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Alpenverein
Klage gegen Ausbau des Skigebiets Sudelfeld

Die plattgewalzten Pisten von Skigebieten sind für die Pflanzen- und Tierwelt wertlos. Doch der Wintertourismus bringt Geld. Deshalb soll das Skigebiet im oberbayrischen Sudelfeld ausgebaut und modernisiert werden. Der Deutsche Alpenverein kämpft gegen dieses Vorhaben und klagt.

Von Susanne Lettenbauer | 13.05.2014
    Wintersportler und ein Schlepplift zeichnen sich am 01.02.2014 am Sudelfeld bei Bayrischzell (Bayern) als Schattenriss vom Himmel ab.
    So spät wie noch nie startete das zwischen 800 und 1.500 Metern gelegene Sudelfeld in die vergangene Skisaison. (picture alliance / dpa - Karl-Josef Hildenbrand)
    Eigentlich hatte niemand mehr damit gerechnet: Dass in Zeiten des Klimawandels Skigebiete im deutschen Alpenraum massiv ausgebaut werden. Seit 2011 lag der Projektantrag zum Ausbau des Skigebietes Sudelfeld, oberhalb der bayerischen Gemeinde Bayrischzell, in den Schubladen des Landratsamtes Miesbach. Dort wäre er wahrscheinlich auch verschwunden, hätte nicht der scheidende Landrat Jakob Kreidl, bundesweit in die Schlagzeilen geraten durch etliche Affären, Anfang April, in letzter Sekunde die Genehmigung erteilt - mit sofortiger Vollzugsanordnung. Seitdem rollen die Bagger, bis Herbst soll eines der größten Speicherbecken im bayerischen Alpenraum fertig sein. Für den Deutschen Alpenverein ist die Grenze überschritten:
    "Eine Klage ist der nächste konsequente Schritt und außerdem die letzte Möglichkeit, das Vorhaben noch zu stoppen. Politisch ist es ja bereits befürwortet worden, auch die Fördergelder dazu. Und wir wollen mit der Klage ganz klar ein Zeichen setzen für einen nachhaltigeren Tourismus im bayerischen Alpenraum," erklärt Steffen Reich vom Umwelt- und Naturschutzresort des DAV.
    So spät wie noch nie startete das zwischen 800 und 1.500 Metern gelegene Sudelfeld in die vergangene Skisaison. Ein Schicksal der meisten niedriger gelegenen Skigebieten im deutschen Alpenraum. Bei viel zu warmen Temperaturen im Dezember halfen auch die Schneekanonen nicht, die erst bei minus zwei Grad eingesetzt werden dürfen. Der Liftbetreiber hingegen spricht von 106 Tagen Skibetrieb - teilweise auf einer nur wenige Meter breiten weißen Piste in grüner Landschaft. Für den Deutschen Alpenverein als Sport- aber auch Naturschutzverein ein Unding.
    Geplantes Wasserspeicherbecken in der Kritik
    "Also, es sind mehrere strittige Punkte: Einer ist sicherlich das Landschaftsbild, ein riesiges Speicherbecken wird hier errichtet, es werden Biotope zerstört oder überflutet, ein großer Punkt ist der Wasserbedarf. Wir sehen da noch ein großes Fragezeichen, wo die enormen Wassermengen tatsächlich herkommen sollen und ob der Klimawandel hier entsprechend berücksichtigt wurde."
    Auf 250 Schneekanonen will der Liftbetreiber, die Sudelfeld Bergbahnen GmbH ihre Beschneiungskapazitäten ausbauen. Bis zur kommenden Wintersaison sollen die ersten 70 neuen, sogenannten Lanzen für das teure Weiß sorgen. Gespeist aus einem Wasserbecken, das mit 150.000 Kubikmeter Fassungsvermögen, einer Fläche von 15.000 Quadratmetern, gut zwei Fußballfelder, und einer maximalen Dammhöhe von 17 Metern einen massiven Eingriff in das Naturschutzgebiet darstellt, betont der Bund Naturschutz in Bayern. Kurt Schmidt kämpft seit 2011 gegen das Ausbauprojekt. Dass jetzt der Deutsche Alpenverein endlich mitzieht, lässt ihn wieder hoffen:
    "Wir haben schon immer von Anfang an, seit das Verfahren läuft, im Hinterkopf gehabt, dass wir, wenn es genehmigt wird, auch Rechtsmittel in Anspruch nehmen, weil es ein sehr großes Skigebiet ist, ein sehr bekanntes und eine Signalwirkung auch auf weitere Planungen im bayerischen Alpenraum haben wird, wie es weitergeht mit dem ganzen Wettrüsten in Hinblick auf die Schneesicherheit."
    Klage gegen Ausbau vom Skigebiet Sudelfeld
    Ein solch massiver Ausbau der Beschneiung am Sudelfeld wäre ein herber Rückschlag für den Naturschutz und würde falsche Zeichen für die Tourismusentwicklung in Bayern setzen, so DAV-Vizepräsident Ludwig Wucherpfennig nach der Präsidiumssitzung zur Entscheidung, gegen die Genehmigung zu klagen. Damit stellt sich jetzt eine Allianz von sieben Umweltverbänden gegen das Landratsamt Miesbach. Dort herrscht seit der Kommunalwahl und dem Wechsel an der Spitze die paradoxe Situation, dass der neue Landrat, Wolfgang Rzehak von den Grünen, früher erklärter Gegner des Ausbaus, jetzt dafür stimmen muss. Die Liftbetreiber und das Tourismusamt von Bayrischzell sehen der Klage gelassen entgegen, so Harald Gmeiner. Man habe damit gerechnet. Natürlich seien die Arbeiten ein Eingriff in die Natur, aber:
    "Es wird kein Kubikmeter Beton hier verbaut, es ist kein Betonbecken, das ist ein ganz naturnah angelegter Speichersee. Der ist in einer natürlichen Mulde angelegt, so dass nur auf einer Seite ein Dammkörper entsteht, aber der wird so naturnah angelegt. Wir haben sehr akribisch ausgesucht, welche Firma das macht, damit das in die Landschaft reinpasst."
    Auch der Alpenraum habe ein Anrecht auf eine Entwicklung im verantwortbaren Rahmen, bekommt Gmeiner Rückendeckung aus dem Bayerischen Landtag. Die CSU habe immer darauf hingewiesen, so Erwin Huber als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bayerischen Landtag, dass gerade das Sudelfeld für Kinder und Familien aus dem Münchner Raum besonders geeignet ist. Der Freistaat will den Ausbau der Beschneiungsanlagen am Sudelfeld mit Steuergeldern fördern - das hat der Landtag vergangene Woche beschlossen - mit den Stimmen von CSU, Freien Wählern und SPD. Möglich sind maximal 35 Prozent Staatszuschuss bei voraussichtlich 45 Millionen Euro Gesamtkosten. Ein falsches Zeichen in Richtung anderer Skigebiete meint der Deutsche Alpenverein:
    "Wir sehen die Tendenz generell ganz klar: Es werden bayernweit überall weiter Beschneiungsanlagen gebaut, die Lifte werden modernisiert, dagegen ist auch erstmal nichts zu sagen, aber die Kapazitäten erhöhen sich dadurch auch und es gibt auch eine ganze Reihe von Plänen, die tatsächliche Neuerschließungen sind, beispielswiese am Riedberger Horn, da ist eine solche geplant im Allgäu oder auch im Heutal, auf österreichischer Seite zwar, aber da kann man ganz klar die Tendenz sehen, dass hier keineswegs ein Stopp des Ausbaues zu sehen ist."
    Studie bezweifelt, ob sich bestimmte Skigebiete langfristig lohnen
    In spätestens 20 Jahren werden sich das Skigebiet am Sudelfeld wie auch andere Skigebiete im deutschen Alpenraum nicht mehr rentieren, ergab die im April 2013 veröffentlichte DAV-Studie "Klimawandel und Schneesicherheit in bayerischen Skigebieten". Eine Klage sollte da erfolgreich sein können, sind sich die sieben Umweltverbände sicher. Wir müssen an heute und nicht an morgen denken, entgegnen die Liftbetreiber. Sie sind überzeugt, dass die Winter auch in Zukunft kalt genug für Schneekanonen sein werden.