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Alte Strategie von Feigenwespen

Evolution. - Jede der rund 800 Arten von Feigenbäume wird von einer oder zwei Arten sogenannter Feigenwespen befruchtet. Die Insekten legen als Gegenleistung ihre Eier in den Blütenständen ab. Wie lange diese Form der Symbiose bereits existiert, ist ungeklärt. Heute präsentieren britische Forscher im Fachblatt "Biology Letters" den mit 34 Millionen Jahren bislang ältesten bekannten Beweis für diese Baum-Wespenbeziehung. Und diese ist den Autoren der Studie zufolge ungewöhnlich stabil.

Von Michael Stang |
    Ponera minuta wurde vor knapp hundert Jahren im Kalkstein der britischen Insel Isle of Wight entdeckt. Die 34 Millionen Jahre alte Ameisenart wurde 1920 wissenschaftlich beschrieben und schlummerte seither in den Archiven des Londoner Naturhistorischen Museums. Bei einer Evaluierung der alten Insektenbestände untersuchten Forscher um Stephen Compton von der Universität von Leeds das 1,5 Millimeter lange Fundstück genauer.

    "Während der Untersuchung sah ein Kollege, dass es keine Ameise sein konnte. Wir entdeckten alsbald noch zwei weitere Exemplare aus dem gleichen Fundgebiet. Als wir uns die Tiere unter dem Mikroskop ansahen, war schnell klar, dass es eine Feigenwespe war und das war schon eine nette Überraschung."

    Feigenwespen pflegen eine enge und fast monogame Beziehung zu Feigenbäumen. Die rund 800 Insektenarten legen ihre Eier mit einem Stachel immer nur in die Blütenstände einer bestimmten Feigenart ab und bestäuben sie dabei. In den winzigen Blütenständen entwickeln sich die Larven und ernähren sich von den Bestandteilen des Fruchtstandes. Zwar hatten molekulargenetische Hochrechnungen darauf hingedeutet, dass sich diese Wechselseitigkeit schon vor 65 Millionen Jahren entwickelt haben dürfte, Beweise gab es bislang aber lediglich in Form von 15 bis 20 Millionen Jahre alten Bernsteinfunden. Dass die britischen Forscher nun ein wesentlich älteres Exemplar einer Feigenwespe direkt in einer Feigenblüte entdeckt hatten, war jedoch nicht die einzige Überraschung:

    "Wenn ich diese Feigenwespe heute herumfliegen sähe, wäre das keine Überraschung. Dieses 34 Millionen Jahre alte Insekt hat sich fast nicht verändert und sieht aus wie ein heutiger Vertreter. Alle anatomischen Spezialisierungen, etwa jene, um in die Blüte zu gelangen oder die Pollentaschen, sind schon vorhanden. Das verrät uns auch eine Menge über die Anatomie der Feigenblüte."

    Auch diese hat sich in der ganzen Zeit nicht verändert. Demnach kann es kaum Selektionsdrücke gegeben haben, die eine Veränderung der beiden Akteure verursachte, meint Steve Compton.

    "Zweifellos sieht es so aus, als ob sich diese Beziehung in den Jahrmillionen nicht verändert hat. In einer solch hoch spezialisierten Symbiose würde eine Mutation auf Seiten der Wespe oder auf Seiten der Feige vermutlich sofort zum Ende dieser Wechselseitigkeit führen. Dieses Sich-nicht-verändern-dürfen ist meiner Meinung nach der Grund für dieses einzigartige System, das nur schwer Änderungen verträgt."

    Der britische Biologe vermutet daher, dass diese Symbiose die älteste wechselseitige Verbindung sein könnte, die in der Wissenschaft bekannt ist. Da diese Spezialisierung bei Wespe und Feige schon vor 34 Millionen Jahren ausgeprägt war, könnte ihr Beginn noch viel weiter zurückreichen. Steve Compton zufolge könnte diese Beziehung bereits in der Oberkreide existiert haben, also noch vor dem Aussterben der Dinosaurier. Belege aus dieser Zeit sind auf der Isle of Wight jedoch nicht möglich, da es dort keine geologischen Schichten aus dieser Zeit gibt. Da Feigenwespen aber nicht nur artenreich sind, sondern in fast allen tropischen Gebieten vorkommen, sind zukünftige Funde nicht unwahrscheinlich, die noch näher an den Beginn der Beziehung Feige und Wespe heranreichen.