Eine Hotelbesitzerin aus Südtirol über den Lärmpegel:
"Was jetzt dazu gekommen ist, das ist schon enorm! Das war damals schon sehr viel ruhiger. Man konnte damals noch in Ruhe über die Straße gehen, aber es ist dann sofort der Aufschwung gekommen und sehr viel Verkehr, schon sehr, sehr viel."
Und ein Verkehrsplaner, für den nicht allein die wirtschaftlichen Interessen zählen:
"Alles Geld und aller Warenverkehr ist wertlos, wenn dabei ein Leben aufs Spiel gesetzt wird. Damit wird die Geschichte nicht nur für die Tiroler, sondern insgesamt lebensgefährlich. Diese Politik gefährdet alle Europäer."
Alpensmog. Gesichter Europas über das Leben am Rande der Brennerautobahn. Mit Reportagen von Alexander Musik. Am Mikrofon begrüßt sie Katrin Michaelsen.
Der Brenner: kein Berg, sondern ein Grenzpass in den Ostalpen. Er trennt Österreich von Italien. Mit knapp 1400 Metern ist der Brenner der niedrigste Pass in der Alpenregion. Und trotzdem ist er ein Hindernis, das viele möglichst schnell überwinden wollen, vor allem dann, wenn sie etwas zu transportieren haben. Zwei Millionen Laster pro Jahr werden momentan gezählt. Pro Tag sind es etwa 5500, Tendenz steigend.
Jetzt, während der Sommermonate reihen sich noch die Autos der Urlauber in die Wagen-Kolonnen ein. Trotz Rekord-Ölpreisen an den Zapfsäulen. Die Brennerautobahn ist die kürzeste Verbindung zwischen Nord- und Südeuropa. Außerdem ist sie die billigste im Vergleich zu anderen Alpenstrecken. Die Mautgebühren sind vor allem in Italien so niedrig, das Frachtunternehmen sogar Umwege über den Brenner in Kauf nehmen, obwohl ihre Fahrer dafür länger unterwegs sind. Es rechnet sich trotzdem.
Matthias Cosmar fährt mit seinem Vierzigtonner durch halb Europa. Und immer wieder über die Brennerautobahn.
"Was jetzt dazu gekommen ist, das ist schon enorm! Das war damals schon sehr viel ruhiger. Man konnte damals noch in Ruhe über die Straße gehen, aber es ist dann sofort der Aufschwung gekommen und sehr viel Verkehr, schon sehr, sehr viel."
Und ein Verkehrsplaner, für den nicht allein die wirtschaftlichen Interessen zählen:
"Alles Geld und aller Warenverkehr ist wertlos, wenn dabei ein Leben aufs Spiel gesetzt wird. Damit wird die Geschichte nicht nur für die Tiroler, sondern insgesamt lebensgefährlich. Diese Politik gefährdet alle Europäer."
Alpensmog. Gesichter Europas über das Leben am Rande der Brennerautobahn. Mit Reportagen von Alexander Musik. Am Mikrofon begrüßt sie Katrin Michaelsen.
Der Brenner: kein Berg, sondern ein Grenzpass in den Ostalpen. Er trennt Österreich von Italien. Mit knapp 1400 Metern ist der Brenner der niedrigste Pass in der Alpenregion. Und trotzdem ist er ein Hindernis, das viele möglichst schnell überwinden wollen, vor allem dann, wenn sie etwas zu transportieren haben. Zwei Millionen Laster pro Jahr werden momentan gezählt. Pro Tag sind es etwa 5500, Tendenz steigend.
Jetzt, während der Sommermonate reihen sich noch die Autos der Urlauber in die Wagen-Kolonnen ein. Trotz Rekord-Ölpreisen an den Zapfsäulen. Die Brennerautobahn ist die kürzeste Verbindung zwischen Nord- und Südeuropa. Außerdem ist sie die billigste im Vergleich zu anderen Alpenstrecken. Die Mautgebühren sind vor allem in Italien so niedrig, das Frachtunternehmen sogar Umwege über den Brenner in Kauf nehmen, obwohl ihre Fahrer dafür länger unterwegs sind. Es rechnet sich trotzdem.
Matthias Cosmar fährt mit seinem Vierzigtonner durch halb Europa. Und immer wieder über die Brennerautobahn.
Über die Brennerautobahn mit Matthias Cosmar und seinem Vierzigtonner
Die Tour beginnt in Radfeld in Tirol. Hier, gleich neben der Inntalautobahn, hat die Spedition Augustin, für die Matthias Cosmar fährt, eine große Niederlassung.
Heute geht es in die Nähe von Mailand, Verpackungen sind zurückzubringen. Das bedeutet, sein Vierzigtonner neuester Bauart mit 440 PS ist nur leicht beladen und verbraucht weniger Sprit. Den Diesel besorgt sich die Spedition mithilfe eigener Tankwagen; er ist deutlich billiger als an der Tankstelle, die Cosmar denn auch nicht ansteuern darf.
"Das ist anders als mit Vierzig Tonnen, dann dauert es schon eine Weile, bis der aus dem Knick kommt. Jetzt haben wir gleich Endgeschwindigkeit 70 km/h, die hier erlaubt sind."
Cosmar, 49 Jahre alt, ist seit September 1991 dabei. Die Fahrerkabine ist aufgeräumt. Der Kühlschrank summt, an der Frontscheibe kleben elektronische Maut-Abbuchungsgeräte diverser Länder, darunter ein Nummernschild, "Matthias" steht drauf, für die Kollegen. Cosmar muss nicht mehr schalten, er könnte über Tipp-Schalter am Lenkrad Gas geben und bremsen. Komfortabel ist es schon geworden, sagt er - und zeigt grinsend auf den Bauch, der sich unterm Hemd spannt. Er ist ein großer massiger, gemütlich wirkender Mann mit Brille, wie er so dasitzt auf dem gefederten Fahrersitz in Bermudas, ärmellosem Hemd, Sandalen. Hinter ihm die Schlafkoje: ein paar verstreute Straßenkarten, die neue "Penthouse"-Ausgabe.
"Ich komm aus dem Osten, bei der polnischen Grenze, da ist nicht viel los. Und hier bei der Firma, da weißt du, was du hast. Was du kriegst, weißte nicht. So."
Cosmar aus Rothenburg an der Lausitz war Kraftfahrer in einer LPG, dann siedelte sich die Spedition dort an, er bewarb sich und blieb. Die Familie sieht er nur von Samstag früh bis Sonntag Abend, die Firma organisiert den Rücktransport für die vielen Fahrer aus der Lausitz. Täte sie es nicht, hätte Cosmar schon gekündigt. Mittlerweile ist die Autobahn erreicht.
"Jetzt haben wir hier drei Spuren, jetzt haben sie das Überholverbot aufgehoben, jetzt geht es los: Wer ist lang, wer ist leicht, wer ist schnell? … Das kann ich mir erlauben, weil ich fünf Tonnen geladen hab. Drei, vier Kilometer geht das. Jetzt versucht man, so viel wie möglich zu überholen, aber es gibt dann wieder welche, die sind ein km/h schneller, die ziehen dann vor einem raus, dann geht das wieder nicht vorwärts, da haben wir die Wohnwagen zwischen hängen, die haben hier zu kämpfen, die sind ziemlich schwer hier vorne, schmal ist die Straße auch noch."
An diesem Montag fließt der Verkehr auf der Autobahn, Cosmar ist zufrieden. Er rechnet sich aus, wie weit er heute noch kommt, wo er sich nachts hinstellen kann. Zwei mal zehn Stunden Lenkzeit in der Woche, drei mal neun, dazwischen elf Stunden Pause - das ist die Vorschrift: schwierig einzuhalten.
"Das wird ja digital aufgezeichnet, ich hab ja diese Fahrerkarte, den Chip oben, bei der Kontrolle, da muss ich meine Karte abgeben. Dann wird die ausgelesen, dann kann der Kollege sehen, was ich jeden Tag für Mist gebaut habe, Minute, Sekunde, total. Ich kann hier mal so einen Ausdruck machen, es ist - weiß ich nicht, das können Sie ja löschen - das ist wie Staatssicherheit! Theoretisch, Tag und Nacht wird das Auto beobachtet. Wie ich fahre, wie ich bremse, Spritverbrauch bestätigen, das mach ich! Weiterfahren! Das mach ich, das mach ich! Aber hier gibt es einen Knopf, da steht oben: Tour abgelehnt!"
Abgelehnt hat Cosmar noch nicht viele Touren; wenn man Kompromisse macht, geht ja viel, sagt er. Auch, weil er weiß, welche Tour machbar ist und welche nicht. Nicht machbar ist, mit seinem Vierzigtonner in Mailand spazieren zu fahren oder ein ganzes Wochenende in Rom zu liegen, nur weil die Lenkzeit überschritten ist. In ganz Italien gäbe es keine anständige Raststätte an der Autobahn!
"So, und dann gibt es die sogenannten Buchten. Dort soll man seine Sozialvorschrift erfüllen, indem man da elf Stunden stehen soll - und nebenan fährt der ganze Verkehr lang. Das Auto wackelt, obwohl es so schön gefedert ist, der Krach. Das hat doch mit sozial auch nichts zu tun, oder? Fast unmenschlich!"
Zwischen Brixen und Bozen, Südtirol: Die Brennerautobahn führt in zwei schmalen Fahrstreifen pro Richtung auf hohen Stelzen gen Süden. Daneben ein schmaler Sicherheitsstreifen, alle paar Kilometer eine Bucht als regulärer Ruheplatz für zwei LKW. Zur Rechten und zur Linken kleben Gehöfte an den V-förmigen Tälern, mal sehr nah an der Trasse, mal weiter weg, malerische I-Tüpfelchen zur Bilderbuchkulisse der Alpen. Unten im Tal windet sich die alte Brennerstaatsstraße.
"Am Ostersamstag ist hier die Hölle los. Dann fährt hier ein LKW nach dem andern. Das wollen sie mit dem Ferienfahrverbot verhindern! Wir werden bestraft, damit andere in Urlaub fahren, was?"
Das Leben des Südtiroler Schriftstellers Nobert C. Kaser war ein düsteres - 1978 ist er bereits im Alter von 31 Jahren gestorben, als Folge seiner Alkoholsucht. Sein Leben war geprägt von Abgründen und biografischen Brüchen. Nobert C. Kaser war Kapuzinermönch, Kommunist, Kurzzeitstudent und Hilfslehrer an Bergschulen, sogar einmal Mauteintreiber. Die abgeschotteten Täler Tirols hat er wenn, dann nur kurz verlassen. Sie inspirierten ihn zu eigenwilligen Reise- und Heimatbildern, wie zu diesem Gedicht aus dem Jahr 1974.
"so fließen
denn dahin
die tage
wie die ahr
bei sankt georgen
gruen & still
& tueckisch
mich verstoert
gemaehtes gras
reifender klee
ober bauern mit
sensen
in der nacht
die katzen in hitze
plaerren
als waeren's kinder
der fuchs bellt
nimmer
er hat
seine nahrung
eingebracht
beim letzten schnee
oder ist erschossen
worden
beim stehlen
des vorletzten
huhns
der arme vater!"
Der Bau der Brennerautobahn vor über 40 Jahren war ein massiver Eingriff in die Bergwelt Tirols. Doch damals in den sechziger Jahren befürchtete die österreichische Regierung, den Wettbewerb im Nord-Süd-Transit gegen die Konkurrenz aus der Schweiz zu verlieren. "Verkehr bringt Leben" hieß die Parole damals. Die Hoffnung dahinter: mehr Wirtschaftswachstum, mehr Einnahmen.
Doch für die Menschen in Nord-und Süd-Tirol ging das Kalkül nicht auf. Denn es waren gerade die schlechten Verkehrswege, von denen sie Jahrhunderte lang profitierten. Um den Pass zu überqueren brauchten Fremde Unterkünfte, außerdem Zwischenlager für ihre Waren und Bergführer, die das Gelände gut kannten. Heute hält kaum einer der Transitreisenden mehr an. Es gilt, den Brennerpass möglichst schnell hinter sich zu lassen.
Für die Anwohner der Autobahn rechnet sich der Durchreiseverkehr schon lange nicht mehr. Ihnen bleiben Lärm, Abgase und Unfälle. Die Lösung dieses Verkehrsinfarkts: ein Tunnel, der Brennerbasistunnel. Er soll die Brennerautobahn entlasten und einen Teil des Schwerlastverkehrs schlucken. Wieder ein Mammutprojekt, diesmal unter dem Brennerpass. Und erneut keimen die Hoffnungen, auf mehr Ruhe und auf saubere Luft, so wie in der Gemeinde Mauls/Freienfeld in Südtirol.
Heute geht es in die Nähe von Mailand, Verpackungen sind zurückzubringen. Das bedeutet, sein Vierzigtonner neuester Bauart mit 440 PS ist nur leicht beladen und verbraucht weniger Sprit. Den Diesel besorgt sich die Spedition mithilfe eigener Tankwagen; er ist deutlich billiger als an der Tankstelle, die Cosmar denn auch nicht ansteuern darf.
"Das ist anders als mit Vierzig Tonnen, dann dauert es schon eine Weile, bis der aus dem Knick kommt. Jetzt haben wir gleich Endgeschwindigkeit 70 km/h, die hier erlaubt sind."
Cosmar, 49 Jahre alt, ist seit September 1991 dabei. Die Fahrerkabine ist aufgeräumt. Der Kühlschrank summt, an der Frontscheibe kleben elektronische Maut-Abbuchungsgeräte diverser Länder, darunter ein Nummernschild, "Matthias" steht drauf, für die Kollegen. Cosmar muss nicht mehr schalten, er könnte über Tipp-Schalter am Lenkrad Gas geben und bremsen. Komfortabel ist es schon geworden, sagt er - und zeigt grinsend auf den Bauch, der sich unterm Hemd spannt. Er ist ein großer massiger, gemütlich wirkender Mann mit Brille, wie er so dasitzt auf dem gefederten Fahrersitz in Bermudas, ärmellosem Hemd, Sandalen. Hinter ihm die Schlafkoje: ein paar verstreute Straßenkarten, die neue "Penthouse"-Ausgabe.
"Ich komm aus dem Osten, bei der polnischen Grenze, da ist nicht viel los. Und hier bei der Firma, da weißt du, was du hast. Was du kriegst, weißte nicht. So."
Cosmar aus Rothenburg an der Lausitz war Kraftfahrer in einer LPG, dann siedelte sich die Spedition dort an, er bewarb sich und blieb. Die Familie sieht er nur von Samstag früh bis Sonntag Abend, die Firma organisiert den Rücktransport für die vielen Fahrer aus der Lausitz. Täte sie es nicht, hätte Cosmar schon gekündigt. Mittlerweile ist die Autobahn erreicht.
"Jetzt haben wir hier drei Spuren, jetzt haben sie das Überholverbot aufgehoben, jetzt geht es los: Wer ist lang, wer ist leicht, wer ist schnell? … Das kann ich mir erlauben, weil ich fünf Tonnen geladen hab. Drei, vier Kilometer geht das. Jetzt versucht man, so viel wie möglich zu überholen, aber es gibt dann wieder welche, die sind ein km/h schneller, die ziehen dann vor einem raus, dann geht das wieder nicht vorwärts, da haben wir die Wohnwagen zwischen hängen, die haben hier zu kämpfen, die sind ziemlich schwer hier vorne, schmal ist die Straße auch noch."
An diesem Montag fließt der Verkehr auf der Autobahn, Cosmar ist zufrieden. Er rechnet sich aus, wie weit er heute noch kommt, wo er sich nachts hinstellen kann. Zwei mal zehn Stunden Lenkzeit in der Woche, drei mal neun, dazwischen elf Stunden Pause - das ist die Vorschrift: schwierig einzuhalten.
"Das wird ja digital aufgezeichnet, ich hab ja diese Fahrerkarte, den Chip oben, bei der Kontrolle, da muss ich meine Karte abgeben. Dann wird die ausgelesen, dann kann der Kollege sehen, was ich jeden Tag für Mist gebaut habe, Minute, Sekunde, total. Ich kann hier mal so einen Ausdruck machen, es ist - weiß ich nicht, das können Sie ja löschen - das ist wie Staatssicherheit! Theoretisch, Tag und Nacht wird das Auto beobachtet. Wie ich fahre, wie ich bremse, Spritverbrauch bestätigen, das mach ich! Weiterfahren! Das mach ich, das mach ich! Aber hier gibt es einen Knopf, da steht oben: Tour abgelehnt!"
Abgelehnt hat Cosmar noch nicht viele Touren; wenn man Kompromisse macht, geht ja viel, sagt er. Auch, weil er weiß, welche Tour machbar ist und welche nicht. Nicht machbar ist, mit seinem Vierzigtonner in Mailand spazieren zu fahren oder ein ganzes Wochenende in Rom zu liegen, nur weil die Lenkzeit überschritten ist. In ganz Italien gäbe es keine anständige Raststätte an der Autobahn!
"So, und dann gibt es die sogenannten Buchten. Dort soll man seine Sozialvorschrift erfüllen, indem man da elf Stunden stehen soll - und nebenan fährt der ganze Verkehr lang. Das Auto wackelt, obwohl es so schön gefedert ist, der Krach. Das hat doch mit sozial auch nichts zu tun, oder? Fast unmenschlich!"
Zwischen Brixen und Bozen, Südtirol: Die Brennerautobahn führt in zwei schmalen Fahrstreifen pro Richtung auf hohen Stelzen gen Süden. Daneben ein schmaler Sicherheitsstreifen, alle paar Kilometer eine Bucht als regulärer Ruheplatz für zwei LKW. Zur Rechten und zur Linken kleben Gehöfte an den V-förmigen Tälern, mal sehr nah an der Trasse, mal weiter weg, malerische I-Tüpfelchen zur Bilderbuchkulisse der Alpen. Unten im Tal windet sich die alte Brennerstaatsstraße.
"Am Ostersamstag ist hier die Hölle los. Dann fährt hier ein LKW nach dem andern. Das wollen sie mit dem Ferienfahrverbot verhindern! Wir werden bestraft, damit andere in Urlaub fahren, was?"
Das Leben des Südtiroler Schriftstellers Nobert C. Kaser war ein düsteres - 1978 ist er bereits im Alter von 31 Jahren gestorben, als Folge seiner Alkoholsucht. Sein Leben war geprägt von Abgründen und biografischen Brüchen. Nobert C. Kaser war Kapuzinermönch, Kommunist, Kurzzeitstudent und Hilfslehrer an Bergschulen, sogar einmal Mauteintreiber. Die abgeschotteten Täler Tirols hat er wenn, dann nur kurz verlassen. Sie inspirierten ihn zu eigenwilligen Reise- und Heimatbildern, wie zu diesem Gedicht aus dem Jahr 1974.
"so fließen
denn dahin
die tage
wie die ahr
bei sankt georgen
gruen & still
& tueckisch
mich verstoert
gemaehtes gras
reifender klee
ober bauern mit
sensen
in der nacht
die katzen in hitze
plaerren
als waeren's kinder
der fuchs bellt
nimmer
er hat
seine nahrung
eingebracht
beim letzten schnee
oder ist erschossen
worden
beim stehlen
des vorletzten
huhns
der arme vater!"
Der Bau der Brennerautobahn vor über 40 Jahren war ein massiver Eingriff in die Bergwelt Tirols. Doch damals in den sechziger Jahren befürchtete die österreichische Regierung, den Wettbewerb im Nord-Süd-Transit gegen die Konkurrenz aus der Schweiz zu verlieren. "Verkehr bringt Leben" hieß die Parole damals. Die Hoffnung dahinter: mehr Wirtschaftswachstum, mehr Einnahmen.
Doch für die Menschen in Nord-und Süd-Tirol ging das Kalkül nicht auf. Denn es waren gerade die schlechten Verkehrswege, von denen sie Jahrhunderte lang profitierten. Um den Pass zu überqueren brauchten Fremde Unterkünfte, außerdem Zwischenlager für ihre Waren und Bergführer, die das Gelände gut kannten. Heute hält kaum einer der Transitreisenden mehr an. Es gilt, den Brennerpass möglichst schnell hinter sich zu lassen.
Für die Anwohner der Autobahn rechnet sich der Durchreiseverkehr schon lange nicht mehr. Ihnen bleiben Lärm, Abgase und Unfälle. Die Lösung dieses Verkehrsinfarkts: ein Tunnel, der Brennerbasistunnel. Er soll die Brennerautobahn entlasten und einen Teil des Schwerlastverkehrs schlucken. Wieder ein Mammutprojekt, diesmal unter dem Brennerpass. Und erneut keimen die Hoffnungen, auf mehr Ruhe und auf saubere Luft, so wie in der Gemeinde Mauls/Freienfeld in Südtirol.
Die Straße vertreibt die Dauergäste. Das Dilemma einer Hotelbesitzerin
Das Ensemble könnte idyllischer kaum sein: das blumengeschmückte, historische Haupthaus im Alpental, die Kuhställe, das Arabergestüt, der ausgedehnte Park, der Teich, die hoteleigene Almhütte auf 2000 Meter Höhe, ein Wildbach sprudelt, Sonnenlicht liegt auf den Berggipfeln als schneebedeckte Kulisse.
Allerdings wird die Idylle beständig durch den Verkehr gestört. Und gerade die verwöhnten Gäste der "Romantikhotel"-Gemeinschaft, der Gertrud Stafler seit fast 30 Jahren angehört, suchen Beschaulichkeit und Ruhe. Manche kommen nicht wieder oder reisen schneller ab.
"Was jetzt dazu gekommen ist, das ist schon enorm! Das war damals schon sehr viel ruhiger. Man konnte damals noch in Ruhe über die Straße gehen, aber es ist dann sofort der Aufschwung gekommen und sehr viel Verkehr, schon sehr, sehr viel. Auch für unseren Betrieb wird das von Vorteil sein, wenn wir unseren Gästen sagen können: Schauen Sie, da ist es ruhig. Kommen Sie zu uns! So müssen wir halt schon ein bisschen acht geben und den Gästen wirklich die Wahrheit sagen."
Gertrud Stafler ist eine energiegeladene kleine Frau von 60 Jahren, die geregelte Arbeitszeiten nicht kennt. Ihr Mann ist verunglückt, also macht sie alles in Eigenregie. Entschuldigt sich, dass sie "so" herum läuft, nicht im Dirndl, weil sie leider nicht an alles denken kann, wenn sie von morgens bis abends im Haus herum wirbelt, hier eine Lampe richtet, dort ein Blumenbukett oder einen Sessel und dabei immer Zeit für einen kleinen Plausch mit den Gästen findet, so wie mit dieser 85-jährigen Münchnerin, die gerade puterrot, das Handtuch um die Hüfte gewickelt, aus dem hoteleigenen Pool kommt.
""Ich kenn das Haus schon seit 50 Jahren, da hat sich einiges geändert!
"Ja, aber sehr zum Vorteil, oder?"
"Ja mei, das ist, natürlich. Ja, geht schon… Da haben wir früher Bretterböden gehabt! Die haben wir ja noch im Haus belassen."
Geändert hat sich auch das Verkehrsaufkommen. Nicht nur, dass auf der Brennerlandstraße vor dem Haus jetzt viel mehr Motorradfahrer - am liebsten in Gruppen - ihre Maschinen ausfahren; ihnen kommen die engen Kurven der alten Verbindungsstraße gerade recht.
"Die Motorradfahrer, das ist so eine Sache, aber das ist hauptsächlich im Frühjahr, wo sie nach dem Winter raus wollen, ein bisschen Gas geben. Aber es ist schon noch zu ertragen. Sicher, manchmal wäre man schon froh: Mal Stopp ein bisschen, fahrt langsam durch die Ortschaften, das wäre ein bisschen schöner."
Doch auch auf der Autobahn im Hintergrund reiht sich oft LKW an LKW. Zur Geräuschkulisse hinzu kommt der polternde Güterverkehr auf der Bahnstrecke daneben.
Gertrud Stafler glaubt deshalb den Versprechungen der Tunnel-Befürworter gern, wonach Lärm und Dreck in der Röhre verschwinden werden.
"Ich bin schon der Meinung, dass das höchste Zeit ist, dass das in Angriff genommen wurde. Wir sind sehr glücklich darüber, dass es soweit gekommen ist. Wir hoffen, nach wie vor, dass es richtig verwirklicht wird. Wir sind schon der Meinung, dass uns das sehr viel bringen wird. Dass die ganze Strecke ein bisschen beruhigt wird. Gerade auch der Eisenbahnverkehr, die Lastzüge stören schon ein bissel nachts, und wenn das dann im Tunnel ist, dann ist das sicher nur von Vorteil!"
Gertrud Stafler und ihre Familie befinden sich im Dauer-Dilemma eines Hotelbetriebes: Zu viel Straße bringt Gästeschwund, zu wenig auch. Und die Klientel hat ihre Gewohnheiten geändert! Sich mittags stundenlang Zeit zum Essen im Hotelrestaurant nehmen, das macht keiner mehr, sagt die Chefin. Und dass die Langzeiturlauber ausbleiben, sei ein "großes Problem". Wie ernst die Lage bei aller Sorgfalt ist, mit der die Staflers das Vier-Sterne-Haus führen, zeigt ein kleiner Rundgang durchs Haus - vom Wellness-Bereich bis zur Baustelle.
"Wir haben sonst keine Chance, besonders bei den Italienern. Wir haben keine Chance. Da haben wir das Hallenbad, 30 Grad, das ältere Gäste und auch Kinder ihre Freude haben. Da haben wir eine Hackschnitzelanlage. Hier ist ein kleinen Whirlpool drinnen, dann haben wir noch eine kleine Allee, da kann man bis zur Baustelle hinuntergehen, ein stress- und straßenfreier Gehweg."
Die Baustelle ist einer der Eingänge für den Erkundungsstollen. Gertrud Stafler hat dafür der Gesellschaft einen Teil ihres Grundstückes verkauft. Die Gäste hätten nichts gegen die Baustelle.
"Wir erklären denen, dass da unten jetzt eine Baustelle ist. Man hört von der Baustelle nichts, außer ein paar Sprengungen, das wissen die Gäste, die sind ganz begeistert auch."
"wo
verbirgt sich im rauch
der erdaepfelfeuer
Dein name
mein tal
vor dem
groeßtem kartoffel
lagerhaus
eurasiens
lieg ich
besoffen
von kies
zerkratzt
im angesicht
der linken
gewerkschaft"
Es werden noch Jahre ins Land ziehen, bis der Brennerbasistunnel Realität wird. Als frühester Termin gilt das Jahr 2020. Geplant ist ein gigantisches Superloch. Über 60 Kilometer lang, soll der Tunnel einmal von Innsbruck in Tirol bis nach Franzensfeste in Südtirol reichen. Nicht für den Autoverkehr, sondern für die Eisenbahn. Speziell für den Schwerlasttransport, der von der Straße auf die Schiene geholt werden soll.
Dafür sind 320 Güterzüge pro Tag geplant, außerdem noch 80 Züge für den Personenverkehr. Wer von Innsbruck nach Bozen fahren möchte, braucht dann nicht mehr zwei Stunden, sondern nur noch 50 Minuten. Soweit der Blick in die Zukunft. Die Realität heute sieht so aus, dass darüber gestritten wird, ob der der Tunnel überhaupt ausreicht, um den Verkehr auf der Brennerautobahn zu verringern.
Ähnlich unsicher sieht es bei den Bau-Kosten aus. Momentan ist von sechs Milliarden Euro die Rede, andere Schätzungen belaufen sich auf 20 bis 40 Milliarden Euro. Italien und Österreich wollen sich die Kosten teilen, die Europäische Union beteiligt sich, Deutschland jedoch nicht. Auf der österreichischen Seite des Tunnels haben die Bauarbeiten noch nicht begonnen, auf der italienischen Seite, in Franzensfeste, laufen sie bereits: Erkundungs-Bohrungen. Mit ihnen wollen sich die Tunnelbetreiber große unterirdische Überraschungen möglichst ersparen, bevor in zwei Jahren der eigentliche Tunnel gebohrt wird.
Allerdings wird die Idylle beständig durch den Verkehr gestört. Und gerade die verwöhnten Gäste der "Romantikhotel"-Gemeinschaft, der Gertrud Stafler seit fast 30 Jahren angehört, suchen Beschaulichkeit und Ruhe. Manche kommen nicht wieder oder reisen schneller ab.
"Was jetzt dazu gekommen ist, das ist schon enorm! Das war damals schon sehr viel ruhiger. Man konnte damals noch in Ruhe über die Straße gehen, aber es ist dann sofort der Aufschwung gekommen und sehr viel Verkehr, schon sehr, sehr viel. Auch für unseren Betrieb wird das von Vorteil sein, wenn wir unseren Gästen sagen können: Schauen Sie, da ist es ruhig. Kommen Sie zu uns! So müssen wir halt schon ein bisschen acht geben und den Gästen wirklich die Wahrheit sagen."
Gertrud Stafler ist eine energiegeladene kleine Frau von 60 Jahren, die geregelte Arbeitszeiten nicht kennt. Ihr Mann ist verunglückt, also macht sie alles in Eigenregie. Entschuldigt sich, dass sie "so" herum läuft, nicht im Dirndl, weil sie leider nicht an alles denken kann, wenn sie von morgens bis abends im Haus herum wirbelt, hier eine Lampe richtet, dort ein Blumenbukett oder einen Sessel und dabei immer Zeit für einen kleinen Plausch mit den Gästen findet, so wie mit dieser 85-jährigen Münchnerin, die gerade puterrot, das Handtuch um die Hüfte gewickelt, aus dem hoteleigenen Pool kommt.
""Ich kenn das Haus schon seit 50 Jahren, da hat sich einiges geändert!
"Ja, aber sehr zum Vorteil, oder?"
"Ja mei, das ist, natürlich. Ja, geht schon… Da haben wir früher Bretterböden gehabt! Die haben wir ja noch im Haus belassen."
Geändert hat sich auch das Verkehrsaufkommen. Nicht nur, dass auf der Brennerlandstraße vor dem Haus jetzt viel mehr Motorradfahrer - am liebsten in Gruppen - ihre Maschinen ausfahren; ihnen kommen die engen Kurven der alten Verbindungsstraße gerade recht.
"Die Motorradfahrer, das ist so eine Sache, aber das ist hauptsächlich im Frühjahr, wo sie nach dem Winter raus wollen, ein bisschen Gas geben. Aber es ist schon noch zu ertragen. Sicher, manchmal wäre man schon froh: Mal Stopp ein bisschen, fahrt langsam durch die Ortschaften, das wäre ein bisschen schöner."
Doch auch auf der Autobahn im Hintergrund reiht sich oft LKW an LKW. Zur Geräuschkulisse hinzu kommt der polternde Güterverkehr auf der Bahnstrecke daneben.
Gertrud Stafler glaubt deshalb den Versprechungen der Tunnel-Befürworter gern, wonach Lärm und Dreck in der Röhre verschwinden werden.
"Ich bin schon der Meinung, dass das höchste Zeit ist, dass das in Angriff genommen wurde. Wir sind sehr glücklich darüber, dass es soweit gekommen ist. Wir hoffen, nach wie vor, dass es richtig verwirklicht wird. Wir sind schon der Meinung, dass uns das sehr viel bringen wird. Dass die ganze Strecke ein bisschen beruhigt wird. Gerade auch der Eisenbahnverkehr, die Lastzüge stören schon ein bissel nachts, und wenn das dann im Tunnel ist, dann ist das sicher nur von Vorteil!"
Gertrud Stafler und ihre Familie befinden sich im Dauer-Dilemma eines Hotelbetriebes: Zu viel Straße bringt Gästeschwund, zu wenig auch. Und die Klientel hat ihre Gewohnheiten geändert! Sich mittags stundenlang Zeit zum Essen im Hotelrestaurant nehmen, das macht keiner mehr, sagt die Chefin. Und dass die Langzeiturlauber ausbleiben, sei ein "großes Problem". Wie ernst die Lage bei aller Sorgfalt ist, mit der die Staflers das Vier-Sterne-Haus führen, zeigt ein kleiner Rundgang durchs Haus - vom Wellness-Bereich bis zur Baustelle.
"Wir haben sonst keine Chance, besonders bei den Italienern. Wir haben keine Chance. Da haben wir das Hallenbad, 30 Grad, das ältere Gäste und auch Kinder ihre Freude haben. Da haben wir eine Hackschnitzelanlage. Hier ist ein kleinen Whirlpool drinnen, dann haben wir noch eine kleine Allee, da kann man bis zur Baustelle hinuntergehen, ein stress- und straßenfreier Gehweg."
Die Baustelle ist einer der Eingänge für den Erkundungsstollen. Gertrud Stafler hat dafür der Gesellschaft einen Teil ihres Grundstückes verkauft. Die Gäste hätten nichts gegen die Baustelle.
"Wir erklären denen, dass da unten jetzt eine Baustelle ist. Man hört von der Baustelle nichts, außer ein paar Sprengungen, das wissen die Gäste, die sind ganz begeistert auch."
"wo
verbirgt sich im rauch
der erdaepfelfeuer
Dein name
mein tal
vor dem
groeßtem kartoffel
lagerhaus
eurasiens
lieg ich
besoffen
von kies
zerkratzt
im angesicht
der linken
gewerkschaft"
Es werden noch Jahre ins Land ziehen, bis der Brennerbasistunnel Realität wird. Als frühester Termin gilt das Jahr 2020. Geplant ist ein gigantisches Superloch. Über 60 Kilometer lang, soll der Tunnel einmal von Innsbruck in Tirol bis nach Franzensfeste in Südtirol reichen. Nicht für den Autoverkehr, sondern für die Eisenbahn. Speziell für den Schwerlasttransport, der von der Straße auf die Schiene geholt werden soll.
Dafür sind 320 Güterzüge pro Tag geplant, außerdem noch 80 Züge für den Personenverkehr. Wer von Innsbruck nach Bozen fahren möchte, braucht dann nicht mehr zwei Stunden, sondern nur noch 50 Minuten. Soweit der Blick in die Zukunft. Die Realität heute sieht so aus, dass darüber gestritten wird, ob der der Tunnel überhaupt ausreicht, um den Verkehr auf der Brennerautobahn zu verringern.
Ähnlich unsicher sieht es bei den Bau-Kosten aus. Momentan ist von sechs Milliarden Euro die Rede, andere Schätzungen belaufen sich auf 20 bis 40 Milliarden Euro. Italien und Österreich wollen sich die Kosten teilen, die Europäische Union beteiligt sich, Deutschland jedoch nicht. Auf der österreichischen Seite des Tunnels haben die Bauarbeiten noch nicht begonnen, auf der italienischen Seite, in Franzensfeste, laufen sie bereits: Erkundungs-Bohrungen. Mit ihnen wollen sich die Tunnelbetreiber große unterirdische Überraschungen möglichst ersparen, bevor in zwei Jahren der eigentliche Tunnel gebohrt wird.
Auf einer Großbaustelle für den Brenner Basistunnel. Martin Ausserdorfer will die Tiroler besser informieren
Wer in Franzensfeste oder italienisch Fortezza aus dem Zug steigt, betritt eine schläfrige, ein wenig vernachlässigte Ortschaft, dominiert von der namensgebenden Festung, die 1833 Franz Ferdinand I. bauen ließ.
Das verrostete Thermometer am Ende von Gleis eins am Bahnhof verweist noch auf die Kaiserzeit: Hergestellt von einem Handwerksmeister am vornehmen Graben, Wien, erster Bezirk. Ein paar Schüler und Pendler warten am Bahnsteig in der Junisonne auf den Zug nach Brixen. Die Eisenbahnverbindung über den Brennerpass - im Personen und Güterverkehr - ist nicht ausgelastet.
In der Bar vor dem Bahnhof stehen ein paar Arbeiter in Leuchtkitteln und sehen fern. Mit dem Fall der Schengengrenze sind hier viele Arbeitsplätze beim Zoll weggefallen; doch seit einigen Monaten gibt es wieder mehr Jobs: beim Tunnelbau. Martin Ausserdorfer hebt sich schon durch sein Büro-Dress von den Arbeitern ab. Er bahnt sich einen Weg an die Theke und bestellt auf Italienisch Kaffee. Er ist 26 und bereits Direktor der "Beobachtungsstelle für Umwelt- und Arbeitsschutz". Dass dieser Info-Point direkt neben der Bauleitung für den Brennerbasistunnel am Bahnhof Franzensfeste zu finden ist, ist kein Zufall. Der Info-Point ist tunnelfreundlich.
Der adrette junge Mann mit der auffälligen roten Brille führt noch schnell ein paar Telefonate auf seinen zwei Handys; es geht, wieder einmal, um eine Info-Veranstaltung mit Bürgern einer Südtiroler Gemeinde. Ziel ist es, auch an diesem Abend das Tunnelprojekt gut zu verkaufen. Nach der Cappuccino-Pause steigt Ausserdorfer in seinen Wagen und fährt zur Baustelle.
"Wir haben heute zwei aktive Baustellen, nämlich in Aicha und in Mauls, die beide abgegrenzt sind, die wenig einsichtig sind, die gut organisiert und gekennzeichnet sind. Man musste endlich mit den Daten herausrücken, man muss auch verteidigend sagen: die Brennerbasistunnel-Gesellschaft konnte noch nicht ein fertiges Projekt präsentieren, da es in einer Phase der Erarbeitung war. Dann war es die Aufgabe, die Bevölkerung zu informieren. Politische Gruppierungen hatten aber in der Zwischenzeit durch gezielte Fehlinformationen einen bestimmten Missmut zum Brennerbasistunnel erzeugt, wo wir noch immer dabei sind, diese zu korrigieren."
Kurz vor Fortezza, in Aicha, fällt eine Stichstraße steil ins Tal ab, der Zugang zur Baustelle. Kipplader manövrieren umständlich, ein kilometerlanges Förderband für den Abraum wird installiert. Seit Januar wurde hier monatelang gesprengt, bis das Loch 150 Meter tief in den Berg reichte - so tief, dass die Tunnelbohrmaschine in Position gebracht werden konnte.
"Sie ist 134 Meter lang, hat einen Bohrkopf von 6,2 Meter und schafft im Durchschnitt 20 Meter pro Tag, die sie bohren kann. Dazu ist zu sagen, dass wir eine sehr gute Geologie haben für diese erste Bauphase, Richtung Norden, Richtung Mauls. Hier im Baustellenbereich Unterplattner bei Aicha hat man es so vorgesehen, dass das gesamte Material aus dem Tunnel, das herauskommt, mittels Förderband abtransportiert wird, und dann zur zweiten Baustelle in Hinterrigger."
Ausserdorfer selbst war erst kritisch gegenüber dem Tunnelprojekt eingestellt, wie er sagt. Dass er sich jetzt dafür engagiert und seinen gut bezahlten Job als Organisator der Biathlon WM aufgegeben hat, liegt an der "neuen Vision", mit der ihn einer der Verantwortlichen der Tunnelbetreibergesellschaft angesteckt hat. Nun erfüllt es ihn mit Stolz, dabei zu sein.
Fahrt zur Baustelle Nummer zwei, Zeit zum Erzählen.
""Rechts von uns sehen Sie die A 22, das ist die Brennerautobahn, wir fahren auf der Staatsstraße, gleich neben uns ist der Fahrradweg, dann der Fluss Eisack hier im südlichen Wipptal sowie die Brenner-Eisenbahnlinie. Die Täler sind sehr schmal, das kann man gut feststellen. Und natürlich ist eine neue Brennerbahnlinie mit einer oberirdischen Streckenführung nicht sinnvoll. Aus diesem Grund auch die Überlegung, dieses Projekt im Brennerbasistunnel abzuwickeln und gleichzeitig damit kann eines der größten Probleme mit beseitigt werden, nämlich die Lärmbelästigung der Güterzüge auf der Bestandsstrecke."
In der Nähe von Mauls, in 15 Kilometer von Aicha, liegt die Baustelle. Zweimal am Tag wird die Straße gesperrt, wegen Sprengarbeiten im Erkundungsstollen.
""Wir machen einzelne kleine Löcher in den Berg hinein, die dann eben mit dem Sprengstoff gefüllt werden, es wird dann verkabelt und gezündet. Es sind natürlich computergesteuerte Berechnungen, damit wir genau wissen, wie hoch die Dosis sein soll, damit wir genau die Fläche frei kriegen, die wir im Bauprogramm vorgesehen haben. Ich würde vorschlagen, wir betreten jetzt die Baustelle."
Der Untergrund wurde stabilisiert, Wälle sollen Erdrutsche aufhalten, Auffangnetze Steinschlag, Ziegen fressen das Gras von der Baustelle. Ein paar Arbeiter machen sich am Tunneleingang zu schaffen, eine Anlage filtert das Wasser im Berg, das beim Tunnelvortrieb verunreinigt und erwärmt wird. Kondenswasser entsteht, das abgeleitet werden muss. Der Berg schwitzt, wie man sagt. Falls aber die Umweltverträglichkeitsprüfung in Österreich negativ ausfällt, wird er wieder seine Ruhe haben. Zurück bleiben in den Sand gesetzte Millionenbeträge und nutzlose Tunnelzugänge: Es wäre die Perspektive Champignonzucht im Stollen.
"solange der baum die aschene Unterseite
seiner blaetter zeigt
so rennt die amsel
mit dem wurm
im Orangenschnabel am boden die
straeucher hindurch
geduckt
warum sind heute die kraehen so fluegge
ihre gefransten fluegelfedern
sind weiß
vom himmel der durchscheint
warum aber - nur weil der juni
fertig ist - sind so viele
voegel unterwegs
von bachstelzen zu schweigen
wir alle
warten
bis die marillen reif sind
der bahndamm windschief haengt
solange der baum die aschene Unterseite
seiner blaetter zeigt
geschieht nichts"
Wer mitten in Europa lebt, der muss den Transitverkehr ertragen. Das gilt in besonderem Maße für Österreich. Seit 1995 gehört das Land zur Europäischen Union, und seitdem gelten andere Spielregeln. Das Prinzip des freien Güter- und Warenverkehrs zum Beispiel: eine der Grundsäulen der Gemeinschaft. Eine Art Heiligtum eines zusammenwachsenden Binnenmarktes, an dem die österreichische Regierung bislang immer wieder scheitert, wenn sie versucht, die Verkehrslawinen zu begrenzen.
Als Mitte der neunziger Jahre Österreich die Brennermaut erhöht hat, da klagte die EU-Kommission und bekam Recht: Nahrung für den Europa Verdruss der Österreicher. Auch die Tiroler Landesregierung ist 2003 am Widerspruch Brüssels gescheitert, mit einem sektoralen Fahrverbot. Doch in diesem Jahr haben die Tiroler einen neuen Anlauf gewagt. Seit Mai dürfen LKW mit Schüttgut und Müll, die nicht in Tirol be- oder entladen werden, die Brennerautobahn nicht mehr befahren. Stattdessen muss ihre Fracht auf Züge umgeladen werden, auf die sogenannte rollende Landstraße. Und wieder läuft die EU-Kommission Sturm gegen diesen einseitigen Schritt, vielleicht auch aus Sorge, dass dieses Fahrverbot in Europa Schule machen könnte.
Die EU pocht auf eine Lösung innerhalb der Gemeinschaft. Diese aber braucht Zeit und die haben die Tiroler nicht, denn der Verkehr am Brenner nimmt immer drastischer zu. Die Prognosen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2020 über den Brenner 67 Millionen Tonnen Güter gefahren werden, 25 Millionen Tonnen mehr als im Jahr 2006. Zusätzlicher Verkehr braucht zusätzliche Wege, eine Herausforderung für Verkehrsplaner.
Das verrostete Thermometer am Ende von Gleis eins am Bahnhof verweist noch auf die Kaiserzeit: Hergestellt von einem Handwerksmeister am vornehmen Graben, Wien, erster Bezirk. Ein paar Schüler und Pendler warten am Bahnsteig in der Junisonne auf den Zug nach Brixen. Die Eisenbahnverbindung über den Brennerpass - im Personen und Güterverkehr - ist nicht ausgelastet.
In der Bar vor dem Bahnhof stehen ein paar Arbeiter in Leuchtkitteln und sehen fern. Mit dem Fall der Schengengrenze sind hier viele Arbeitsplätze beim Zoll weggefallen; doch seit einigen Monaten gibt es wieder mehr Jobs: beim Tunnelbau. Martin Ausserdorfer hebt sich schon durch sein Büro-Dress von den Arbeitern ab. Er bahnt sich einen Weg an die Theke und bestellt auf Italienisch Kaffee. Er ist 26 und bereits Direktor der "Beobachtungsstelle für Umwelt- und Arbeitsschutz". Dass dieser Info-Point direkt neben der Bauleitung für den Brennerbasistunnel am Bahnhof Franzensfeste zu finden ist, ist kein Zufall. Der Info-Point ist tunnelfreundlich.
Der adrette junge Mann mit der auffälligen roten Brille führt noch schnell ein paar Telefonate auf seinen zwei Handys; es geht, wieder einmal, um eine Info-Veranstaltung mit Bürgern einer Südtiroler Gemeinde. Ziel ist es, auch an diesem Abend das Tunnelprojekt gut zu verkaufen. Nach der Cappuccino-Pause steigt Ausserdorfer in seinen Wagen und fährt zur Baustelle.
"Wir haben heute zwei aktive Baustellen, nämlich in Aicha und in Mauls, die beide abgegrenzt sind, die wenig einsichtig sind, die gut organisiert und gekennzeichnet sind. Man musste endlich mit den Daten herausrücken, man muss auch verteidigend sagen: die Brennerbasistunnel-Gesellschaft konnte noch nicht ein fertiges Projekt präsentieren, da es in einer Phase der Erarbeitung war. Dann war es die Aufgabe, die Bevölkerung zu informieren. Politische Gruppierungen hatten aber in der Zwischenzeit durch gezielte Fehlinformationen einen bestimmten Missmut zum Brennerbasistunnel erzeugt, wo wir noch immer dabei sind, diese zu korrigieren."
Kurz vor Fortezza, in Aicha, fällt eine Stichstraße steil ins Tal ab, der Zugang zur Baustelle. Kipplader manövrieren umständlich, ein kilometerlanges Förderband für den Abraum wird installiert. Seit Januar wurde hier monatelang gesprengt, bis das Loch 150 Meter tief in den Berg reichte - so tief, dass die Tunnelbohrmaschine in Position gebracht werden konnte.
"Sie ist 134 Meter lang, hat einen Bohrkopf von 6,2 Meter und schafft im Durchschnitt 20 Meter pro Tag, die sie bohren kann. Dazu ist zu sagen, dass wir eine sehr gute Geologie haben für diese erste Bauphase, Richtung Norden, Richtung Mauls. Hier im Baustellenbereich Unterplattner bei Aicha hat man es so vorgesehen, dass das gesamte Material aus dem Tunnel, das herauskommt, mittels Förderband abtransportiert wird, und dann zur zweiten Baustelle in Hinterrigger."
Ausserdorfer selbst war erst kritisch gegenüber dem Tunnelprojekt eingestellt, wie er sagt. Dass er sich jetzt dafür engagiert und seinen gut bezahlten Job als Organisator der Biathlon WM aufgegeben hat, liegt an der "neuen Vision", mit der ihn einer der Verantwortlichen der Tunnelbetreibergesellschaft angesteckt hat. Nun erfüllt es ihn mit Stolz, dabei zu sein.
Fahrt zur Baustelle Nummer zwei, Zeit zum Erzählen.
""Rechts von uns sehen Sie die A 22, das ist die Brennerautobahn, wir fahren auf der Staatsstraße, gleich neben uns ist der Fahrradweg, dann der Fluss Eisack hier im südlichen Wipptal sowie die Brenner-Eisenbahnlinie. Die Täler sind sehr schmal, das kann man gut feststellen. Und natürlich ist eine neue Brennerbahnlinie mit einer oberirdischen Streckenführung nicht sinnvoll. Aus diesem Grund auch die Überlegung, dieses Projekt im Brennerbasistunnel abzuwickeln und gleichzeitig damit kann eines der größten Probleme mit beseitigt werden, nämlich die Lärmbelästigung der Güterzüge auf der Bestandsstrecke."
In der Nähe von Mauls, in 15 Kilometer von Aicha, liegt die Baustelle. Zweimal am Tag wird die Straße gesperrt, wegen Sprengarbeiten im Erkundungsstollen.
""Wir machen einzelne kleine Löcher in den Berg hinein, die dann eben mit dem Sprengstoff gefüllt werden, es wird dann verkabelt und gezündet. Es sind natürlich computergesteuerte Berechnungen, damit wir genau wissen, wie hoch die Dosis sein soll, damit wir genau die Fläche frei kriegen, die wir im Bauprogramm vorgesehen haben. Ich würde vorschlagen, wir betreten jetzt die Baustelle."
Der Untergrund wurde stabilisiert, Wälle sollen Erdrutsche aufhalten, Auffangnetze Steinschlag, Ziegen fressen das Gras von der Baustelle. Ein paar Arbeiter machen sich am Tunneleingang zu schaffen, eine Anlage filtert das Wasser im Berg, das beim Tunnelvortrieb verunreinigt und erwärmt wird. Kondenswasser entsteht, das abgeleitet werden muss. Der Berg schwitzt, wie man sagt. Falls aber die Umweltverträglichkeitsprüfung in Österreich negativ ausfällt, wird er wieder seine Ruhe haben. Zurück bleiben in den Sand gesetzte Millionenbeträge und nutzlose Tunnelzugänge: Es wäre die Perspektive Champignonzucht im Stollen.
"solange der baum die aschene Unterseite
seiner blaetter zeigt
so rennt die amsel
mit dem wurm
im Orangenschnabel am boden die
straeucher hindurch
geduckt
warum sind heute die kraehen so fluegge
ihre gefransten fluegelfedern
sind weiß
vom himmel der durchscheint
warum aber - nur weil der juni
fertig ist - sind so viele
voegel unterwegs
von bachstelzen zu schweigen
wir alle
warten
bis die marillen reif sind
der bahndamm windschief haengt
solange der baum die aschene Unterseite
seiner blaetter zeigt
geschieht nichts"
Wer mitten in Europa lebt, der muss den Transitverkehr ertragen. Das gilt in besonderem Maße für Österreich. Seit 1995 gehört das Land zur Europäischen Union, und seitdem gelten andere Spielregeln. Das Prinzip des freien Güter- und Warenverkehrs zum Beispiel: eine der Grundsäulen der Gemeinschaft. Eine Art Heiligtum eines zusammenwachsenden Binnenmarktes, an dem die österreichische Regierung bislang immer wieder scheitert, wenn sie versucht, die Verkehrslawinen zu begrenzen.
Als Mitte der neunziger Jahre Österreich die Brennermaut erhöht hat, da klagte die EU-Kommission und bekam Recht: Nahrung für den Europa Verdruss der Österreicher. Auch die Tiroler Landesregierung ist 2003 am Widerspruch Brüssels gescheitert, mit einem sektoralen Fahrverbot. Doch in diesem Jahr haben die Tiroler einen neuen Anlauf gewagt. Seit Mai dürfen LKW mit Schüttgut und Müll, die nicht in Tirol be- oder entladen werden, die Brennerautobahn nicht mehr befahren. Stattdessen muss ihre Fracht auf Züge umgeladen werden, auf die sogenannte rollende Landstraße. Und wieder läuft die EU-Kommission Sturm gegen diesen einseitigen Schritt, vielleicht auch aus Sorge, dass dieses Fahrverbot in Europa Schule machen könnte.
Die EU pocht auf eine Lösung innerhalb der Gemeinschaft. Diese aber braucht Zeit und die haben die Tiroler nicht, denn der Verkehr am Brenner nimmt immer drastischer zu. Die Prognosen gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2020 über den Brenner 67 Millionen Tonnen Güter gefahren werden, 25 Millionen Tonnen mehr als im Jahr 2006. Zusätzlicher Verkehr braucht zusätzliche Wege, eine Herausforderung für Verkehrsplaner.
Verkehrsexperte Hermann Knoflacher über den freie Warenverkehr und seine Gefahr für alle Europäer
Ist Professor Hermann Knoflacher einmal im Lande, muss man die Chance nutzen. Wie viel Zeit haben wir? "Möglichst wenig", entgegnet der 68-jährige Kärntner: graues Haar, jugendlich-heitere Züge, verschmitzte Augen. "Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist". Das Zitat Victor Hugos hängt in Knoflachers Büro in seinem Institut an der Technischen Universität in Wien.
Gekommen ist für Hermann Knoflacher die Zeit der "Verkehrsplanung für den Menschen ", so auch der Titel seiner ersten Publikation. Bevor Knoflacher 1975 an die Uni ging, hat er als Bauleiter am Tauerntunnel mitgearbeitet, dann als Berater für den früheren österreichischen Verkehrsminister Lausecker.
"Verkehr bringt Leben", "freie Fahrt für freie Bürger", das waren die autogerechten Parolen von damals. Haben die Verkehrspolitiker dazugelernt?
"Ich würde sagen, die haben nicht nur nichts dazugelernt, sondern sogar verlernt, was Verkehrspolitik vor 20 Jahren war. Vor 20 Jahren hat der Bundesminister die LKW-Abgabe Transit eingeführt, zu einem Zeitpunkt, als die Tiroler Bevölkerung noch auf der Seite der Frächter stand und die streikenden Frächter mit Getränken, Nahrungsmitteln gegen die politische Aktivität des Ministers versorgt hat. Ich glaube, das ist wesentlich zu sagen. Wir haben damals natürlich erkannt, welche Gefahr der Bevölkerung droht, als die Bevölkerung und die lokalen Behörden noch gar nicht wahrgenommen haben, was passiert. Das war noch Verkehrspolitik."
Knoflachers Fragen sind nicht die eines Technokraten, sie sind grundlegender Art: Warum müssen Autobahnen so breit sein, wie sie sind? Oder: Kann man nicht für den Gütertransport auf dem Mittelstreifen der Fahrbahnen Schienen bauen? - So, wie er es seinerzeit für die transitgeplagten Tiroler angeregt hatte. Den Lärm der Güterzüge würde der Lärm der Fahrzeuge einfach schlucken! Die Politik griff den Vorschlag nicht auf; sie nimmt - so scheint es - die Folgen von Lärm, Luftverschmutzung und Landschaftsverbrauch weiter in Kauf.
"Alles Geld und aller Warenverkehr ist wertlos, wenn dabei ein Leben aufs Spiel gesetzt wird. Damit wird die Geschichte nicht nur für die Tiroler, sondern insgesamt lebensgefährlich. Diese Politik gefährdet alle Europäer. Wenn wir nicht in der Lage sind, die fundamentalen Werte der Menschheit gegenüber den wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, dann wird die Sache außerordentlich bedenklich."
Kein Wunder, dass Hermann Knoflacher auch den jüngsten Verkehrs-Köder der Politiker Nord- wie Südtirols für unverantwortlich hält: den Brennerbasistunnel.
Er schaut auf die Uhr, doch das Thema ist sein Thema, also vergisst er erst einmal, wie spät es schon ist. Baufirmen lieben Tunnelbau, sagt er. Knoflacher kennt den Job aus eigener Erfahrung. Im Tunnel ist es dunkel, die Baustelle von außen nur schwer einsehbar. Wer kann da schon nachprüfen, weshalb die Baukosten auf einmal in die Höhe schnellen, sagt der Professor schmunzelnd. Doch davon abgesehen sei der Brennerbasistunnel, anders als der neue Schweizer Gotthard-Tunnel, auch rechtlich fragwürdig.
"Im Unterschied zu dem Schweizer Tunnel, die ja völkerrechtlich so abgesichert sind, dass oben der Verkehr auf der Straße in den Tunnel gehen muss, und ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Schweiz und der EU besteht, beim Brenner nichts dergleichen existiert. Das heißt, wie ich das Projekt auch drehe und wende, ich stoße immer ins Leere und das ist eine politisch nicht verantwortbare Position gegenüber denen, die dafür aufkommen müssen, nämlich die Bürger."
Diejenigen, die etwas vom Tunnel haben, sind die Banken und die Baufirmen, sagt der Professor. Schließlich gibt es keinen geduldigeren und zuverlässigeren Schuldner als den Staat!
Noch wird in Südtirol nur am Erprobungstunnel gebohrt. Der Transit rollt weiter, auch, weil die Unternehmen die Straße zu ihrem Warenlager gemacht haben, um Kosten zu sparen: just in time. Bei dieser Floskel aus der globalisierten Welt wird es Hermann Knoflacher dann doch zu bunt:
"Just in time ist nicht nur ein Schlagwort, sondern eine völlig unsinnige Aktivität heutzutage, nämlich, mit hohen Geschwindigkeiten über lange Strecken Güter herumzutransportieren. Just in time ist ja eine uralte Geschichte, besondern in den Alpen, seit jeher praktiziert, sonst wäre die Bevölkerung und die Tiere ausgestorben. Just in time bedeutete in den Alpen früher, dass ich im Sommer das Gras mähte, es in den Hütten als Heu speicherte und im Winter just in time mit einem Bockschlitten ins Tal geführt habe mit Hilfe der Gravitation, damit ich dann just in time den Hunger der Kühe gestillt habe! Das ist just in time!"
"aus dem wald
rinnt Schmelzwasser
ein
stetig
mit alten nadeln
die sonne wird steigen
waermen die laichschnuere
der mond dann die umarmten
kroeten
licht faellt ein"
Seit den achtziger Jahren wehren sich die Tiroler gegen den Transitverkehr, der durch ihre Täler donnert. Das eigens gegründete "Transitforum" organisiert Massendemonstrationen, darunter Tunnel- und Autobahnblockaden. Aktionen, um auf die Umweltbelastung aufmerksam zu machen und auf die Untätigkeit der Politiker. Eine Protestkultur, die sich vor allem in Nord-Tirol, also in Österreich einen Namen gemacht hat, doch die Südtiroler im Nachbarland Italien ziehen jetzt nach. Provoziert durch die Bauarbeiten rund um den Brenner Basis Tunnel, abgekürzt BBT, regt sich der Widerstand.
Gekommen ist für Hermann Knoflacher die Zeit der "Verkehrsplanung für den Menschen ", so auch der Titel seiner ersten Publikation. Bevor Knoflacher 1975 an die Uni ging, hat er als Bauleiter am Tauerntunnel mitgearbeitet, dann als Berater für den früheren österreichischen Verkehrsminister Lausecker.
"Verkehr bringt Leben", "freie Fahrt für freie Bürger", das waren die autogerechten Parolen von damals. Haben die Verkehrspolitiker dazugelernt?
"Ich würde sagen, die haben nicht nur nichts dazugelernt, sondern sogar verlernt, was Verkehrspolitik vor 20 Jahren war. Vor 20 Jahren hat der Bundesminister die LKW-Abgabe Transit eingeführt, zu einem Zeitpunkt, als die Tiroler Bevölkerung noch auf der Seite der Frächter stand und die streikenden Frächter mit Getränken, Nahrungsmitteln gegen die politische Aktivität des Ministers versorgt hat. Ich glaube, das ist wesentlich zu sagen. Wir haben damals natürlich erkannt, welche Gefahr der Bevölkerung droht, als die Bevölkerung und die lokalen Behörden noch gar nicht wahrgenommen haben, was passiert. Das war noch Verkehrspolitik."
Knoflachers Fragen sind nicht die eines Technokraten, sie sind grundlegender Art: Warum müssen Autobahnen so breit sein, wie sie sind? Oder: Kann man nicht für den Gütertransport auf dem Mittelstreifen der Fahrbahnen Schienen bauen? - So, wie er es seinerzeit für die transitgeplagten Tiroler angeregt hatte. Den Lärm der Güterzüge würde der Lärm der Fahrzeuge einfach schlucken! Die Politik griff den Vorschlag nicht auf; sie nimmt - so scheint es - die Folgen von Lärm, Luftverschmutzung und Landschaftsverbrauch weiter in Kauf.
"Alles Geld und aller Warenverkehr ist wertlos, wenn dabei ein Leben aufs Spiel gesetzt wird. Damit wird die Geschichte nicht nur für die Tiroler, sondern insgesamt lebensgefährlich. Diese Politik gefährdet alle Europäer. Wenn wir nicht in der Lage sind, die fundamentalen Werte der Menschheit gegenüber den wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, dann wird die Sache außerordentlich bedenklich."
Kein Wunder, dass Hermann Knoflacher auch den jüngsten Verkehrs-Köder der Politiker Nord- wie Südtirols für unverantwortlich hält: den Brennerbasistunnel.
Er schaut auf die Uhr, doch das Thema ist sein Thema, also vergisst er erst einmal, wie spät es schon ist. Baufirmen lieben Tunnelbau, sagt er. Knoflacher kennt den Job aus eigener Erfahrung. Im Tunnel ist es dunkel, die Baustelle von außen nur schwer einsehbar. Wer kann da schon nachprüfen, weshalb die Baukosten auf einmal in die Höhe schnellen, sagt der Professor schmunzelnd. Doch davon abgesehen sei der Brennerbasistunnel, anders als der neue Schweizer Gotthard-Tunnel, auch rechtlich fragwürdig.
"Im Unterschied zu dem Schweizer Tunnel, die ja völkerrechtlich so abgesichert sind, dass oben der Verkehr auf der Straße in den Tunnel gehen muss, und ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen der Schweiz und der EU besteht, beim Brenner nichts dergleichen existiert. Das heißt, wie ich das Projekt auch drehe und wende, ich stoße immer ins Leere und das ist eine politisch nicht verantwortbare Position gegenüber denen, die dafür aufkommen müssen, nämlich die Bürger."
Diejenigen, die etwas vom Tunnel haben, sind die Banken und die Baufirmen, sagt der Professor. Schließlich gibt es keinen geduldigeren und zuverlässigeren Schuldner als den Staat!
Noch wird in Südtirol nur am Erprobungstunnel gebohrt. Der Transit rollt weiter, auch, weil die Unternehmen die Straße zu ihrem Warenlager gemacht haben, um Kosten zu sparen: just in time. Bei dieser Floskel aus der globalisierten Welt wird es Hermann Knoflacher dann doch zu bunt:
"Just in time ist nicht nur ein Schlagwort, sondern eine völlig unsinnige Aktivität heutzutage, nämlich, mit hohen Geschwindigkeiten über lange Strecken Güter herumzutransportieren. Just in time ist ja eine uralte Geschichte, besondern in den Alpen, seit jeher praktiziert, sonst wäre die Bevölkerung und die Tiere ausgestorben. Just in time bedeutete in den Alpen früher, dass ich im Sommer das Gras mähte, es in den Hütten als Heu speicherte und im Winter just in time mit einem Bockschlitten ins Tal geführt habe mit Hilfe der Gravitation, damit ich dann just in time den Hunger der Kühe gestillt habe! Das ist just in time!"
"aus dem wald
rinnt Schmelzwasser
ein
stetig
mit alten nadeln
die sonne wird steigen
waermen die laichschnuere
der mond dann die umarmten
kroeten
licht faellt ein"
Seit den achtziger Jahren wehren sich die Tiroler gegen den Transitverkehr, der durch ihre Täler donnert. Das eigens gegründete "Transitforum" organisiert Massendemonstrationen, darunter Tunnel- und Autobahnblockaden. Aktionen, um auf die Umweltbelastung aufmerksam zu machen und auf die Untätigkeit der Politiker. Eine Protestkultur, die sich vor allem in Nord-Tirol, also in Österreich einen Namen gemacht hat, doch die Südtiroler im Nachbarland Italien ziehen jetzt nach. Provoziert durch die Bauarbeiten rund um den Brenner Basis Tunnel, abgekürzt BBT, regt sich der Widerstand.
Proteste? So etwas gab es hier noch nie - Auch in Sürdtirol regt sich Widerstand
Wiesen, ein Tausend-Seelen-Dorf am Eingang des Südtiroler Pfitschertales. Eine Kirche, geraniengeschmückte Ein- und Mehrfamilienhäuser, die nach gepflegtem Wohlstand aussehen, Pensionen, ein großes Hotel, Läden, Gasthäuser, ein kleines Rathaus. Die Ruhe trügt: Wiesen ist eine Hochburg des Widerstands. Der Protest manifestiert sich schon am Ortseingang: als Transparent mit der Aufschrift "Stop BBT" - ähnliche Plakate gegen den Tunnelbau prangen an jeder zweiten Hausfassade, sogar am Rathaus!
Für dieses Südtiroler Novum gekämpft haben ein großer, massiger 52-Jähriger und eine kleine, zierliche 46-Jährige: Silvia Bacca und Klaus Schuster, beides Lehrer. Einst drückte sie bei ihm die Schulbank. Über den Protest gegen den Brennerbasistunnel treffen sie sich regelmäßig wieder.
Seit über einem Jahr üben sie sich in zivilem Ungehorsam: Überzeugungsarbeit beim Nachbarn, Mails, Demos in Brixen, Info-Abende. Klaus Schuster trägt an diesem Tag eine schwarze Sonnenbrille, als er zur geplanten Baustelle fährt. Beim Sport ist dem Hobby-Fußballtrainer etwas ins Auge geflogen; alles geschwollen, sagt er lachend. Hinten im Auto sitzt Silvia Bacca.
"Die Südtiroler haben glaub ich noch nie Transparente an ihre Häuserwende gehängt, auch weil es in unserem Land nicht üblich ist, Protest auf diese Weise zu äußern. Irgendwie sind wir fast ein Symboldorf geworden für den Widerstand gegen den Brennerbasistunnel. So eine Art gallisches Dorf!"
Zwischenstopp am Ausgang eines kleinen Tunnels, Klaus Schuster wird grundsätzlich. Warum protestieren sie erst jetzt in Südtirol?
"Bei uns hat es bis vor einigen Jahren immer geheißen: Wir müssen uns gegen die Italiener wehren, sonst riskieren wir unsere Autonomie, wir müssen zusammenhalten. Auf die Straße zu gehen, das hat man in Deutschland und Österreich in den siebziger Jahren gelernt, da hatten wir noch ganz andere Probleme. Deswegen müssen wir das jetzt lernen. Und wir sind dabei, das zu lernen. Und wir in Wiesen versuchen, unseren Beitrag dazu zu liefern."
Hinter dem Tunnelausgang geht eine seit zwei Jahren gesperrte Straße ins Tal ab, die Alte Pfitscher Straße. Die Felswand ist wegen Steinschlag mit Netzen verkleidet.
"Auf jeden Fall ist dieser Berg ziemlich brüchig, das hat man schon gemerkt, wie man diesen Tunnel gebaut hat, weil da war die Bauzeit doppelt so lange als geplant, und wenn man noch weiter unten mit dem Zugangsstollen hineinfährt, dann wird man große Ausgaben haben wegen der notwendigen Stützmaßnahmen, sonst riskiert man, dass der ganze Hang herunterbricht!"
Wenn das alles bekannt ist, weshalb plant die Tunnelgesellschaft denn dann gerade hier ihren Stollenzugang? Klaus Schuster grinst breit.
"Soll ich Ihnen eine ganz klare Antwort geben? Je teurer die Arbeit ist, desto mehr verdienen die Firmen, die da arbeiten!"
Der impulsive Klaus Schuster, die nachdenkliche Silvia Bacca - beide sind stolz darauf, dass sie dem Zwiespalt in Wiesen ein Ende setzen konnten. Jetzt sind die Leute ziemlich einig darin, den Zugangsstollen ein paar hundert Meter hinter dem Ortsausgang abzulehnen. Ein idyllisches Tal würde zur Baustelle, 500.000 Tonnen Aushub müssten abgelagert werden. LKW-Verkehr würde aus Wiesen ein Durchgangsdorf machen, mit Lärm, Dreck und Gestank.
"Da drüben würden sie alles ablagern, aber das ist ihnen komplett egal. Da unten würde dann eine Straße reinführen, für den Baustellenverkehr, die Straße führt dann runter bis nach Wiesen. Dann würde man nach neuesten Plänen das Material mit einer Seilbahn nach Sterzing abtransportieren."
Der Widerstand in Wiesen hat sich herumgesprochen in Südtirol. Schuster und Bacca sind selbstkritisch genug, um zu wissen, dass sie es als Lehrer leichter haben, kämpferisch zu sein. Klaus Schuster wundert sich sogar ein bisschen, dass Silvia sich schon so lange in vorderster Linie engagiert. Ihr Mann sei schließlich freier Architekt! Silvia lacht - noch bekomme er weiter seine Aufträge.
Sie holt eine DVD aus ihrer Handtasche; darauf ein Videofilm über die Folgen eines Tunnelprojekte im Mugello bei Florenz. Dort sind bei den Bohrungen Quellen versiegt, Felder vertrocknet, Bauern um ihre Existenz gebracht worden, erzählt Bacca von ihren Recherchen. Klaus Schuster weist auf einen schneebedeckten Dreitausender, der das Pfitscher Tal abschließt.
"Das ist der Hochpfeiler, von der vierten Kehre der Pfitzer Straße ist der Ausgangspunkt zum Hochpfeiler. Hier der Talboden ist natürlich riesig .."
Von der Pfitzer Straße rechts abgehend, windet sich ein Fahrweg steil zu den Gehöften am Hang. Auf 1300 Meter Höhe: der Pretzhof. Auch hier oben, in der Einsamkeit des Berghofs, geht der Widerstand gegen den BBT weiter. In Gestalt von Bauer Anton Mair, einem wind- und wettergegerbten 77-Jährigen. Mair, den sie alle den Toni nennen, befürchtet für das Pfitschertal das, was in Mugello bei Florenz schon passiert ist. Und er malt ein düsteres Bild von den Folgen.
"Die Wasserquellen! Ohne Wasser gibt es kein Leben. Das hab ich schon auf der ersten Veranstaltung gesagt, als sie gesagt haben, die Wasserquellen werden versiegen, na, da nehmt ihr uns ja das Leben! Weil: Ohne Wasser gibt es kein Leben. Und Wasser ist für mich der größte Wert, den wir auf Erden haben. Das muss geschützt werden. Wenn der Grundwasserspiegel versickert? Der verkarstet, wird absterben, Muren werden abgehen und alles geht zugrunde. Das ist das Projekt nicht wert! Was uns der Schöpfer gegeben hat, soll uns der Mensch nicht nehmen, darf er uns nicht nehmen."
Alpensmog. Das waren Gesichter Europas über das Leben an der Brennerautobahn. Mit Reportagen von Alexander Musik. Die Literatur-Passagen hat Volker Risch gelesen. Die Gedichte stammen aus dem Buch "N.C. Kaser elementar", erschienen im Haymon Verlag. Die Musik wurde von Babette Michel ausgewählt. Am Mikrofon war Katrin Michaelsen.
Für dieses Südtiroler Novum gekämpft haben ein großer, massiger 52-Jähriger und eine kleine, zierliche 46-Jährige: Silvia Bacca und Klaus Schuster, beides Lehrer. Einst drückte sie bei ihm die Schulbank. Über den Protest gegen den Brennerbasistunnel treffen sie sich regelmäßig wieder.
Seit über einem Jahr üben sie sich in zivilem Ungehorsam: Überzeugungsarbeit beim Nachbarn, Mails, Demos in Brixen, Info-Abende. Klaus Schuster trägt an diesem Tag eine schwarze Sonnenbrille, als er zur geplanten Baustelle fährt. Beim Sport ist dem Hobby-Fußballtrainer etwas ins Auge geflogen; alles geschwollen, sagt er lachend. Hinten im Auto sitzt Silvia Bacca.
"Die Südtiroler haben glaub ich noch nie Transparente an ihre Häuserwende gehängt, auch weil es in unserem Land nicht üblich ist, Protest auf diese Weise zu äußern. Irgendwie sind wir fast ein Symboldorf geworden für den Widerstand gegen den Brennerbasistunnel. So eine Art gallisches Dorf!"
Zwischenstopp am Ausgang eines kleinen Tunnels, Klaus Schuster wird grundsätzlich. Warum protestieren sie erst jetzt in Südtirol?
"Bei uns hat es bis vor einigen Jahren immer geheißen: Wir müssen uns gegen die Italiener wehren, sonst riskieren wir unsere Autonomie, wir müssen zusammenhalten. Auf die Straße zu gehen, das hat man in Deutschland und Österreich in den siebziger Jahren gelernt, da hatten wir noch ganz andere Probleme. Deswegen müssen wir das jetzt lernen. Und wir sind dabei, das zu lernen. Und wir in Wiesen versuchen, unseren Beitrag dazu zu liefern."
Hinter dem Tunnelausgang geht eine seit zwei Jahren gesperrte Straße ins Tal ab, die Alte Pfitscher Straße. Die Felswand ist wegen Steinschlag mit Netzen verkleidet.
"Auf jeden Fall ist dieser Berg ziemlich brüchig, das hat man schon gemerkt, wie man diesen Tunnel gebaut hat, weil da war die Bauzeit doppelt so lange als geplant, und wenn man noch weiter unten mit dem Zugangsstollen hineinfährt, dann wird man große Ausgaben haben wegen der notwendigen Stützmaßnahmen, sonst riskiert man, dass der ganze Hang herunterbricht!"
Wenn das alles bekannt ist, weshalb plant die Tunnelgesellschaft denn dann gerade hier ihren Stollenzugang? Klaus Schuster grinst breit.
"Soll ich Ihnen eine ganz klare Antwort geben? Je teurer die Arbeit ist, desto mehr verdienen die Firmen, die da arbeiten!"
Der impulsive Klaus Schuster, die nachdenkliche Silvia Bacca - beide sind stolz darauf, dass sie dem Zwiespalt in Wiesen ein Ende setzen konnten. Jetzt sind die Leute ziemlich einig darin, den Zugangsstollen ein paar hundert Meter hinter dem Ortsausgang abzulehnen. Ein idyllisches Tal würde zur Baustelle, 500.000 Tonnen Aushub müssten abgelagert werden. LKW-Verkehr würde aus Wiesen ein Durchgangsdorf machen, mit Lärm, Dreck und Gestank.
"Da drüben würden sie alles ablagern, aber das ist ihnen komplett egal. Da unten würde dann eine Straße reinführen, für den Baustellenverkehr, die Straße führt dann runter bis nach Wiesen. Dann würde man nach neuesten Plänen das Material mit einer Seilbahn nach Sterzing abtransportieren."
Der Widerstand in Wiesen hat sich herumgesprochen in Südtirol. Schuster und Bacca sind selbstkritisch genug, um zu wissen, dass sie es als Lehrer leichter haben, kämpferisch zu sein. Klaus Schuster wundert sich sogar ein bisschen, dass Silvia sich schon so lange in vorderster Linie engagiert. Ihr Mann sei schließlich freier Architekt! Silvia lacht - noch bekomme er weiter seine Aufträge.
Sie holt eine DVD aus ihrer Handtasche; darauf ein Videofilm über die Folgen eines Tunnelprojekte im Mugello bei Florenz. Dort sind bei den Bohrungen Quellen versiegt, Felder vertrocknet, Bauern um ihre Existenz gebracht worden, erzählt Bacca von ihren Recherchen. Klaus Schuster weist auf einen schneebedeckten Dreitausender, der das Pfitscher Tal abschließt.
"Das ist der Hochpfeiler, von der vierten Kehre der Pfitzer Straße ist der Ausgangspunkt zum Hochpfeiler. Hier der Talboden ist natürlich riesig .."
Von der Pfitzer Straße rechts abgehend, windet sich ein Fahrweg steil zu den Gehöften am Hang. Auf 1300 Meter Höhe: der Pretzhof. Auch hier oben, in der Einsamkeit des Berghofs, geht der Widerstand gegen den BBT weiter. In Gestalt von Bauer Anton Mair, einem wind- und wettergegerbten 77-Jährigen. Mair, den sie alle den Toni nennen, befürchtet für das Pfitschertal das, was in Mugello bei Florenz schon passiert ist. Und er malt ein düsteres Bild von den Folgen.
"Die Wasserquellen! Ohne Wasser gibt es kein Leben. Das hab ich schon auf der ersten Veranstaltung gesagt, als sie gesagt haben, die Wasserquellen werden versiegen, na, da nehmt ihr uns ja das Leben! Weil: Ohne Wasser gibt es kein Leben. Und Wasser ist für mich der größte Wert, den wir auf Erden haben. Das muss geschützt werden. Wenn der Grundwasserspiegel versickert? Der verkarstet, wird absterben, Muren werden abgehen und alles geht zugrunde. Das ist das Projekt nicht wert! Was uns der Schöpfer gegeben hat, soll uns der Mensch nicht nehmen, darf er uns nicht nehmen."
Alpensmog. Das waren Gesichter Europas über das Leben an der Brennerautobahn. Mit Reportagen von Alexander Musik. Die Literatur-Passagen hat Volker Risch gelesen. Die Gedichte stammen aus dem Buch "N.C. Kaser elementar", erschienen im Haymon Verlag. Die Musik wurde von Babette Michel ausgewählt. Am Mikrofon war Katrin Michaelsen.