkehrt, vor allem an den Tagen der Sonnenwende im Frühjahr und im Herbst, und dass dann die Grenze zwischen Leben und Tod unscharf wird."
    Das Christentum hat diese Bräuche aufgenommen, und sie haben sich über alle Zeiten gehalten. Heute ist Allerheiligen in der Slowakei ein Familienfest, fast beliebter als Weihnachten und Ostern.
    Petra Zackova: "Es sind keine so kommerziellen Feiertage wie Weihnachten. Und im Frühjahr zu Ostern zieht es die Menschen nach Draußen. Diese Feiertage, an denen man zu den Gräbern und dann wieder nach Hause geht, sind wesentlich ruhiger. Ich persönlich mag sie sehr."